Rio de Janeiro - Die deutsche Olympia-Mannschaft wird das Ziel, wie 2012 in London 44-mal Edelmetall zu holen, in Rio de Janeiro knapp verfehlen.
Unter anderem die deutschen Beckenschwimmer, Fechter, Slalom-Kanuten und Straßen-Radsportler blieben gänzlich ohne Podestplätze, auch die Judokas enttäuschten. Für eine echte Überraschung sorgte Bogenschützin Lisa Unruh, auch bei den Rennkanuten und Reitern war die Bilanz blendend.
Badminton: Kein deutscher Starter überstand die Vorrunde. Vor allem das Aus des neunmaligen Meisters Marc Zwiebler enttäuschte. „Wir haben unsere hoch gesteckten Ziele nicht erreicht, wir sind enttäuscht“, sagte Bundestrainer Holger Hasse. Er wird Anfang 2017 abgelöst, vier der sieben Rio-Teilnehmer hören auf.
Beachvolleyball: Die Beach-Girls Laura Ludwig und Kira Walkenhorst waren unschlagbar und sorgten vier Jahre nach dem Triumph von Julius Brink und Jonas Reckermann für das erste europäische Damen-Gold. Die Nachfolger Markus Böckermann und Lars Flüggen scheiterten in der Vorrunde, Britta Büthe und Karla Borger verloren im Achtelfinale.
Bogenschießen: Die mit Silber dekorierte Lisa Unruh hat mit der ersten Einzel-Medaille deutscher Bogenschützen Olympia-Geschichte geschrieben und ihr selbstgestecktes Ziel mit Platz zehn weit übertroffen. Im Finale unterlag sie der Südkoreanerin Chang Heyjin. Kollege Florian Floto hat ebenfalls überzeugt und sein Top-Ten-Ziel als Neunter geschafft.
Boxen: Artem Harutyunyan rettete die Bilanz. Der Hamburger sicherte mit Bronze im Halbweltergewicht die erste Medaille für den Deutschen Boxsport-Verband (DBV) seit zwölf Jahren. Die übrigen fünf deutschen Boxer scheiterten jedoch alle im ersten Kampf.
Fechten: Für die deutschen Fechter hätte es in Rio kaum schlechter laufen können. Zum ersten Mal seit 1980 gab es keine einzige Medaille. Lediglich Säbelfechter Matyas Szabo schaffte es ins Viertelfinale. Der Fechter-Bund schlägt Alarm: Unternehmen müssten den Sportlern mehr duale Karrieren ermöglichen, sagte Sportdirektor Sven Ressel: „Wir können so nicht mehr konkurrenzfähig sein.“
Fußball: Zwei Medaillen wollten die deutschen Teams, zwei Medaillen wurden es. Das Damen-Team von Silvia Neid holte sogar das erste Gold, die Herren scheiterten daran nur knapp im Elfmeterschießen gegen Gastgeber Brasilien und Neymar.
Gewichtheben: Ohne Medaille kehrt das deutsche Quintett heim. In die Enttäuschung über eigene Platzierungen mischen sich Dopingvorwürfe gegen andere - mehrere Athleten, die schon gesperrt waren, kamen aufs Treppchen. Bundestrainer Oliver Caruso hält einen Olympia-Ausschluss seiner Disziplin als Zeichen gegen Doping für eine Option.
Golf: Das selbstgesteckte Ziel Olympia-Gold verfehlte Martin Kaymer klar, obwohl nur 17 der Top 50 aus der Welt dabei waren. Kaymer wurde beim olympischen Golf-Comeback 15., Alex Cejka kam auf Rang 21. Bei den Damen war Caroline Masson als 21. beste Deutsche.
Hockey: Die deutschen Hockey-Herren fahren zum vierten Mal in Serie mit Edelmetall nach Hause. Der Olympiasieger von 2008 und 2012 erkämpfte sich Bronze im Penaltyschießen gegen die Niederlande. Die deutschen Damen wuchsen über sich hinaus. Das Team von Bundestrainer Jamilon Mülders war als Weltranglisten-Neunter ins Turnier gegangen und beendete es mit Bronze.
Judo: Drei bis vier Medaillen lautete die Zielvorgabe des DOSB für die Judokas in Rio. Am Ende wurde es nur einmal Bronze für Laura Vargas Koch. Es ist das schlechteste Olympia-Abschneiden seit 2000, vor vier Jahren in London gab es noch je zweimal Silber und Bronze. Zehn von 13 Judokas überstanden in Rio nicht einmal das Achtelfinale. „Ich bin nicht zufrieden“, sagte Verbandspräsident Peter Frese.
Kanu-Slalom: Die Stangen-Paddler holten erstmals keine Medaille. Sideris Tadiadis schaffte es im Canadier-Einer nur auf Rang fünf, vierte Plätze gingen an Hannes Aigner im Kajak-Einer und das Duo Franz Anton/Jan Benzien im Canadier-Zweier. Eigentlich waren zwei Medaillen innerhalb der vier Klassen die interne Vorgabe. „Wir haben unsere Ziele nicht erreicht“, gestand Präsident Thomas Konietzko.
Kanu-Rennsport: Mit viermal Gold und insgesamt sieben Medaillen dürfen sich die Rennkanuten über die beste Olympia-Bilanz seit 2004 freuen. Damals gewannen die Paddler viermal Gold und dreimal Silber. Seit der Wiedervereinigung sind sie jeweils der beste Fachverband. „Wir arbeiten fleißig und haben anscheinend das richtige Konzept, um immer wieder erfolgreich zu sein“, urteilte Doppel-Olympiasieger und Abschlussfeier-Fahnenträger Sebastian Brendel.
Leichtathletik: Für die größte Teilmannschaft gab es mit drei Medaillen - fünf weniger als 2012 in London - nur minimalen Erfolg. Zweimal Gold durch Diskuswerfer Christoph Harting und Speerwerfer Thomas Röhler und das Diskus-Bronze für Daniel Jasinski schönten aber die schwache Gesamt-Bilanz. Vor allem die Arrivierten wie Robert Harting, David Storl, Christina Schwanitz oder Christina Obergföll überzeugten nicht.
Moderner Fünfkampf: Mit einem komplett misslungenen Ritt vergab Peking-Olympiasiegerin Lena Schöneborn jede Medaillenchance, am Ende stand ein enttäuschender 32. Rang. Für positive deutsche Überraschungen sorgten Annika Schleu als Fünfte und Patrick Dogue auf Platz sechs.
Pferdesport: Auch die Reiter sind die Medaillen-Garanten im deutschen Olympia-Team. Drei bis fünf Medaillen hatte die Deutsche Reiterliche Vereinigung mit dem DOSB vereinbart, sechs wurden es insgesamt. Zwei davon sind aus Gold durch Matthias Jung in der Vielseitigkeit und das Dressur-Team.
Radsport: Vorzeigefahrerin Kristina Vogel hat den deutschen Radsport vor einer totalen Pleite bewahrt. Die Erfurterin gewann Gold im Sprint und Bronze im Teamsprint, ansonsten gab es viele Enttäuschungen in den Kernsparten Bahn und Straße. Eine angeschlagene Mountainbikerin Sabine Spitz quälte sich fernab der Medaillenränge ins Ziel. So wird wie nach den London-Spielen über neue Strukturen und eine Zentralisierung debattiert, in der Vergangenheit ist es dabei meist auch geblieben.
Ringen: Mit der ersten Medaille seit Peking 2008 sind die Ringer dank Bronze von Denis Kudla im Soll. Jedoch gingen die Pläne vom angeschlagenen Weltmeister Frank Stäbler und Ex-Weltmeisterin Aline Focken nicht auf. Die zuletzt stark eingeschätzten Freistil-Frauen waren chancenlos und verpassten auch im dritten Olympia-Anlauf seit Einführung 2004 die Medaillen.
Rudern: Das Medaillenziel hat der Deutsche Ruderverband erreicht. Mit zweimal Gold und einmal Silber liegt der DRV voll im Soll. „Wir sind auf Platz zwei der Nationenwertung hinter Großbritannien. Das hatten wir schon seit Jahren nicht mehr“, sagte Cheftrainer Marcus Schwarzrock. Allerdings schafften es nur drei der zehn in Rio vertretenen Boote ins Finale. In der Breite muss man zulegen.
Schießen: Die Schützen waren in Rio ein Volltreffer. Nachdem sie vier Jahre zuvor in London ohne Edelmetall blieben, gab es dieses Mal vier Medaillen. Monika Karsch sorgte mit der Sportpistole für den silbernen Auftakt. Barbara Engleder und Henri Junghänel jeweils mit dem Kleinkalibergewehr sowie Christian Reitz mit der Schnellfeuerpistole kürten sich zu Olympiasiegern. Damit waren die Deutschen zweitbeste Nation.
Schwimmen: Drei sechste Plätze im Becken waren die besten Platzierungen von Paul Biedermann & Co. Ein sechster Platz kam im Freiwasser dazu. Für letztere Sparte war das nach dem Rücktritt von Rekordchampion Thomas Lurz in Ordnung. Im Becken blieben die Probleme bei der nächsten Olympia-Enttäuschung die alten.
Segeln: Erik Heil und Thomas Plößel haben Bronze gewonnen. Die erste Olympia-Medaille seit acht Jahren soll die Initialzündung sein. „Wir müssen den eingeleiteten Modernisierungskurs jetzt konzentriert fortsetzen“, mahnte Cheftrainer David Howlett.
Tennis: Angelique Kerber polierte mit Silber die durchwachsene Bilanz erheblich auf. Trotz ihrer Favoritenrolle im Finale beendete sie das Warten auf das nächste Gold aber nicht. 28 Jahre nach Steffi Grafs Triumph in Seoul unterlag sie Monica Puig aus Puerto Rico. Von den drei Einzel-Spielern der Herren trat wie von den drei Doppeln keiner in der zweiten Runde an. Im Mixed konnte kein deutsches Duo starten.
Tischtennis: Die Mannschaften machten Enttäuschungen aus dem Einzel wett. Fahnenträger Timo Boll führte die Herren zu Bronze und holte seine dritte Team-Medaille nach 2008 und 2012. Die Damen verloren sogar erst im Finale gegen die übermächtigen Chinesinnen.
Trampolin: Die einzige Deutsche Leonie Adam turnte den besten Wettkampf ihrer Karriere. Obwohl sie das Finale verfehlte: Mehr als Platz zehn war für die Stuttgarterin nicht drin. Perfektes Ergebnis.
Turnen: Die deutschen Turner haben in der Stunde der Entscheidung alle Trümpfe ausgespielt. Der erste Olympiasieg nach 20 Jahren durch Fabian Hambüchen und die Plätze drei und vier von Sophie Scheder und Elisabeth Seitz übertrafen alle Hoffnungen. Die Frauen schafften mit Platz sechs das beste Teamresultat seit der Vereinigung, die Turner trotz des unglücklichen Ausfalls von Andreas Toba Platz sieben.
Wasserspringen: Mit Bronze erfüllte Patrick Hausding vom Drei-Meter-Brett schon das Medaillenziel. Zwei vierte Plätze im Synchronspringen und Platz fünf vom Turm unterstrichen bei den Männern die Zugehörigkeit zur Weltspitze.
dpa