Katar sponsert deutsche EM: „Nichts weiter als ein politisches Machtinstrument“

Bei der EM in Deutschland taucht Katar als prominenter Sponsor auf. Kritik am umstrittenen Wüstenstaat hört man nach eineinhalb Jahre der WM aber selten. Das Emirat profitiert.

„Die UEFA Euro 2024 wird Ihnen präsentiert von: Visit Qatar.“ Diese Werbung kommt prominent vor jedem Spiel der Fußball-Europameisterschaft. Der Wüstenstaat ist während des Turniers in Deutschland aber nicht nur im Fernsehen omnipräsent. Durch die EM will Katar seine sportpolitische Stellung im Weltfußball weiter festigen – und nebenbei sein Image aufpolieren. Der europäische Fußballverband spielt dieses Spiel bereitwillig mit.

Der Moralphilosoph Stefan Fischer von der Universität Konstanz beobachtet im Gespräch mit unserer Redaktion „eine Art staatliches Greenwashing“. Katar versuche sich so, als verlässlicher Partner zu präsentieren und sein Image aufzupolieren. „Seine Einbindung in den Weltfußball ist für Katar nichts weiter als ein politisches Machtinstrument.“ 

Tourismuspartner Katar zur EM 2024: „Die berühmte Gastfreundschaft erleben“

Neben der staatlichen Fluglinie Qatar Airways tritt auch Visit Qatar als EM-Sponsor auf. Dabei handelt es sich um eine Marketingsparte der katarischen Tourismusbehörde, die in Deutschland für einen Besuch des Golfstaats werben will. Auf seiner offiziellen Website schreibt Visit Qatar anscheinend ohne jede Form der Ironie: „Sie fahren zur Fußball-EM nach Deutschland? Dann machen Sie doch auch Ihren kurzen Zwischenstopp in Katar zu einem Highlight Ihrer Reise.“ Wie viele Fans aus Frankreich, Portugal, den Niederlanden oder Spanien über Katar zum EM-Viertelfinale anreisen, ist unklar.

Auf den Fanmeilen der EM wirbt Katar mit Beachclub

Wer den Umweg von rund 5000 Kilometern Luftlinie nicht antritt, findet in den Fanzonen von München und Berlin ein bisschen Katar-Feeling. Dort gibt es den „Doha Club“ – einen Beachclub, der laut Visit Qatar eine „einzigartige, erlebnisorientierte Version von Katar“ vermitteln soll. So gebe es „lokale Köstlichkeiten wie Qahwa (arabischer Kaffee), Karak (Milchtee) und süße Leckereien“. Im „Doha Club“ könne man „die berühmte katarische Gastfreundschaft erleben“.

Menschenrechte in Katar: „Die Fortschritte stehen still“

Vor eineinhalb Jahren, bei der umstrittenen Fußball-WM in Katar, zeigte sich diese Gastfreundschaft auch dadurch, dass unliebsame Meinungen und politische Statements unterdrückt wurden. Das aufgrund der Öl- und Gasressourcen schwerreiche Emirat steht seit Jahren wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Durch die Aufmerksamkeit der WM hat sich die Lage für Gastarbeiter zwar leicht aufgehellt, noch immer gibt es laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International allerdings erheblichen Verbesserungsbedarf. „Ein Jahr nach der WM stehen die Fortschritte still“, bilanzierte Amnesty vor gut einem halben Jahr. Noch heute seien etwa Meinungsfreiheit oder die Rechte von Arbeitsmigranten eingeschränkt. Zudem würden Frauen und sexuelle Minderheiten unterdrückt. 

Katar selbst weist diese Kritik stets zurück und betont, welch große Fortschritte das Land in den letzten Jahren gemacht habe. Gleichzeitig kritisierte ein katarischer Sportreporter zuletzt mehrmals Deutschland als Ausrichter. Er will mehrere „Mängel“ ausgemacht haben. Zuvor prangerte Katar gar die Menschenrechtslage in der Bundesrepublik an. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) – bei der Katar-WM noch großer Kritiker – bemüht sich dieser Tage darum, Politik aus dem aktuellen Turnier herauszuhalten. Der Fokus solle auf dem Sportlichen liegen, hieß es am Rande der Trainingseinheiten etwa von DFB-Generalsekretär Andreas Rettig. Die Botschafterrolle des DFB solle man „nicht schon wieder zu sehr überhöhen“.

Politische EM? „Aufmerksamkeit bedeutet Macht“

Wie politisch ist diese EM also? Aus Sicht von Moralphilosoph Fischer ist jedes sportliche Großereignis von Politik geprägt. „Selbst wenn man als Veranstalter daran interessiert ist, politische Äußerungen zu unterbinden – es wird nicht gelingen können“, erklärt Fischer. „Aufmerksamkeit bedeutet Macht, und es werden sich aus Sicht der Protagonisten sportlicher Großveranstaltungen immer gute Gründe finden lassen, diese Macht auf die eine oder andere Art zu nutzen. Alleine deshalb ist es eine sehr realitätsferne Vorstellung, zu meinen, eine Fußball-EM sei nicht politisch.“

Das belegt laut Fischer auch die Uefa selbst, die ganz aktiv moralisch-politische Werte proklamiere. „Sie stellt sich auf ihrer Homepage als Organisation mit einem umfassenden Wertekanon dar und nimmt beispielsweise für sich in Anspruch, in Übereinstimmung mit den Menschenrechten zu handeln, sowie Diversität und Inklusion zu fördern“, sagt er. „Vor dem Hintergrund einer solchen moralisch-politischen Selbstverpflichtung muss die Kooperation mit einigen der großen Werbepartner der EM als fragwürdig erscheinen.“

Fragwürdige EM-Sponsoren: „Für Katar ein politisches Machtinstrument“

Die Uefa sieht diese Fragwürdigkeit offenbar nicht. Man arbeite mit Partnern zusammen, „die dieselbe Vision wie wir für unsere Wettbewerbe haben“, teilt der Verband auf Anfrage von IPPEN.MEDIA mit. Zudem nehme die Uefa ihre gesellschaftliche Verantwortung „voll wahr“ und „das Thema Menschenrechte sehr ernst“. Dabei arbeite man auch mit dem DFB zusammen. „Allerdings sind wir eine Konföderation von Fußballverbänden und kein politischer Akteur.“

Neben einigen chinesischen Sponsoren zählt zu den anrüchigen Sponsoren auch Katar. „Mit Menschenrechten, Diversität, Inklusion und Nachhaltigkeit ist es in Katar auch zwei Jahre nach der WM nicht sonderlich weit her“, sagt Moralphilosoph Fischer.

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