Leichtfertig hat die deutsche Elf die Chance auf mehr Anerkennung verspielt. Andere Nationen sind vorbeigezogen.
Rennes - Dem Weltverband Fifa sind ja wirklich viele Vorwürfe zu machen, aber bestimmt nicht, dass die Verantwortlichen gegen Vorschläge zur Förderung des Frauenfußballs immun sind. Sonst hätten man sich nicht vom Gastgeber Frankreich, und da speziell von Jean-Michel Aulas, dem für Männer und Frauen gleichermaßen engagierten Präsidenten von Olympique Lyon, überreden lassen, für die achte WM-Auflage eine Neuerung zu wagen: beide Halbfinals und Finale in Lyon auszutragen.
Seiner Stadt, die sich so ansehnlich um den Zusammenfluss von Saône und Rhône erhebt. Auch wenn die Preise in Apartments und Hotels für Anfang Juli explodiert sind, kommt nun zusammen, wer weltweit im Frauenfußball den Ton angibt. Der Rekordweltmeister USA, die neue Topnation England und der Europameister Niederlande standen als erste Halbfinalisten fest. Das war bereits eine feine Besetzung, sieht man einmal davon ab, dass der Gastgeber Frankreich das Pech hatte, sich viel zu früh mit der Vorkämpferin Megan Rapinoe messen zu müssen.
Rückschlag im Kampf um Anerkennung
Für Deutschland sah das Tableau deutlich leichter aus. Eigentlich war der Tisch für die K.o.-Phase gedeckt wie bei einem französischen Galadinner. Appetizer im Achtelfinale Nigeria, Vorspeise im Viertelfinale Schweden, der Hauptgang wäre dann das Halbfinale gegen Niederlande gewesen. Selbst wenn es danach nur die Nachspeise mit dem kleinen Finale in Nizza geworden wäre, hätte es alle Freunde des Frauenfußballs hierzulande satt gemacht. Doch mit dem vorzeitigen WM-Aus bleiben leere Münder zurück.
Und genau wie bei der EM 2017, als die deutschen Frauen ein mögliches Halbfinale gegen Österreich verschenkten, haben sie jetzt die prestigeträchtige Paarung gegen die Niederlande verspielt. Die verpasste Chance auf eine zweistellige Millionenquote im Fernsehen – das tut im Kampf um mehr Anerkennung richtig weh. 7,9 Millionen ARD-Zuschauer hatten am Samstagabend die zähe Kost verfolgt, die das Team von Martina Voss-Tecklenburg servierte. Der Schweden-Happen war letztlich unverdaulich.
Erstaunlich, wie flott die ranghöchsten Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) über die stagnierende Entwicklung im Frauen- und Mädchenfußball hinweggingen. Die verpasste Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio schadet in Wahrheit dem Frauen-Nationalteam viel mehr, als wenn sich die U21 der Männer nicht qualifiziert hätte. Japan ist eine Nation, die den Frauenfußball liebt. Volle Stadien wären garantiert gewesen, das Turnier gilt als anspruchsvoll. Deutschland fehlt als amtierender Olympiasieger. Da müssten die Alarmglocken schrillen.
Die Versenkung droht
Die EM 2021 in England ist noch lange hin. Die nächsten zwei Jahre lässt sich kaum verhindern, dass deutsche Frauen-Länderspiele in der Versenkung verschwinden. Mit den EM-Qualifikationsspielen ist nämlich in der Öffentlichkeit nicht viel Staat zu machen. Weil Begegnungen gegen die Ukraine, Griechenland oder Irland so einseitig verlaufen dürften, dass sich damit nur bedingt Entwicklungen auf Topniveau vorantreiben lassen.
Das erste EM-Qualifikationsspiel steigt am 31. August in Kassel gegen Montenegro. Damit den Kantersieg möglichst viele Menschen erleben, wird ein Familienfest im Auestadion organisiert. Anpfiff 12.30 Uhr. Drei Stunden später spielt die Männer-Bundesliga, und der müssen die Frauen zwingend aus dem Weg gehen, wollen sie wenigstens ein bisschen wahrgenommen werden.
Die Herausforderung wird nicht leichter, wo sich Verbände und Vereine in England, Spanien und bald auch Italien ernsthaft daran machen, eine Vormachtstellung zu erringen. Deutschlands Antwort fehlt bisher. Umso wichtiger wäre es gewesen, die Nationalmannschaft hätte ein Zeichen der Stärke gesendet. Aber dazu war sie nicht in der Lage.
Frank Hellmann
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