Berlin - Für die deutsche Elf war es eine Zitterpartie, für die Fans wurde das ersehnte Fußballfest zu einer Zitterparty. Zehntausende Fans erlebten beim Spiel Deutschland-Ghana ein Wechselbad der Gefühle.
Zitterparty statt Fußballfest: Zehntausende deutsche Fans haben am Samstagabend gemeinsam mit der DFB-Elf gelitten, gefiebert, gejubelt und gestöhnt. Das zweite WM-Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft gegen Ghana hatte wieder schwarz-rot-goldene Massen auf die Fanmeilen, Fußballfeste, auf öffentliche Plätze und in Arenen gelockt. Doch die rauschende Fußballparty für sie blieb diesmal aus. Nach dem furiosen 4:0-Erfolg Deutschlands im Auftaktspiel gegen Portugal am Montag tat sich das deutsche Team diesmal schwer und stürzte ihre Fans damit in ein Wechselbad der Gefühle. Am Ende jubelten die Fans auf beiden Seiten über das hart erkämpfte 2:2.
GROSS FEIERN: Dicht gedrängt schauten Zehntausende Fans auf der Berliner Fanmeile und in der Hamburger Fan-Arena das zweite Vorrundenspiel der Deutschen - obwohl es in beiden Städten zeitweise regnete und mit rund 15 Grad nicht gerade sommerlich warm war. In der Hansestadt war das Heiligengeistfeld mit 50 000 Fans voll besetzt; auf der Hauptstadt-Meile waren viele der mehrere Zehntausend Fans schon Stunden vor Spielbeginn gekommen und wurden ordentlich nass geregnet.
Video: So leer war München während des Deutschland-Spiels
EINSAM: Vor der malerischen Kulisse der Nagelfluhkette bei Oberstaufen im Allgäu verfolgte der Naturführer Theo Palecek die Partie auf einem Tablet-Computer. Die Jungrinder, die um ihn herum grasten, nahmen wenig Anteil am Schicksal der deutschen WM-Kicker.
HISTORISCH: Im Münchner Olympiastadion, wo Deutschland vor 40 Jahren gegen die Niederlande Weltmeister geworden war, kamen 20 000 zum kollektiven Anfeuern zusammen.
MIT DEM FUSSBALLGOTT: In der Frankfurter Commerzbank-Arena gab es vor dem Einzug des Fußballgottes eine echte religiöse Zeremonie: Die Fans konnten in einer ökumenischen Andacht gemeinsam für den Sieg beten. Doch auch danach dürften die rund 30 000 Anhänger der deutschen Mannschaft während des Spiels noch so manches Stoßgebet zum Himmel geschickt haben.
GEMÜTLICH: „La ola“ auf dem Sofa: Im „WM-Wohnzimmer“ im Berliner Zweitligastadion Alte Försterei war es wieder picke-packe-voll. 3000 Fans auf den mitgebrachten Couches und weitere 9000 auf den Rängen fieberten mit dem deutschen Team. Als das Spiel Mitte der ersten Halbzeit etwas verflachte, schwappte die berühmte „La ola“ über Tribünen, Stehplatzränge und Sofas.
SOMMERLICH: Passend zum Sommeranfang bot das größte baden-württembergische Fanfest in Heilbronn fast brasilianische Bedingungen: „Sonnenschein, 26 Grad, beste Bedingungen“, schwärmte der Veranstalter am frühen Abend. Dieses Kaiserwetter lockte mehr als 10 000 Fußballfans auf die Theresienwiese.
AFRIKANISCH I: Keine LED-Großbildleinwände, sondern alte Röhrenfernseher waren beim Public Viewing am Samstagabend in der Osnabrücker Innenstadt angesagt. Das Afrika Festival in der niedersächsischen Stadt wollte den heimischen Fußballfans demonstrieren, wie Fans in Ghana und vielen anderen Ländern Afrikas normalerweise Fußball gucken. Das Regenwetter macht den Empfang auf den alten Geräten nicht besser, das lässt Erinnerungen an früher wach werden: „Damals hatten wir nur schwarz-weiß.“
AFRIKANISCH II: Ein Sandstrand an der Spree, dazu ghanaische DJ-Musik und afrikanische Tänze: Auf dem Partygelände „Yaam“ in Berlin feierten mehrere hundert Ghanaer und Deutsche gemeinsam eine fröhlich-friedliche WM-Party. Dazu passte die Punkteteilung dann auch ganz gut.
BRASILIANISCH: Tausende Fans aus Deutschland machten die Partie im Estádio Castelão in Fortaleza fast zu einem Heimspiel: Mit schwarz-rot-goldenen Hüten, Blumenketten, geschminkten Gesichtern, in Nationaltrikots oder mit Fahnen ausgerüstet skandierten sie lautstark „Deutschland, Deutschland“. Allerdings mischten sich in die Feierstimmung zu Beginn des Spiels auch Unmut und „FIFA raus“-Rufe, denn Ordner hatten Medienberichten zufolge etliche deutsche Fans aufgefordert, angebrachte Fahnen und Banner abzuhängen. Der Weltfußballverband räumte hinterher einen Fehler der lokalen Organisatoren ein Es habe sich um eine „Fehlinterpretation“ der Ordner gehandelt. Man sei davon ausgegangen, dass die Transparente die zulässige Größe überschritten hätten. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.
BRASILIANISCH II: Mit Tröten und Girlanden in Schwarz-Rot-Gold erlebten Hunderte deutsche Fans das Spiel an Rios Copacabana - rund 2500 Kilometer vom Spielort entfernt. Am deutschen Fan-Treffpunkt „Tor!“ versammelten sich etwa 400 Fans überwiegend in Nationaltrikots. Die Fans hofften auf viele Tore der deutschen Mannschaft: Bei jedem deutschen Treffer gibt es ein Freibier - immerhin zwei konnten sie diesmal trinken.
SPRINTSTARK: Ein Fan wollte anscheinend ganz nah dran sein und schaffte es trotz aller Sicherheitsmaßnahmen kurz nach Anpfiff der zweiten Hälfte als Oben-ohne-Flitzer aufs Spielfeld. Den Rest des Spiels dürfte der Mann aber wohl verpasst haben: Er wurde von Ordnern in die Katakomben des Stadions geführt.
dpa