Der Füllkrug-Verkauf ist für den BVB ein lohnendes Wagnis

Um den Abschied von Niclas Füllkrug von Borussia Dortmund wird unter Fans und Experten viel diskutiert. Dabei geht es eher um den Typen als den Stürmer Füllkrug.

Bad Ragaz – Nachdem es bei Borussia Dortmund in den vergangenen Wochen eine Art ‚Transferstau‘ gab, haben sich die Ereignisse zuletzt überschlagen. Binnen drei Tagen hat der BVB mit Pascal Groß und Yan Couto zwei überzeugende Neuverpflichtungen getätigt, im Gegenzug Niclas Füllkrug für Gespräche mit West Ham United freigestellt.

Es mag ein Zeichen der erstaunlichen Entwicklung des Stürmers zum fußballerischen Volkshelden sein, dass über diese Personalie am meisten diskutiert wird. Der BVB werde den Füllkrug-Verkauf „noch bereuen!“, heißt es in einem Kommentar der Bild-Zeitung. Sein Wechsel sei „eine Verschwendung“, wird beim TV-Sender Sport1 kommentiert. Auch unter Fans sind die Meinungen durchaus geteilt.

Niclas Füllkrug vor drei Jahren in der 2. Bundesliga suspendiert

Klar ist: Füllkrug ist gerade aufgrund seines ungewöhnlichen Karriereverlaufs ein Sympathieträger. Als er im Oktober 2021 beim damaligen Zweitligisten Werder Bremen suspendiert wurde, weil er sich gegenüber dem Profifußball-Leiter Clemens Fritz im Ton vergriffen hatte, hätte kaum jemand gedacht, dass Füllkrug drei Jahre später durch zwei Turniere zum Rekordjoker der DFB-Männer avancieren, ein Champions-League-Finale hinter sich haben und kurz vor einem Wechsel für bis zu 32 Millionen Euro Ablöse stehen würde.

Der späte Aufschwung in seiner Karriere macht Füllkrug für Fans nahbar, dazu trägt auch seine offene, ehrliche und nicht über-ernste Art bei. Die übrigens machte den 31-Jährigen auch in der Mannschaft sehr beliebt. Vor allem auf diese Faktoren stützt sich die Einschätzung derer, die dem BVB einen Fehler attestierten, wenn der Abschied von Füllkrug womöglich noch im Laufe des Sonntags (04. August) perfekt wird.

Füllkrug spielte eine ordentliche, jedoch keineswegs herausragende Saison

Der Klub verliere einen Sympathieträger, eine Führungsfigur, ein potenzielles Sprachrohr – und könne sich das nach den Abschieden von Mats Hummels und Marco Reus nicht gut leisten. Es ist auffällig, dass vergleichsweise wenig sportliche Gesichtspunkte ins Feld geführt werden, wenn es um Füllkrug geht. Weil sie nicht in die Argumentation passen? Die Vermutung liegt zumindest nahe.

Jedenfalls hat Füllkrug eine ordentliche, jedoch keineswegs herausragende Saison gespielt. Dafür mag es Erklärungsansätze geben, die Fakten sprechen aber für sich. 20 Scorerpunkte in der Bundesliga waren einer weniger, als er für Aufsteiger Werder Bremen in der Vorsaison gesammelt hatte. In der Champions League stieß Füllkrug bisweilen an seine Grenzen, erzielte bei 13 Einsätzen drei Treffer.

Zum absoluten Publikumsliebling überhöht

Naturgemäß bleiben Tore gegen Paris Saint-Germain oder Atlético Madrid in Erinnerung, während der Gedanke an technische Unzulänglichkeiten oder vergebene Chancen verblasst. In der Rückschau entsteht so ein verfälschtes Bild. Denn zur ganzen Wahrheit gehört, dass Füllkrug aufgrund seiner Leistungen oft auch beim BVB-Anhang kritisch beäugt wurde und sich viele Fans mehr Spielanteile für Sébastien Haller oder Youssoufa Moukoko gewünscht hätten.

Dass Füllkrug nun bisweilen zum absoluten Publikumsliebling des BVB überhöht wird, ist kaum nachvollziehbar. Auch im emotionalen BVB-Umfeld braucht es mehr als elf Monate, um sich einen derartigen Status zu erarbeiten. Es ist mitnichten so, als hätte ganz Dortmund dem sympathischen Hannoveraner jeden Fehlschuss verziehen, jede unnötige Diskussion mit dem Schiedsrichter, jeden Anfall von Fallsucht im gegnerischen Strafraum.

Abschied aus Dortmund wäre 2025 sowieso Thema geworden

Als mehrheitsfähig dürfte sich daher nach und nach die Lesart erweisen, dass Dortmund mit dem Transfer von Füllkrug ein gutes Geschäft macht. Der 31-Jährige befindet sich auf einem Marktwerthöhepunkt, der nach einer Saison als geplanter Backup nicht mehr zu erreichen gewesen wäre. Zudem lief der Vertrag von Füllkrug beim BVB noch bis 2026, wäre also ein Verkauf im kommenden Jahr ohnehin ein Thema gewesen.

Stattdessen wird die Maßnahme vorgezogen, weil den Klub ein Angebot erreicht hat, das kaum abzulehnen war. Das hat auch wenig mit einem Mangel an Ambitionen zu tun – zumal sich der BVB bemüht, das Geld in Maximilian Beier von der TSG Hoffenheim zu reinvestieren, einen der spannendsten jungen deutschen Stars. Dass der Impetus von Füllkrug selbst ausgegangen sein dürfte, der bei West Ham eine Art Rentenvertrag erhält und obendrein die Aussicht auf einen Stammplatz hat, trägt ebenfalls zu einem stimmigen Gesamteindruck bei.

Aussage wird für Trainer Nuri Şahin zum Bumerang

Dennoch ist nicht zu verhehlen, dass der Abschied des designierten Stammstürmers der ersten Pflichtspiele, bis Serhou Guirassy einsatzfähig ist, rund zwei Wochen vor dem Auftakt im DFB-Pokal ein Wagnis darstellt. Ob die Verpflichtung von Beier oder eines anderen Ersatzes gelingt, bleibt abzuwarten. „Auf solche Szenarien sind wir vorbereitet“, sprach Sportdirektor Sebastian Kehl im Trainingslager von Bad Ragaz Klartext. An der Aussage wird er sich nun messen lassen müssen.

Bemerkenswert ist indes, dass sich Trainer Nuri Şahin bis dato nicht zur Thematik geäußert hat. „Wir wollen die bestmögliche Mannschaft haben – und da spielen Füllkrug und Guirassy in meinen Planungen eine zentrale Rolle!“, hatte der neue Chefcoach knapp zehn Tage vor dem Abschied des DFB-Stars erklärt. Şahin ist lange genug im Profifußball dabei, um zu wissen, dass sich die Gegebenheiten verändern können. Dennoch ist wenigstens unglücklich, dass sich seine Ansage zur Sturmplanung schnell überholt hat.

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