Gefallene Weltmeister teilen aus: Schuld sind die anderen

Gomez, Hummels und Süle nach dem WM-Aus.
 ©dpa / Christian Charisius

Schuld sind andere. Nach dem blamablen Vorrunden-Aus mangelt es bei einigen Spielern an Einsicht.

München - Jerome Boateng tut Buße. "Es hat viel gefehlt", beim blamablen WM-Auftritt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit dem Vorrunden-Aus in Russland, sagte der Abwehrchef der Welt am Sonntag: "Wille, Leidenschaft, Überzeugung." So weit, so richtig.

Aber er selbst? Boateng, der Weltmeister? Nun ja, sagte der Bayern-Profi, nach seiner langen Verletzungspause habe ihm vielleicht der Spielrhythmus gefehlt, aber: "In Sachen Wille und Zweikampfverhalten kann ich mir nichts vorwerfen." Ein Rücktritt aus der DFB-Elf sei für ihn daher kein Thema, "ich sehe mich auch noch überhaupt nicht am Zenit meiner Leistungsfähigkeit angekommen. Im Gegenteil." Aber wer war denn dann verantwortlich für die historische Pleite? "Wir hatten einfach zu viele Ausfälle", sagte Boateng.

Schuld - das sind immer die anderen. Wer die Erklärungen der Nationalspieler für das Aus liest und hört, sieht auch Tage danach wenig Selbsterkenntnis, die ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung ist. Alle sind "geschockt" oder "traurig". Alle geben zu, dass sie nicht an ihr Leistungsvermögen herangekommen seien, das schon. Aber selbst dafür verantwortlich? Also bitte!

Zwischen Moskau, Sotschi und Kasan scheinen geheimnisvolle Mächte gewirkt zu haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass Boateng die Mannschaft in Russland "wie gelähmt" vorkam. Oder Sebastian Rudy diese "leider irgendwie blockiert" sah, wie er jetzt mitteilte - natürlich über die Sozialen Medien, der moderne Königsweg für reuige Stars. Weil deren Wortmeldungen dort nur selten zu echten, sachlichen Debatten führen.

Süle: Kritik nur von „wahren Fans erlaubt“

Die traditionellen Medien? Alles Defätisten und Feinde der Mannschaft, die versuchten "alles schlecht zu reden", wie Nationalspieler Niklas Süle am Samstag via Instagram mitteilte. Kritik sei angebracht und gerechtfertigt, aber bitte nur von "wahren Fans".

Derartige Aussagen verraten viel von der Hybris, die sich in der weltmeisterlichen Filterblase in den vergangenen Jahren breit gemacht hat - und in Russland ins Verderben führte. "Jetzt", forderte Boateng, "müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden." Welche das sein könnten? "Es kann jetzt nicht heißen, dass alle Spieler dieser Mannschaft schlecht sind."

Wie zuvor Kapitän Manuel Neuer und Thomas Müller schloss Boateng einen Rücktritt aus, Mesut Özil und Sami Khedira erbaten sich wie Bundestrainer Joachim Löw "Zeit, um darüber hinwegzukommen" (Özil).

Özil zum Sündenbock zu machen, stellte dessen Kumpel Boateng völlig zu Recht fest, sei nicht in Ordnung. "Mesut ist ein Mensch. Man darf die ganze Kritik nicht an einem ablassen, die ganze Mannschaft ist in der Verantwortung", sagte er. Doch wer immer nur das Gesamtgebilde als Ursache nennt, entbindet den Einzelnen davon, Fehler bei sich selbst zu suchen.

Vielleicht wissen es die Spieler auch nicht besser. Darauf lassen auch die Erklärungen für das Desaster gegen Südkorea schließen. Von "fehlender Struktur" (Mats Hummels) war da die Rede, oder davon, dass "die Bereitschaft nicht groß genug" war (Neuer). Das klang vor allem nach tief sitzender Ratlosigkeit.

Und jetzt? "Wenn wir uns bald wiedertreffen mit der Mannschaft, möchte ich einfach positiv eingestellt sein", sagte Boateng. Er will "wieder das Deutschland repräsentieren, das wir kennen. Eine selbstbewusste Mannschaft, die für schönen Fußball steht. Für Power-Fußball".

Alle Infos rund um die Fußball-WM 2018 finden Sie im News-Ticker vom Sonntag.

Auch interessant: Erst zum zweiten Mal überhaupt ist ein Deutscher Poker-Weltmeister geworden: Hossein Ensan gewann zehn Millionen Dollar Preisgeld in Las Vegas.

Während einer Messer-Attacke auf den ehemaligen Nationalspieler Mesut Özil bewies sich sein Mannschaftskollege Sead Kolasinac als Held. Er vertrieb die bewaffneten Angreifer und erntete so die Bewunderung in den sozialen Netzwerken.

sid

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