Grindel fordert Özil-Statement - Bierhoff in Bredouille

DFB-Boss Reinhard Grindel fordert von Mesut Özil eine Stellungnahme. Foto: Andreas Arnold
 ©Andreas Arnold

Die Aufarbeitung des WM-Scheiterns wird für Oliver Bierhoff zum Problem. Der DFB zeigt beim Krisenmanagement eine ähnlich miserable Leistung wie die entthronten Weltmeister auf dem Rasen in Russland. Die Dauerdebatte um Mesut Özil überlagert jede sachliche Analyse.

Berlin (dpa) - Die Aufarbeitung des WM-Desasters wird zum nächsten Debakel. Während der angeschlagene Joachim Löw abgetaucht ist, verheddern sich Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Boss Reinhard Grindel in der Dauerdebatte um Mesut Özil.

Die Krisenmanager des deutschen Fußballs bekommen auch nach dem blamablen WM-Aus die Erdogan-Affäre einfach nicht in den Griff. Statt an Bierhoffs Befähigung als Architekt für den Neuaufbau der Nationalmannschaft nach dessen umstrittener Interview-Offensive zu zweifeln, fokussiert sich Grindel selbst auf die Personalie Özil und macht die Zukunft des seit Wochen schweigenden Nationalspielers von klaren öffentlichen Bekenntnissen des Weltmeisters mit türkischen Wurzeln abhängig.

Eine Erklärung über die offiziellen Verbandskanäle hielt Grindel nach dem medialen Schlingerkurs Bierhoffs in der Causa Özil nicht für notwendig. Dafür machte er am Sonntag im «Kicker»-Interview seine Vorstellungen für den Ablauf der Aufarbeitung deutlich. «Es stimmt, dass sich Mesut bisher nicht geäußert hat. Das hat viele Fans enttäuscht, weil sie Fragen haben und eine Antwort erwarten. Diese Antwort erwarten sie zu Recht. Deshalb ist für mich völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte», sagte Grindel.

Der Verbandschef forcierte damit nach dem Bierhoff-Interview in der «Welt» erneut den Eindruck, dass Özil zum WM-Buhmann gemacht werden könnte. «Daneben müssen wir die sportliche Analyse abwarten und schauen, ob Joachim Löw weiter mit ihm plant», sagte der DFB-Chef und bezeichnete dieses Vorgehen noch als fairen Umgang «mit einem verdienten Nationalspieler, der einen Fehler gemacht hat».

Özil hatte seit dem Erscheinen der umstrittenen Aufnahmen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Mitte Mai, im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Ilkay Gündogan, keine öffentliche Stellungnahme abgegeben und war dafür mehrfach hart kritisiert worden. Am Wochenende veröffentliche der 92-malige Nationalspieler erneut ein Urlaubsfoto bei Twitter und schrieb dazu auf Englisch: «Hab Vertrauen und danke Gott für all die Segnungen».

Möglicherweise spekuliert man beim DFB auf eine Fortsetzung des Özil-Schweigens zum politischen Thema. Somit wäre sein Nationalmannschafts-Aus unvermeidbar und eine erste - viele Fans befriedigende - WM-Konsequenz gezogen.

Weiter ist offen, was genau Bierhoff und Löw strukturell und vor allem personell ändern wollen, um die gescheiterte Vier-Sterne-Auswahl bis September wieder auf Kurs zu bringen - gerade, was die eigene Arbeit betrifft. Für Löw wird der Umgang mit Özil, aber auch den anderen 2014-Champions von Sami Khedira bis Thomas Müller zum Lakmus-Test der Reformfähigkeit.

Eine sachliche Bewertung des historischen WM-Scheiterns in Russland hat es in den ersten Tagen seit der Bekanntgabe der Fortsetzung der Arbeit von Löw als Bundestrainer und Bierhoff als Teammanager am vergangenen Dienstag noch nicht gegeben. Löw hat sich seit dem Flash-Interview am Frankfurter Flughafen am Tag nach dem Russland-Aus keinen Fragen mehr gestellt.

Seine Befähigung für die Analyse und Umsetzung der notwendigen Schritte hat Bierhoff noch nicht erbracht. Immerhin äußerte er in die Defensive gedrängt in einem ZDF-Interview so deutlich wie nie seine und Löws Mitschuld an der Sommer-Pleite, sie seien «Teil des Problems».

In der brisanten Causa Özil ruderte Bierhoff schnell zurück und sprach von Missverständnissen und Fehlinterpretationen, nachdem er zuvor geäußert hatte, man hätte über die WM-Nominierung des Arsenal-Profis doch nachdenken müssen. Grindel forderte als Reaktion auf den Bierhoff-Zick-Zack ein «kluges Krisenmanagement». Man müsse «kühlen Kopf bewahren und nicht jedem Druck nachgeben».

Grund für Kritik an Bierhoff, der das WM-Debakel in den kommenden Wochen mit Löw aufarbeiten soll, sieht Grindel aber offenbar nicht. «Oliver Bierhoff hat sehr deutlich gemacht, dass er sich hier missverstanden fühlt. Und dass es in keiner Weise seine Absicht war, einen Spieler öffentlich für das Scheitern bei der WM verantwortlich zu machen», sagte Grindel. Am Wochenende reiste er wieder nach Russland, um für die deutsche EM-Bewerbung 2024 auf dem Funktionärsparkett Klinken zu putzen. Eine Wahlniederlage im September gegen die Türkei wäre der nächste herbe Nackenschlag für Fußball-Deutschland.

Ratschläge für die WM-Aufarbeitung an Bierhoff und Löw kamen mittlerweile auch vom einstigen Chef und Reformator Jürgen Klinsmann. «Es ist wichtig, dass sie jedes kleine Stück analysieren, dass sie selbstkritisch sind. Und dann läuft die Zeit, weil sie schon im September gegen Frankreich in der Nations League spielen», mahnte der Ex-Bundestrainer beim englischen Sender BBC.

Ob die Analyse noch zum radikalen Schluss führen könnte, dass Bierhoff oder Löw oder sogar beide ihre Posten räumen könnten, darf aber bezweifelt werden. Die Kraft und Entschlossenheit, «die notwendigen Schritte einzuleiten» attestierte sich Bierhoff selbst. Beim Thema Kommerz und Entfremdung von den Fans wehrt sich Marketing-Experte Bierhoff weiter vehement gegen die Fundamentalkritik an einer angeblich übertriebenen Selbstinszenierung der gestürzten Weltmeister. Ohne die Millionen-Einnahmen der Nationalmannschaft ginge es dem ganzen deutschen Fußball schlecht.

«Das Geld brauchen wir, um unsere gemeinnützige Arbeit des DFB leisten zu können.» Im Vergleich zu anderen Turnieren sei «keine Kampagne» zusätzlich geführt worden. Die Mannschaft habe nicht wegen der Aktionen oder des umstrittenen Labels #zsmmn schlecht gespielt. Früher habe man sich des Vorwurfs erwehren müssen, man sei zu «bräsig», nun werde Kritik an einer Überinszenierung laut, sagte Bierhoff. «Jetzt ist es eine Entfremdung, mit einer Fanhansa zu fliegen, 2014 war es der Siegerflieger, der bei allen Gänsehaut entwickelt hat.» Die Kritik nehme er an. Nach grundsätzlicher Überzeugung von weitreichenden Veränderungen klang das aber nicht.

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