Rio de Janeiro - Als Bronze nach einem Segel-Krimi perfekt war, feierten Erik Heil und Thomas Plößel ausgelassen mit einer artistischen Einlage. Von ihrem kenternden Boot aus sprangen sie beide mit einem Rückwärtssalto freiwillig hinein in das aufgewühlte Wasser der Guanabara-Bucht.
Nach einer zuvor starken Woche retteten die Kieler trotz eines verpatzten Starts in der letzten Wettfahrt der 49er-Klasse den dritten Rang. Und damit zugleich die erste Medaille deutscher Segler seit den Spielen 2000 in Sydney. "Wir haben den Start versaut", berichtete Heil, betonte aber auch: "Die Australier haben es verdient." Gemeint waren die Silbermedaillengewinner Nathan Outteridge und Iain Jensen.
Die Sunnyboys aus Kiel waren in als Zweite in das Finalrennen gestartet. Die Goldmedaille war da aber schon außer Reichweite, die Neuseeländer Peter Burling und Blair Tuke brachten sie sicher nach Hause. Der Vorsprung von Heil/Plößel auf Rang drei war dagegen klein. Outteridge und Jensen, die Olympiasieger von London, lagen lediglich drei Punkte zurück - und nutzten den Patzer der Deutschen am Start kaltschnäuzig aus.
Briten kentern beim Wenden
Immerhin hielten Heil/Plößel die auf Rang vier lauernden Briten Dylan Fletcher-Scott und Alain Sign auf Distanz. Von den beiden wurden die Deutschen am Start gegen das Startboot gedrängt und kamen daher verspätet weg. Die Australier zogen vorbei, nach zwei Dritteln des Rennens allerdings profitierten die Deutschen von einem Missgeschick der Briten: Diese kenterten an Tonne vier - Rang drei für Heil/Plößel war gesichert.
Heil dürfte besondere Genugtuung empfunden haben. Der 26-jährige Steuermann war im vergangenen Jahr mit Entzündungen an den Beinen und der Hüfte von einer Testregatta aus Rio zurück. Heil musste in einem Berliner Krankenhaus behandelt werden. Der größte Entzündungsherd an seinem rechten Unterschenkel wurde herausgeschabt. Bilder zeigten danach ein tiefes Loch in Heils Bein.
Heil fängt sich in Rio multiresistenten Keim ein
Auslöser der Entzündungen war ein multiresistenter Keim, der mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem stark verschmutzen Wasser des Segelgebiets in seinen Körper gelangt war. Heil appellierte danach an die Olympia-Organisatoren, für eine Säuberung der Gewässer zu sorgen - auch im Namen der "einheimischen Fischer. Die Brasilianer baden in einer Bucht, in die Krankenhausabfälle geleitet werden. Das ist schlimm."
Die schaurigen Bilder seiner entzündeten Beine gingen um die Welt, und das Telefon stand nicht mehr still. Weltmedien wie CNN und BBC verlangten nach Heil, der unfreiwillig zum Sinnbild für die großen Sorgen vor den Olympischen Spielen wurde. Doch vor Beginn der Regatten befreite sich Heil von allen Sorgen. "Das ist nichts, was speziell in den Kopf rückt", sagte er und konzentrierte sich voll auf die Rennen in dem strömungsstarken Revier - mit Erfolg.
Am Tag vor dem größten Rennen ihrer Karriere waren Heil und Plößel getrennte Wege gegangen. Während Heil das Boot ganz genau checkte, zog sich der bullige Plößel zurück und suchte Abstand: "Das machen die beiden immer so", erläuterte Trainer Thomas Rein. "Wir müssen die richtige Einstellung für den Tag haben. Wir brauchen die nötige Ruhe im Kopf", sagte Plößel, dessen Puls bei den Segelmanövern schon mal auf 180 Schläge hochschnellen kann.
SID