Aix-en-Provence - Er war ein Garant für die erste sportliche EM-Qualifikation der Ukraine. Doch vor dem Auftaktspiel gegen Deutschland ist Torhüter Andrej Pjatow plötzlich ein Unsicherheitsfaktor.
Elfmeter gegen die Ukraine. Spaniens Offensivstar Cesc Fàbregas läuft an, verzögert geschickt und schießt den Ball scharf nach rechts. Doch was ist das? Mit einem katzenartigen Sprung in die Ecke und einem Superreflex lenkt Torhüter Andrej Pjatow den Ball noch über die Latte. Weltklasse!
Diese Heldentat des Keepers im Qualifikationspiel ist allerdings bereits acht Monate her. Wer die letzten beiden Testspiele der Ukrainer vor ihrem EM-Auftaktspiel am Sonntag (21.00 Uhr/ARD) gegen Weltmeister Deutschland in Lille gesehen hat, könnte in manchen Szenen zu dem Urteil kommen: Kreisklasse!
Die letzten vier Gegentreffer gingen allesamt auf das Konto des 31-Jährigen. Bei drei Toren fiel er im Stile einer "Bahnschranke" zu Boden. Aber es waren nicht nur die Gegentore, die Pjatow vor dem Duell gegen Deutschland zum Unsicherheitsfaktor machen. Zeitweise irrte der Profi von Schachtjor Donezk orrientierungslos durch den Strafraum.
"Das waren meine Fehler, wir haben das bereits besprochen", sagt Pjatow: "Es ist besser, die Fehler vorher zu machen als bei der Europameisterschaft." Das sehen auch Trainer und Mitspieler so, der Keeper ist trotz seiner jüngsten Missgeschicke nicht umstritten. Das liegt vor allem daran, dass die Alternativen fehlen. Pjatows Ersatzleute Denis Bojko (Besiktas Istanbul/4 Länderspiele) und Nikita Schewtschenko (Zorja Lugansk/0) haben nicht seine Qualität und Erfahrung.
Pjatows Blackouts überraschen, weil der 64-malige Nationalspieler ein Garant dafür war, dass die Ukraine in ihren zehn Qualifikationsgruppenspielen insgesamt nur vier Gegentreffer kassiert hatte. "Er ist psychisch sehr stark und hat viel Erfahrung, er weiß mit den Fehlern umzugehen", sagte Ex-Nationalspieler Andrej Woronin dem SID. Seit 2008 ist Pjatow die Nummer eins bei den Blau-Gelben, beim WM-Viertelfinaleinzug 2006 in Deutschland stand er auch schon im Kader. Seine größten Schwächen, die Unbeweglichkeit und Strafraumbeherrschung, kamen aber immer mal wieder zum Vorschein.
In der ukrainischen Öffentlichkeit halten sich die Pjatow-Kritiker noch zurück. Der Journalist Jewgeni Gres von der Zeitschrift "Komanda" appellierte in seiner Kolumne: "Wir sollten Pjatow jetzt die Zuversicht und das Vertrauen schenken, dass er bereit ist, Berge zu versetzen. Hinter Dir ist die ganze Ukraine!"
Nationaltrainer Michail Fomenko sprach seinem wohl wichtigsten Spieler im Duell gegen Deutschland etwas weniger pathetisch Mut zu. "Fehler kann man nur durch Üben korrigieren", sagte der 67-Jährige. Gegen Thomas Müller und Co. wird Pjatow wohl genug Gelegenheit bekommen, um den wenig schmückenden Beinamen "Bahnschranke" schnell wieder vergessen zu lassen.
sid