Vor einem Jahr hat die deutsche Nationalmannschaft einen Tiefpunkt erreicht. Mittlerweile herrscht unter Bundestrainer Julian Nagelsmann wieder Euphorie.
Amsterdam – Wer genau am Dienstag vor einem Jahr die Zeitung aufblätterte, las vom absoluten Tiefpunkt. Am Abend zuvor, dem 9. September 2023, verlor die deutsche Nationalmannschaft auf blamable Art und Weise mit 1:4 gegen Japan. Die internationale Presse berichtete damals von einer „japanischen Ohrfeige“, auf anderen Titelseiten war von einem „Debakel“, einer „Demütigung“ oder einer „Mega-Krise“ zu lesen.
Vor einem Jahr noch ein Scherbenhaufen: Wo steht der DFB unter Nagelsmann?
Es wurde die letzte Partie unter der Leitung von Hansi Flick, seinen Nachfolger Julian Nagelsmann erwartete ein Scherbenhaufen aus riesigen Defensivproblemen, einer zerrütteten Mannschaftshierarchie und vor allem: schlechte Stimmung, egal ob innerhalb des Teams oder bei den Fans in ganz Fußballdeutschland.
Damals war kaum vorstellbar, wie anders die DFB-Welt 365 Tage später aussieht. Die Heim-EM wurde zum großen Kitt zwischen Fans und der Mannschaft, das 5:0 gegen Ungarn zum Nations-League-Auftakt am Samstag transportierte die Euphorie nun in die zuvor oft ungeliebten Länderspielpausen.
Lothar Matthäus erklärt Wander der DFB-Elf unter Nagelsmann
Für Lothar Matthäus ist das vor allem ein Verdienst von Nagelsmann: „Der Trainer hat es geschafft, eine Mannschaft zu formen, die sich untereinander versteht und jeder jeden schätzt“, sagte der Rekordnationalspieler bei einem Interwetten-Termin am Montag. Man habe die Teamchemie allein beim Torjubel gegen Ungarn gesehen, als „die Ersatzspieler genauso euphorisch“ jubelten wie der Torschütze. „Das ist der richtige Weg. Das überträgt sich auf die Leistung – und die Leistung auf die Atmosphäre.“
Besonders diese gewandelte Atmosphäre sei nun ein Schlüssel dafür, auf dem Weg zur WM 2026 erfolgreich zu sein: „Das gibt dir Stärke und Selbstvertrauen. Dann will man als Spieler etwas zurückgeben und ist sogar verpflichtet dazu“, so Matthäus. „Das war in den letzten Jahren nicht der Fall.“ Dass junge Fans und Nachwuchsspieler nun wieder DFB-Trikots tragen, sei „wunderbar und schön.“ Und auch die positive Medienberichterstattung habe einen Anteil: „Die Spieler kommen zu den Interviews und haben ein Lächeln, einen Spruch drauf. Sie fühlen sich wieder frei“, bilanzierte er.
„Und diese Freiheit brauchst du im Kopf, um deine Leistungen abzurufen.“ Dass Nagelsmann den Weltmeistertitel in zwei Jahren als Ziel ausgerufen hat, findet Matthäus verständlich, weil „wir alle sehen, welche Qualität in der Mannschaft steckt.“
Julian Nagelsmann erwartet ein Top-Spiel gegen die Niederlande
Als ersten Härtetest für die Qualität dieser Mannschaft wartet am Dienstagabend die Niederlande (20.45 Uhr/ RTL). Die Elf von Ronald Koeman kam bei der EM ins Halbfinale und schied unglücklich gegen England aus, im ersten Spiel danach fegte die Elftal mit 5:2 über Bosnien-Herzegowina. Was erwartet Matthäus von dem Duell mit der Niederlande? „Sie werden aggressiv spielen und haben eine hohe Qualität. Das wird ein vorentscheidendes Spiel um Platz eins werden.“
Julian Nagelsmann erwartet ebenfalls ein echtes Top-Spiel: „Ich freue mich schon. Die Holländer haben auch fünf Tore geschossen. Holland hat eine sehr, sehr gute Mannschaft und sehr viel Potenzial, was die Einzelspieler angeht. Da bin ich gespannt.“ Sein Abwehrchef Jonathan Tah, der in Abwesenheit von Antonio Rüdiger auch gegen die Niederlande zusammen mit Nico Schlottereck verteidigen wird, setzt auf „sehr viel Selbstvertrauen. Wir wollen einfach genauso weitermachen.“ Vinzent Tschirpke, Manuel Bonke, Philipp Kessler