Stimmung im Stadion: Warum bei DFB-Spielen die EM-Reife fehlt

Deutschland hat sich souverän für das Achtelfinale der Europameisterschaft qualifiziert. Die Atmosphäre in den Arenen hinkt da noch hinterher.

Frankfurt – Als das dritte Gruppenspiel der Europameisterschaft zwischen Deutschland und Schweiz abgepfiffen und der kurze Gefühlsausbruch des zuvor sehr dezent unterstützenden Frankfurter Publikums verhallt war, äußerte Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dem Last-Minute-Remis durchaus etwas Frust: „Wir haben das Stadion aufgeweckt. Davor war es schon ziemlich ruhig.“ In der Tat ist der Funke im Deutsche Bank Park nicht vom Feld auf die Tribüne übergesprungen. Das Thema Atmosphäre ist ein heiß diskutiertes. Vor allem die Anhänger aus Schottland, den Niederlanden oder der Türkei sind in anderen Dimensionen unterwegs.

Nach guter Stimmung in München und Stuttgart war es in Frankfurt leise

Beim Eröffnungsspiel in München etwa bestand gefühlt die gesamte Stadt aus Schotten. Die „Tartan Army“ feierte durchgehend und ließ sich auch von einer 1:5-Niederlage nicht aus dem Schwung bringen. Der Anhang der DFB-Elf konnte dort aber einigermaßen mithalten, weil es der Spielverlauf zugelassen hat. Joshua Kimmich sagte daher nach Abpfiff: „Ich fand, es wirkte extrem voll. Also, auch wenn das bei uns bei Bayern immer ausverkauft ist, wirkte es irgendwie ein bisschen voller.“

In Stuttgart hatten die deutschen Fans bisher ihren stärksten Auftritt. Es gab vor dem Duell gegen Ungarn (2:0) einen gemeinsamen Marsch zum Stadion und dort bekam Nagelsmann Gänsehaut, als der Block in Minute 50 die deutsche Nationalhymne gesungen hat. Nach Abpfiff wurde in München und Stuttgart „Major Tom“ laustark gesungen.

DFB hat in der Vergangenheit viele Fehler gemacht

In Frankfurt hingegen passte es auf den Rängen hinten und vorne nicht zusammen. Mit Ausnahme vereinzelter „Deutschland! Deutschland“-Gesänge gab es kaum Anfeuerung. Und dabei hätte das Team gegen bissige Schweizer etwas Schwung von der Tribüne benötigt. Trotz geschlossenen Dachs kam so kein „Hexenkessel“ auf. Insgesamt gilt aber, dass es noch keinen richtigen „Heimfaktor“ in den Arenen gibt. Die schönsten Bilder gab es auf den Fanmeilen. Woran liegt die fehlende Stimmung in den Stadien?

Der DFB hat in den vergangenen Jahren viele Fehler gemacht. „Die Mannschaft“, Hashtag „ZSMMN“ oder der von Coca-Cola gesponsorte Fanclub Nationalmannschaft: Produkt statt Fußball lässt sich die Kritik von vielen Fans der Bundesligaklubs zusammenfassen. Eine Kultur hat sich beim „Fanclub Nationalmannschaft“ trotz einer Mitgliederzahl von über 50.000 nicht entwickelt. Eine Umkehr lässt sich nicht innerhalb weniger Monate erzwingen, auch wenn nach der Aufhebung des Monopols eine aktivere Fanszene entstehen soll. Das neue Liedgut ist allerdings noch nicht überall angekommen.

Auch die politischen Diskussionen haben für Verunsicherung gesorgt

Denn die vielen „Marketing-Flops“ fielen nach dem Titelgewinn von 2014 in eine Zeit, wo bei der deutschen Nationalmannschaft kaum etwas klappte. Vorrunden-Aus bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 und das Ende im Achtelfinale der EM 2021. Der Sturz vom Thron war heftig, eine solche Dürrephase hinterlässt ihre Spuren. Die neue Generation um Florian Wirtz und Jamal Musiala holt vor allem die jungen Anhänger zurück ins Boot, auf den Fanmeilen in den Austragungsorten ist inzwischen auch sehr viel los.

Und doch waren Teile der Fans vor dem Anpfiff des ersten EM-Spiels noch verunsichert. Ist es nun wieder erlaubt, Fahne und Trikot zu zeigen? Die vielen politischen Diskussionen in der Gesellschaft, die Sorge vor dem „Rechtsruck“, der durch die Länder geht – alles das hat eine aufkommende Euphorie lange im Keim ersticken lassen. Erst als die rund 100.000 Schotten durch München tranken oder die 40.000 Niederländer in Hamburg von rechts nach links hüpften, war das Eis gebrochen.

Füllkrug wollte schon vor der EM „eine kleine Gruppierung“

Insgesamt lässt sich aber die Stadion-Atmosphäre noch als ausbaufähig und nicht EM-reif bezeichnen. Deutsche Fans können kaum Akzente setzen, Saxophonist Andre Schnura ist der erste richtige Anheizer. Der von Niclas Füllkrug im März geäußerte Wunsch ging bisher noch nicht in Erfüllung: „Man hat gemerkt, die Leute wollten uns anfeuern und uns unbedingt positive Gefühle auf den Platz geben, aber die sind nicht auf einen Nenner gekommen. Also brauchen wir eine kleine Gruppierung, die den Takt vorgibt für die EM.“

Genau diese Struktur gibt es noch nicht in dem Maße, wie es bei den Profiklubs in den obersten Ligen bekannt ist. Möglicherweise war die Vorrunde für ein Zusammenwachsen der Fans noch zu kurz. Ab kommenden Samstag (18 Uhr) in Dortmund sieht die Welt möglicherweise ganz anders aus. Die K.o.-Duelle rufen besondere Emotionen hervor, jetzt müssen die Fans noch enger zusammenrücken. Nagelsmann jedenfalls wird ganz genau hinhören, was die Fans sich beim Achtelfinale einfallen lassen.

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