Fast eine Milliarde Euro investierten die Vereine der Saudi Pro League im Sommer in neue Spieler. Das Ergebnis ein halbes Jahr später ist ernüchternd.
Riad – Wer in diesem Jahr um und nach der internationalen Transferperiode in so manches Urlaubsland reiste und die Augen offen hielt, konnte eine Veränderung feststellen: An diversen Straßenständen, wo vermeintlich originale Fußballtrikots zum Spottpreis feilgeboten werden, dominierten plötzlich nicht mehr die europäischen Vereine. Statt Paris Saint-Germain und Real Madrid hieß es nun Al-Nassr FC und Al-Ittihad Club. Nur die Spieler blieben dieselben: Neymar, Karim Benzema und noch viele weitere Fußballstars, die zuvor in Europa unter Vertrag standen.
Was hinter der Rekordshoppingtour der saudi-arabischen Vereine steckt, wurde hinreichend aufgezeigt. Das Land will sein Bild in der Welt aufhübschen. Kurz gesagt, im Golfstaat wird astreines Sportswashing betrieben, auch wenn für die Spieler auch der Glaube eine Rolle spielt. Doch wie erfolgreich ist das und wie präsentieren sich die Fußballstars, die dem Ruf des – noch größeren – Geldes gefolgt sind?
Saudi Pro League mit einem kleinen Erfolg in Deutschland, aber wenig Sichtbarkeit
Einen kleinen Erfolg in Sachen Marketing konnte die Saudi Pro League in Deutschland für sich verbuchen. In den Transfersommer 2023 hinein meldete der Streamingdienst DAZN, sich die Übertragungsrechte an der Wüstenliga gesichert zu haben. Ein langfristiges Commitment wollte man bei DAZN aber nicht eingehen, denn der Vertrag geht zunächst nur über die laufende und die kommende Spielzeit.
Auch wenn die Sichtbarkeit sicherlich etwas gestiegen ist, so dominieren in der Presse, den öffentlichen Medien und – trotz großer Trikotoffensive – im öffentlichen Raum die europäischen Ligen und Vereine. Von einer Reichweitensteigerung und damit einer entsprechenden Verbesserung der Außendarstellung, die einem Gegenwert von beinahe 950 Millionen gerecht wird, kann nicht die Rede sein. Diese 950 Millionen Euro waren es nämlich, die die 18 Teams in Summe für Neuzugänge ausgegeben haben.
In Sachen nicht vorhandener Sichtbarkeit sorgte zuletzt in Spanien die Übertragung eines Spiels zwischen den Klubs zweier ehemaliger Spieler von Real Madrid für Verwunderung. Nur etwa 388.000 Menschen schalteten am zweiten Weihnachtsfeiertag den Sender Cuatro ein, als dieser im öffentlichen TV-Programm das Spiel zwischen Ronaldos Klub Al-Nassr und Al-Ittihad, wo Karim Benzema unter Vertrag steht, gezeigt hatte. Unter den großen Fernsehsendern Spaniens sorgte dies gar für die geringste Einschaltquote.
Vier Vereine der Saudi Pro League dominieren den Transfermarkt
Dass die Saudi Pro League zu einer möglichst spannenden Liga mit viel Wettbewerb gemacht werden soll, ist fernab der Realität. Es scheint klar, dass die sportliche Spitze eine übergeordnete Rolle spielen soll, um dann in internationalen Wettbewerben zu glänzen. In der Liga führt das dann zu Ergebnissen wie beim 9:0-Sieg von Neymar-Klub Al-Hilal gegen Al-Hazem SC am 14. Spieltag.
Das übergeordnete Ziel einer starken internationalen Repräsentanz lässt sich auch im Transfergebaren ablesen. Die 20 teuersten Neuzugänge der Liga im Sommer 2023, für die insgesamt 740,6 Millionen Euro gezahlt wurden, verteilen sich auf nur vier Vereine: Al-Hilal, Al-Nassr, Al-Ittihad Club und Al-Ahli SFC – letztgenannter Verein ist Aufsteiger.
Investitionen, die sich natürlich auch auf den Erfolg auswirken, zumindest in den meisten Fällen. Drei der vier Big-Spender befinden sich auf den Tabellenplätzen eins bis drei. Einzig Al-Ittihad, das im Sommer nicht nur hohe Ablösen bezahlte, sondern auch den ablösefreien Karim Benzema verpflichtete, dürfte mit dem siebten Platz zum Jahresende 2023 nicht zufrieden sein.
Stars in der Saudi Pro League: Zwischen Pech und Tormaschine
Mit dem Abschneiden der eigenen Mannschaft können die im Sommer dazugestoßenen Al-Ittihad-Starspieler Fabinho (Liverpool), N‘Golo Kanté (Chelsea FC) oder Karim Benzema nicht zufrieden sein. Wobei Letzterer wenigstens auf eine annehmbare persönliche Quote kommt. In 15 Ligaeinsätzen erzielte Benzema bis zum Jahresende neun Treffer und bereitete fünf weiter vor.
Im Vergleich zu Cristiano Ronaldo erscheint aber auch dies viel zu wenig für einen Weltklasse-Torjäger. Der Portugiese führt derzeit die Torschützenliste mit 20 Treffern (18 Spiele) der Saudi Pro League an – zählt, da schon im Wintertransferfenster gekommen, streng genommen aber nicht zu den Neuzugängen der Liga.
Großes Pech hatte Liga-Rekordzugang Neymar (90 Millionen Euro), der sich nach drei Einsätzen für Al-Hilal bei einem Länderspiel das Kreuzband riss und seitdem verletzt ausfällt. Sein Nationalmannschaftskollege Roberto Firmino überlegt Gerüchten zufolge, Al-Ahli schon nach einem halben Jahr wieder zu verlassen. Allerdings steht eine ligainterner Wechsel im Raum.
Ein ehemaliger Bundesligastar scheint jedoch sein Glück in Saudi-Arabien gefunden zu haben. Nach seiner Seuchensaison beim FC Bayern liefert Sadio Mané wieder ordentliche, wenn auch nicht überragende, Statistiken ab.
Großinvestitionen der Saudi Pro League sind erst der Anfang
Es scheint so, als ob einige der vielen neuen Stars tatsächlich ihr Glück in der Saudi Pro League finden könnten. Doch ob die enormen Summen auf ewig die sportliche Bedeutungslosigkeit und das fehlende öffentliche Interesse aufwiegen können, wird sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigen. Der große Fußballfeldzug Saudi-Arabiens hat erst begonnen und wird mit der als sicher geltenden Ausrichtung der WM 2034 noch mindestens ein weiteres Skandalkapitel erhalten. (sch)