Aktivistin gegen Rassismus und Homophobie: Megan Rapinoe ist das Gesicht des WM-Turniers

Geste des Triumphs: Megan Rapinoe feiert ihre Tore.
 ©dpa

Niemand erregt bei der WM so viel Aufmerksamkeit wie Megan Rapinoe. Die Statements der US-Amerikanerin zur Homosexualität werden von der Fifa nicht zitiert.

Megan Rapinoe begann ihre Ausführungen im Pariser Prinzenpark mit einer Verbeugung für den Ausrichter der Frauen-WM. „C’est magnifique ce soir!“ Dieser Abend ist zauberhaft. Das schickte die US-Amerikanerin der Pressekonferenz in der Landessprache voran, ehe die „Spielerin des Spiels“ über die speziellen Momente eines vorweggenommenen Finals schwärmte, das der Rekordweltmeister USA am Freitagabend gegen den Gastgeber Frankreich (2:1) gewonnen hatte. „Das war alles, was du willst“, sagte die 33-Jährige. Nur niemand sollte ihren Doppelpack (5. und 65.) als direkte Antwort auf die Attacken eines Donald Trump verstehen. „Mich motivieren die Menschen, die mich mögen, die für dieselben Dinge kämpfen wie ich. Daraus ziehe ich mehr Energie als daraus, irgendjemand etwas beweisen zu wollen.“

Die charakterfeste Kämpferin, die wegen der Rotation unter drei Spielführerinnen nicht die Binde trug, befindet sich gerade auf bestem Wege, das Gesicht des Turniers zu werden. Wie in ihrer Frisur die Farben Rosa und Lila verschmelzen, so vereinen sich bei ihren Auftritten sportliche und politische Botschaften. Und nur wer über den Dingen schwebt, kann so viel Druck aushalten: Da wird ein vor der WM von einem Lifestylemagazin aufgenommenes Video aktuell, in dem Rapinoe bekräftigte, sie werde garantiert keiner Einladung in das verdammte („fucking“) Weiße Haus folgen, US-Präsident Donald Trump erwidert, Rapinoe solle erst mal gewinnen und dann reden („should WIN first before she TALKS“). Die Nummer 15 tat wie befohlen: Die ausgebreiteten Arme beim Torjubel zeugten von ihrer großen Strahlkraft. „Jeder versteht die Bedeutung dieser Nacht“, sagte sie nach dem Abpfiff.

Immer mehr Mitspielerinnen schließen sich Megan Rapinoe an

Die Mitspielerinnen haben sich von der hartnäckigen Aktivistin gegen Rassismus, Homophobie und Geschlechterdiskriminierung mit vier blitzsauberen Toren fast allein in die Finalwoche nach Lyon ziehen lassen. Und so trauen sich immer mehr, ihre Meinung kundzutun. Die deutschsprachige Ali Krieger, lange beim 1. FFC Frankfurt aktiv, entgegnete erst über Twitter, sie werde zu „@mPinoe“ stehen. Nun spottete sie, der Besuch im Weißen Haus sei kulinarisch kaum lohnend, weil Trump immer nur Burger auftische: „Wir wollen gar kein McDonalds-Essen.“ Zwei, drei Spielerinnen, schätzte die 34-jährige Krieger, würden vielleicht gehen.

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Ob die in Lyon bereits mit Finaltickets versorgten 15.000 US-Anhänger auch ohne Rapinoes Doppelpacks gegen Spanien und Frankreich ihre Lieblinge im Halbfinale gegen England (Dienstag 21 Uhr) gesehen hätten, ist fraglich. Der Rekordweltmeister scheint ein Stück zu athletisch und damit ausrechenbar geworden sind. Megan Rapinoe wollte davon wenig wissen: Defensive und Disziplin brauche es auch. Doch die 157-fache Nationalspielerin ist eine der wenigen, die neben Power auch Spielwitz verkörpert.

Alex Morgan trifft nicht mehr, Megan Rapinoe hat einen Lauf

Es hat nur ein bisschen gedauert, bis sie ins Turnier fand. Als der Rekordweltmeister zum Auftakt Thailand (13:0) sturmreif geschossen hatte, stand das Torfestival ganz im Zeichen von Alex Morgan. Das perfekt vermarktete Covergirl des US-Soccers erzielte seinerzeit in Reims fünf Tore, doch kein Treffer wurde an jenem Abend so bejubelt wie das 9:0 von Rapinoe nach 80 Minuten. Auf dem Hosenboden rutschte sie Richtung Ersatzbank und bewegte ein Bein hin und her. Wie ein Kleinkind, das in einem zu engen Strampler steckte. Ein Gefühl der Befreiung. Seit jenem Abend unweit der berühmten Kathedrale hat Morgan kein Tor mehr geschossen und wirkt in der K.o.-Phase orientierungslos wie ein Tourist in Frankreich ohne Stadtplan und Smartphone. Dafür findet Rapinoe instinktsicher immer den richtigen Weg, der in Paris wie beim 1:0 durch einen Haufen von Beinen über die Linie rauschte.

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Ungerührt diktierte die Matchwinnerin dem internationalen Reporterpulk in die Aufnahmegeräte, wie wichtig doch die Vielfalt im Fußball sei. „Man kann eine Meisterschaft nicht ohne Homosexuelle im Team gewinnen, das hat es noch nie gegeben. Das ist wissenschaftlich erwiesen.“ Als am Wochenende der Weltverband Fifa auf seiner Website von Rapinoes Glanztaten berichtete, blieben solche Statements ausgespart. Klinisch reine Bilder vor dem Anpfiff für Diversität und Antidiskriminierung ja, Meinungsäußerung nein. Und politische Ausrichtungen soll es erst recht nicht geben. Gleichwohl hat Fifa-Boss Gianni Infantino kürzlich dem US-Präsidenten Trump die Hand gereicht, weil die USA gemeinsam mit Kanada und Mexiko bei den Männern 2026 die erste Mammut-WM ausrichten.

Hingegen ist noch nicht entschieden, wo die Frauen ihre WM 2023 spielen. Neun Bewerber gibt es. Von Australien und Neuseeland, Bolivien und Brasilien, über Japan und Neuseeland bis hin zu Südkorea, die sich sogar ein gemeinsames Turnier mit Nordkorea vorstellen können. Dann wäre Trump-Freund Kim Jong Un plötzlich in vier Jahren im Boot. Megan Rapinoe wird sicher auch dazu etwas zu sagen haben.

Von Frank Hellmann

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