Felix Brych gibt sein Karriereende bekannt. Trotz begangener Fehler sollte man den 49-Jährigen im All-Time-Ranking ganz nach oben setzen.
München – Felix Brych hat am Sonntag bei einem Live Talk der Bild-Zeitung überraschend sein Karriereende angekündigt. „Ich wollte hier und heute das Ende meiner Karriere zum Saisonende Mitte Mai ankündigen“, sagte der 49-Jährige und begründete seinen Entschluss: „Als Sportler merkt man irgendwann, dass es immer schwieriger wird, diesem Leistungsniveau standzuhalten. Das Training wird auch immer beschwerlicher.“
Die Nachricht über das Karriereende des Münchners wirkt nüchtern, doch es ist für Deutschlands Schiedsrichtergilde ein historischer Moment. Brych ist als der beste Schiedsrichter, den Fußball-Deutschland je hatte, anzusehen.
Was Felix Brych auszeichnet
Seine Kommunikation mit den Spielern, seine Antizipation von heiklen Spielszenen, sein strategisches Geschick beim Einsatz der Strafkarten Gelb und Rot, sein Ehrgeiz und Perfektionismus sowie seine außergewöhnliche Fitness waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten einzigartig in der Bundesliga.
Zu beachten ist auch, dass das Spieltempo ab den 2010er-Jahren verschärft wurde, dadurch auch die Anforderungen an die Schiedsrichter in Sachen Reaktionsschnelligkeit noch mehr gefragt sind als in früheren Epochen.
Amerell und Merk ebneten den Weg
So professionalisierte Manfred Amerell das deutsche Schiedsrichterwesen, Markus Merk setzte neue Maßstäbe in der Spielleitung, doch an die Performance von Brych kommt kein Referee in Deutschland heran. Die Rekordzahl von 352 Bundesliga-Einsätzen ist nur ein Beleg dafür.
Brych: „The Chosen One“
Die großartige Karriere von Brych war bereits in jungen Jahren vorgezeichnet. So könnte man Brych im deutschen Schiedsrichterwesen auch als „The Chosen One“ („Der Auserwählte) bezeichnen.
Damit ist kein Vergleich mit David Moyes gemeint, der als „The Chosen One“ die Nachfolge von Trainer-Legende Alex Ferguson bei Manchester United 2013 angetreten war und schon nach wenigen Monaten das Handtuch werfen musste. Vielmehr ist der Aufstieg von Brych bezogen auf den Schiedsrichtersektor mit jenem von LeBron James im Basketball zu vergleichen.
2002 war LeBron James noch am College, als er auf dem Cover der Sports Illustrated erschien und als „The Chosen One“ vorgestellt wurde: Jedem Beobachter war damit quasi klar, dass dieser junge Sportler mal der Beste seines Fachs werden würde.
Ähnlich verhielt es sich mit Brych: Als er zu Beginn der 1990er-Jahre noch in den bayerischen Amateurligen Spiele leitete, war im Grunde jedem seiner damaligen Schiedsrichterkollegen schon bewusst, dass Brych es bis nach ganz nach oben schaffen würde. Sein Talent und seine Präsenz auf dem Feld ragten heraus. Auf dem Weg in die Bundesliga war Brych zudem bereit, sich persönlich zu entwickeln und Justierungen vorzunehmen.
Brych wollte kein „Kumpeltyp“ sein
Trat er einst gegenüber Schiedsrichterkollegen und Spielern noch als „Kumpeltyp“ auf, sah er mit der Zeit, wie andere Schiedsrichter sich aufgrund kleiner Unachtsamkeiten ihre Karriere verbauten. Brych wurde deshalb noch ehrgeiziger, professioneller und distanzierter, um nichts dem Zufall zu überlassen.
Natürlich brauchte man als junger Referee auch die Unterstützung von Schiedsrichterfunktionären, um sich in einem intransparenten Bewertungssystem Spitzenpositionen zu sichern. Doch Kollegen konnten bei Brych neidlos anerkennen, dass es sein Talent und sein Ehrgeiz waren, die ihm in erster Linie seinen rasanten Aufstieg ermöglichten.
Bundesliga-Premiere für Brych mit Bobic und Klopp
Ab 1999 war Brych als Schiedsrichter beim DFB aktiv, ab 2001 leitete er Spiele in der 2. Liga und 2004 feierte er seine Bundesliga-Premiere beim Spiel Hertha BSC gegen Mainz 05. Im Sturm der Hertha lief damals noch Fredi Bobic auf, während auf der Trainerbank der Mainzer Jürgen Klopp saß – und Brych war noch nicht mal 30 Jahre alt.
Natürlich machte Brych, der ein großer Bewunderer von Lothar Matthäus ist, in seiner Karriere Fehler. 2013/14 beim Spiel der TSG 1899 Hoffenheim gegen Bayer 04 Leverkusen wertete er ein „Phantomtor“ von Stefan Kießling als Treffer für die Werkself.
Brych zeichnete sich aber auch durch große Widerstandsfähigkeit aus. Nach Rückschlägen kämpfte er sich auf Topniveau zurück. Ein großes Highlight war für ihn das Champions League-Finale 2017 zwischen Juventus Turin und Real Madrid (1:4), welches er ohne Fehler leitete.
Tiefpunkt bei der WM 2018
Dagegen schlimm erging es ihm bei der WM 2018 in Russland. Beim Vorrundenspiel zwischen Serbien und der Schweiz (1:2) verweigerte er den Serben einen klaren Elfmeter. Danach prasselte enorme Kritik auf Brych ein. Die FIFA schickte ihn vorzeitig nach Hause – definitiv der Karriere-Tiefpunkt für den Starschiedsrichter.
Denn seine zweite WM-Teilnahme stellte für Brych eine einzig reelle Chance dar, große Endrundenspiele zu leiten. Zuvor stand ihm kurioserweise stets das DFB-Team im Weg. Die deutsche Nationalmannschaft erreichte regelmäßig das Halbfinale von großen Turnieren und die Regularien besagten, keinen Schiedsrichter aus derselben Nation ein Halbfinale oder Endspiel leiten zu lassen.
Stars wie Immobile bedankten sich bei Brych
Doch auch international fand Brych für sich einen versöhnlichen Abschluss mit fünf Spielleitungen bei der EM 2021, darunter das Halbfinale zwischen Italien und Spanien (4:2 i. E.). Emotional gerührt war Brych dabei, weil ihm zahlreiche internationale Superstars wie Europameister Ciro Immobile für seine Lebensleistung als Schiedsrichter persönlich dankten.
Wenn Brych nun im Sommer seine Karriere beendet, wird er womöglich noch ein sechstes Mal zum „Schiedsrichter des Jahres“ in Deutschland geehrt. Zweimal, 2017 und 2021, wurde er zudem zum besten Schiedsrichter der Welt ausgezeichnet.
Seine Schiedsrichterkollegen aus den 1990er-Jahren sehen sich jedenfalls bestätigt: „The Chosen One“ hat geliefert.