Rio de Janeiro - Der Olympia-Start der russischen Weitspringerin Darja Klischina hatte wochenlang die Schlagzeilen bestimmt. Am Dientagabend war es nun soweit - und die 25-Jährige kämpft nun sogar um Medaillen.
Nervös spielte Darja Klischina vor dem ersten Versuch an ihrer Halskette, doch dann blendete die umstrittene Weitspringerin die gesamte Aufregung um ihren Olympiastart aus. 6,64 m, Qualifikation als Achte für das Weitsprungfinale. Trotz der unzähligen Nebengeräusche im Vorfeld - und obwohl sich die einzige russische Leichtathletin ihre Teilnahme in Rio juristisch hatte erstreiten müssen.
"Ich hatte sehr viel Stress in der vergangenen Woche. Ich möchte darüber nicht reden", sagte Klischina. Ohnehin verzog die während ihrer drei Sprünge keine Miene, ließ keine äußerlich sichtbare Gemütsregung zu.
Die 25-Jährige, bei deren Dopingproben es Hinweise auf Manipulation geben soll, gewährte erst im Anschluss zumindest einen kleinen Einblick in ihr Innenleben. "Ich war nervös. Es ist sehr hart, die einzige Russin hier zu sein. Normalerweise haben wir ein großes Team mit viel Unterstützung", sagte sie: "Es wäre schön, wenn die gesamte Mannschaft hier wäre."
Sportlich hielt sie sich schadlos. Auch Unmutsäußerungen des Publikums wie bei Schwimmerin Julia Jefimowa blieben aus. Am Mittwoch (21.15 Uhr OZ/02.15 Uhr MESZ) kämpft Klischina genauso wie die deutschen Weitspringerinnen Malaika Mihambo (LG Kurpfalz/6,82) und Sosthene Moguenara (Saarbrücken/6,55) um Medaillen.
Der Auftritt Klischinas war neben dem Start Jefimowas wohl der am meisten diskutierte dieser Spiele. Erst eine Sondererlaubnis des Weltverbandes IAAF hatte diesen überhaupt möglich gemacht. Da die Weitspringerin seit 2013 in Bradenton/Florida lebt und trainiert, sei sie nicht Teil des staatlichen Dopingsystems Russlands. Alle anderen russischen Leichtathleten wie Stabhochsprung-Star Jelena Issinbajewa waren ausgeschlossen worden.
Klischina wurde daraufhin aus ihrer Heimat beschimpft, unter anderem als Verräterin bezeichnet, sie solle ihren Pass abgeben, wurde gefordert. "Ich wurde beschuldigt, eine Feindin des Vaterlandes zu sein", sagte sie. In russischen Medien wurde die EM-Dritte von 2014 sogar mit Nazi-Kollaborateuren gleichgesetzt. Der Trainer Issinbajewas, Jefgeni Trofimow, nannte Klischinas Dank an die IAAF "beschämend".
Doch dann, die Spiele liefen bereits, begann sich die ohnehin schon brisante Situation noch einmal zuzspitzen. Die IAAF entzog ihr die Starterlaubnis wegen neuer Beweise wieder. Behälter ihrer Dopingproben sollen typische Manipulationsspuren aufgewiesen, eine dieser Proben neben der DNA von Klischina auch die einer weiteren Person enthalten haben. Das Bild der "guten" Russin, als die sie dargestellt wurde, begann zu bröckeln.
Die juristische Auseinandersetzung begann. Klischina zog mit ihrem Anwalt Paul Greene vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Erst am Montagmorgen entschieden die Richter zu ihren Gunsten - Klischina durfte starten. "Sie war immer zu 100 Prozent sauber", sagte ihr Anwalt. Für seine Mandantin, sei die gesamte Situation, "wirklich traurig und unglücklich".
sid