Rio de Janeiro - Als Fahnenträger der deutschen Mannschaft hatte Timo Boll seinen ganz großen Auftritt. In der Tischtennis-Halle Riocentro 3 schied er früh aus. Jetzt kann er nur noch auf seine dritte olympische Mannschafts-Medaille hoffen.
Ein Star im Tischtennis-Riesenreich China, Rekord-Europameister und der erste deutsche Weltranglisten-Erste - aber die olympisch Einzelmedaille hat Timo Boll abgehakt. „Es wird auf jeden Fall immer schwieriger“, sagte der 35-jährige Düsseldorfer und deutsche Fahnenträger nach seinem Achtelfinal-Aus in Rio de Janeiro. Lächelnd und wohlwissend: Das wird nichts mehr. 2020 in Tokio, das hatte er zuvor selbst gesagt, wird er im „Winter“ seine Karriere sein - wenn er den Sprung zu seinen sechsten Sommerspielen überhaupt noch einmal schafft.
Reflexhaft wischte Boll mit seinem weißen Handtuch noch einmal über die Tischtennisplatte, als die 2:4-Niederlage gegen Quadri Aruna feststand. Der Nigerianer im froschgrünen Shirt machte derweil einen Riesen-Luftsprung. Als erster Afrikaner steht er in einem olympischen Viertelfinale. „Das ist ein Wunder für mich“, meinte er fassungslos.
Boll verzweifelt an unorthodoxer Spielweise
Gegen Aruna hatte Boll schon mehrfach gespielt - bei Show-Wettkämpfen. Doch als es ernst wurde hatte er nichts zu lachen. Mit der Spielweise des Kraftpakets kam der Weltranglisten-13. überhaupt nicht zurecht. „Ich habe zu lange gebraucht, um mich auf seine unorthodoxe Art einzustellen.“ Flugs waren die ersten drei Sätze weg.
„Wie eine Falle, in die man reinfällt“ habe der Nigerianer immer eine Seite aufgemacht, erklärte Boll: „Und ich habe selten einen Spieler gesehen, der so in die Vorhand rein sprintet.“ Der sechsmalige Europameister gewann danach zwar zwei Durchgänge, musste im letzten Satz aber erneut passen. „Klar bin ich ein bisschen enttäuscht. Aber ich hatte ja drei Sätze Zeit, mich darauf einzustellen.“
Selbst bei einem Einzug ins Viertelfinale wäre dort möglicherweise Endstadion gewesen - gegen Weltmeister und Topfavorit Ma Long. Erstaunlicherweise ist Boll jetzt bei fünf Olympia-Turnieren nie an einem Chinesen gescheitert: 2000 unterlag er im Achtelfinale gegen Werner Schlager aus Österreich, 2004 im Viertelfinale gegen Jan-Ove Waldner aus Schweden, 2008 gegen Oh Sang-Eun aus Südkorea) und 2012 ebenfalls im Achtelfinale gegen Adrian Crisan (Rumänien).
Hoffnung auf Edelmetall mit dem Team
Jetzt kann „Mister Tischtennis“ nur noch auf seine dritte Medaille mit der Mannschaft hoffen. „Das ist eine neue Chance“, sagte er. „Das Einzelturnier ist nun abgehakt. Ich hoffe, dass ich das schnell aus dem Kopf bekomme. Aber das müsste ich hinbekommen.“
2008 in Peking holte Boll mit der deutschen Mannschaft Silber, 2012 in London Bronze. Zum Auftakt geht es im Riocentro 3 nun gegen Taiwan; frühestens im Halbfinale droht ein Duell gegen Japan oder Hongkong. Die chinesische Mauer könnte dann im Finale stehen - diesmal auch für Boll.
Wie es in Rio an Tag drei weitergeht, erfahren Sie in unserem Ticker.
dpa