Nach Belgien und den Niederlanden hat auch Frankreich die Fußball-Saison abgebrochen. Trainer Thomas Tuchel ist mit Paris wieder Meister, daran gab es keinen Zweifel. Alle anderen Entscheidungen werden aber heftig diskutiert.
Paris (dpa) - Stille Freude bei Thomas Tuchel und Paris Saint-Germain, lautstarker Protest von Olympique Lyon, trotzige und verzweifelte Vorschläge von vielen Seiten.
Der Saison-Abbruch der französischen Ligue 1 als erster der fünf Fußball-Top-Ligen Europas hat für heftige Diskussionen gesorgt. Der Abbruch als solcher war unausweichlich, nachdem Premierminister Édouard Philippe wegen der Corona-Pandemie eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs in dieser Saison für unmöglich erklärt hatte.
Auch über den Titel für Tuchels PSG um die Stars Neymar und Kylian Mbappé sowie die Nationalspieler Julian Draxler und Thilo Kehrer gab es angesichts von zwölf Punkten Vorsprung bei einer weniger ausgetragenen Partie keine Diskussionen. Weswegen der Zweite Olympique Marseille artig gratulierte. Für Unmut sorgte die Tatsache, dass der Verwaltungsrat der Liga auch Europacup-Teilnehmer, Aufsteiger und Absteiger aufgrund des aktuellen Tabellenbildes nach 28 Spielen festlegte.
Der frühere Serienmeister Olympique Lyon wäre damit erstmals seit 20 Jahren nicht im Europacup vertreten, spricht von «mehreren zehn Millionen Euro» Verlust und kündigte eine Klage an. Zudem erneuerte der streitbare Präsident Jean-Michel Aulas seine Forderung nach Playoffs, die nun eben im August stattfinden sollen. Für den 22. August plant die Liga aber den Start der neuen Saison und davor die beiden Finals im nationalen Pokal (PSG - Saint-Étienne) und im Ligapokal (PSG - Lyon). Sollten Saint-Etienne oder Lyon gewinnen, stünden sie in der Europa League. Sollte Paris beide Pokale holen, würden der Fünfte und Sechste der Liga nachrücken. Lyon, das wie PSG noch auf eine Fortsetzung der Champions League hofft, ist derzeit Siebter.
Auch darüber hinaus werden je nach eigener Situation weiter Vorschläge für alternative Berechnungen populistisch platziert. Die Liga solle nach der Hinrunde gewertet werden, nach dem 27. Spieltag, weil es noch ein Nachholspiel gibt, oder auch mittels einer Quotienten-Regelung. Alle Modelle würden zu minimalen Veränderungen führen, die für einzelne Clubs aber große Auswirkungen hätten.
Ganz knifflig ist die Entscheidung in der 2. Liga, wo bei zehn ausstehenden Spielen nur vier Punkte zwischen dem Ersten und dem Fünften liegen. Die Liga bestimmte nun Lorient und Lens als Aufsteiger und setzte das Relegationsspiel des Dritten gegen den Drittletzten der Ligue 1 aus. Absteigen sollen das abgeschlagene Toulouse und das ebenfalls schon sieben Punkte zurückliegende Amiens. Amiens erwägt trotzdem rechtliche Schritte. «Es ist eine Ungerechtigkeit, dass wir nicht bis zum Ende der Saison um den Verbleib in der Ligue 1 kämpfen dürfen», sagte Präsident Bernard Joannin. Marseille spielt in der Champions League, Rennes in der Qualifikation und Lille in der Europa League.
So oder so soll der Abbruch die Vereine rund 650 Millionen Euro kosten. Der französische Verbandspräsident Noël Le Graët nannte den Fußball eine «Industrie mit düsterer Zukunft». Zumal auch Regressforderungen von Sponsoren eintrudeln dürften. Der Hauptsponsor von Girondins Bordeaux hatte sein Engagement schon zum 4. April gekündigt.
Paris zeigte sich nach dem siebten Titel in den letzten acht Jahren derweil zurückhaltend. Mbappé postete ein Foto von vorherigen Titelgewinnen, Neymar schrieb bei Instagram ganz undivenhaft, er sei «glücklich, Meister zu sein». Tuchel äußerte sich noch gar nicht und der katarische Clubchef Nasser Al-Khelaïfi widmete den Titel «allen Pflegekräften und anderen Helden des Alltags».
Vor Frankreich hatten unter anderem die Ligen in Belgien und den Niederlanden die Saison abgebrochen. Deutschland hofft dank eines Sicherheitskonzepts auf eine Fortführung mit Geisterspielen ab Mitte Mai.