Rom - Nach dem enttäuschenden WM-K.o. hat beim viermaligen Weltmeister Italien die Aufarbeitung begonnen. Ein neuer Nationaltrainer und Verbandspräsident müssen her und auch die Mannschaft um Mario Balotelli steht vor einem Umbruch.
Mit einem großen Kopfhörer auf den Ohren stieg Mario Balotelli als einer der Ersten ins Flugzeug Richtung Heimat. Nur einen Tag nach dem krachenden Scheitern in Brasilien machten sich Italiens tief gestürzte WM-Versager enttäuscht auf den Heimweg. Dort erwartet die Nationalelf und allen voran den viel kritisierten Balotelli die radikale Aufarbeitung der WM-Pleite, die Rücktritte von Nationaltrainer Cesare Prandelli und Verbandspräsident Giancarlo Abete dürften nur der Anfang sein. Doch der schmerzhafte Prozess des Neubeginns hat für den viermaligen Weltmeister gerade erst begonnen.
„Baut Italien wieder auf. In Eile“, forderte die Zeitung „Tuttosport“ am Donnerstag. „Der eklatante Zusammenbruch bei der WM gebietet schnelle Entscheidungen.“ Schon am Montag soll sich der Verwaltungsrat des italienischen Fußball-Verbands (FIGC) treffen und über die Nachfolge von Prandelli und Abete beraten. Als mögliche Kandidaten für den Posten des Nationaltrainers gelten Roberto Mancini, Massimiliano Allegri oder Luciano Spalletti.
Pressestimmen: "Katastrophe Italien"
„Es kann sicherlich keine positive Bilanz sein“, gab Vize-Verbandspräsident Demetrio Albertini nach dem zweiten Vorrunden-Aus der Azzurri bei einer WM hintereinander zu. „Wir sind mit anderen Erwartungen hierhergekommen.“ Ziel sei es nun, bis zur EM 2016 eine neue, schlagkräftige Mannschaft aufzubauen. Wie das Gesicht des Nationalteams aussehen soll und was in Brasilien schief gelaufen ist, wird in Italien heftig diskutiert. „Prandelli hat bei der Nominierung Fehler gemacht, er hat zu viele Spieler mitgenommen, die keine Erfahrung haben. Das war eine sehr gewagte Entscheidung“, kritisierte Italiens WM-Held von 1990, Salvatore „Totò“ Schillaci.
Im Mittelpunkt der Anfeindungen stand einmal mehr Balotelli. Nach seiner schwachen Leistung und der Auswechslung zur Pause bei der entscheidenden 0:1-Niederlage gegen Uruguay wurde der 23-Jährige von den Medien und in den sozialen Netzwerken heftig angegriffen. „Balotelli ist ein absolut überschätzter Spieler“, meinte Ex-Nationalspieler Mauro Camoranesi. „Es ärgert mich, einen Spieler zu sehen, der auf dem Platz nicht alles für die Nationalmannschaft geben will.“
Und auch innerhalb des Teams nimmt die Kritik am Angreifer zu, der Stürmer zieht sich zurück und wirkt zunehmend isoliert. „Chaos-WM für Balotelli“, urteilte der „Corriere dello Sport“.
Balotelli reagierte empfindlich. „Die Schuld lasse ich dieses Mal nicht auf mir abladen“, schrieb der Profi vom AC Mailand auf Twitter. „Sucht euch also eine andere Entschuldigung, weil Mario Balotelli ein reines Gewissen hat und bereit ist, mit erhobenem Kopf stärker als zuvor zurückzukehren“, erklärte er und teilte ordentlich aus: „Die Afrikaner würden nie einen ihrer "Brüder" beschuldigten. In dieser Sache sind wir Neger, so wie ihr uns nennt, euch Lichtjahre voraus.“
Die Aussagen sorgten für reichlich Wirbel in Italien. „Unter Anklage. Balotelli rastet aus“, kommentierte „Tuttosport“. „Balotelli übertreibt. Ohne Beherrschung“, meinte der „Corriere dello Sport“. Doch es gab auch Unterstützung für den umstrittenen Skandalstürmer. „Es wird so dargestellt, als ob die Niederlage der Nationalmannschaft seine Schuld sei“, sagte Adriano Galliani, Vize-Präsident von Balotellis Club AC Mailand. „Sie hat aus anderen Gründen verloren und er hat sicherlich nicht schlechter gespielt als die anderen.“
dpa