Joachim Löw hat bei seiner Kadernominierung für die ersten Länderspiele des Jahres auf große Überraschungen verzichtet, aber die Gelegenheit zur Klarstellung genutzt. Der Bundestrainer wehrte sich gegen die teils verheerende Kritik.
Frankfurt/Main - Frischer Wind durch drei Neulinge, kein "Eiertanz" beim aussortierten Weltmeister-Trio: Bundestrainer Joachim Löw hat bei der mit Spannung erwarteten öffentlichen Kadernominierung auf große Überraschungen für den Start ins neue Länderspieljahr verzichtet. Löw wehrte sich zudem gegen die Kritik an seiner Entscheidung gegen Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng gewehrt.
"Ich finde es befremdend, wenn manche über Respekt und Wertschätzung urteilen, obwohl sie gar nicht beim Gespräch dabei waren. Zeit ist auch kein Indikator für die Qualität eines Gesprächs", sagte Löw bei der Pressekonferenz am Freitag in Frankfurt/Main. Es sei für ihn "das Allerwichtigste" gewesen, den Bayern-Spielern das Aus persönlich mitzuteilen. "Es ist mir emotional wahnsinnig schwergefallen, weil wir den Spielern viel zu verdanken haben." Außerdem habe er mit allen nochmals "in aller Ruhe telefoniert".
Für die Kritik an dem Fakt, dass Löw die Nationalmannschaftskarrieren von Hummels, Müller und Boateng quasi für beendet erklärt hat, zeigte der Bundestrainer ebenfalls kein Verständnis. "Es wäre ein Eiertanz gewesen, Spielern mit 80, 90 oder 100 Länderspielen zu sagen: Mal sehen, was im Juni ist und wie sich die jungen Spieler entwickeln. Solchen Spielern will ich mit Ehrlichkeit begegnen."
Die harte Wahrheit ist: Löw plant für die EM-Qualifikation und die Endrunde 2020 nicht mehr mit dem Trio. Eine mögliche Rückkehr der Spieler, wie zuletzt von Hummels öffentlich angesprochen, schloss Löw so gut wie aus: "Gibt es da so viele offene Fragen? Ich plane ohne sie."
Auch mit WM-Held Mario Götze plant Löw beim Start der EM-Qualifikation am 24. März in Amsterdam gegen Erzrivale Niederlande und vier Tage zuvor im Testspiel in Wolfsburg gegen Serbien (beide 20.45 Uhr/RTL) nicht. "Ich habe registriert, dass Mario Götze in den letzten Wochen sehr gut gespielt hat", sagte Löw, der dennoch andere Spieler nominierte.
Mittelfeldspieler Maximilian Eggestein (22/Werder Bremen) sowie die Abwehrspieler Niklas Stark (23/Hertha BSC) und Lukas Klostermann (22/RB Leipzig) dürfen auf ein Debüt hoffen. Der Leipziger Marcel Halstenberg, der wegen eines Kreuzbandrisses monatelang ausgefallen war, und Torhüter Marc-Andre ter Stegen (FC Barcelona) kehren zurück. Ter Stegen wird sich (noch) mit der Rolle des Herausforderers von Manuel Neuer begnügen müssen. "Manuel Neuer ist unsere Nummer eins, er ist unser Kapitän", sagte Löw: "Aber er muss seine Leistungen auch bei uns zeigen, das weiß er auch von mir."
Generell unterstrich Löw, dass er den erst spät eingeleiteten Umbruch im Team nach dem Horror-Jahr 2018 mit dem WM-Aus in der Vorrunde und dem Abstieg in der Nations League mit aller Macht fortsetzen will. Die jungen Spieler müssten nun "noch mehr zeigen, dass sie Stammspieler und Führungsspieler sein wollen", und "eine Schippe drauflegen", forderte Löw, der auch auf Jonas Hector vom 1. FC Köln verzichtete.
Die Kritik an Löw dürfte mit dem Auftritt allein nicht verstummen. Auch Matthias Sammer kritisierte die Kommunikation im Fall der Ausbootung von Müller, Hummels und Boateng. Keiner habe "wie ein Depp dastehen" wollen, sagte der Europameister bei Eurosport, "und was ist passiert? Sie stehen im Prinzip alle beschädigt da."
sid