Cool, cooler, Christian Coleman: In Doha krönt sich der Amerikaner zum neuen Sprintkönig. Doch auf dem Goldglanz liegt ein Schatten. Die Pressekonferenz wird zum Kreuzverhör. Kalt kontert Coleman nach Mitternacht alle Fragen zu seinen verpassten Dopingkontrollen.
Doha (dpa) - Von den Fans gefeiert, von der Weltpresse ins Kreuzverhör genommen: Nur 26 Tage nach seinem umstrittenen Freispruch durch die US-Anti-Doping-Agentur hat sich Christian Coleman souverän zum neuen Sprintkönig gekrönt.
Doch nach dem Gold-Coup bei der Leichtathletik-WM in Doha musste sich der 23-Jährige auf der internationalen Pressekonferenz viele Fragen zu seinen verpassten Dopingkontrollen gefallen lassen. So wie er beim 100-Meter-Finale im Startblock die Nerven behielt, so kalt konterte der schnellste Mann der Welt auf dem Podium. Dennoch: Auf dem Goldglanz liegt ein Schatten.
«Ich habe nichts falsch gemacht», sagte Coleman mehrfach grimmig und sprach von «falschen Beschuldigungen». Und: «Ich war nicht leichtsinnig», beteuerte er und guckte angriffslustig in die Runde: «Keiner in diesem Raum ist doch fehlerfrei.»
Coleman war angefressen, immer diese Fragen! Schließlich war er seit einem Monat rehabilitiert - und seit zwei Stunden der sechstschnellste 100-Meter-Sprinter der Geschichte. Nach der 24-minütigen Pressekonferenz wollte er nur noch weg, und irgendwie scheint klar: Dieser Mann taugt kaum zum Nachfolger der Lichtgestalt Usain Bolt, ihm fehlen das Charisma und die Lausbuben-Lockerheit des großen Jamaikaners, der die Leichtathletik ein Jahrzehnt lang überstrahlt hat.
Dass Coleman überhaupt starten durfte, rief viele Kritiker auf den Plan. Drei verpasste Dopingkontrollen innerhalb von zwölf Monaten hätten das WM- und sogar Olympia-Aus für den 1,75 Meter großen und 73 Kilo schweren Sprintstar bedeutet. Doch ein Formfehler führte Anfang September zum Freispruch durch die USADA. Einer der «Missed Tests» habe außerhalb der Einjahresfrist gelegen - also doch kein Dopingfall.
Besonders scharfe Kritik an Coleman in dieser Causa kam von seinem Landsmann Michael Johnson, dem ehemaligen Dominator über 200 und 400 Meter. «Es disqualifiziert ihn voll und ganz zu diesem Zeitpunkt, jemals das Gesicht unseres Sports zu sein», betonte der 52 Jahre alte mehrfache Olympiasieger und Weltmeister.
Coleman machte eine Kunstpause und grinste. «Michael Johnson zahlt nicht meine Rechnungen oder unterschreibt meine Schecks. Deshalb kümmert es mich wirklich nicht, was er zu sagen hat», ätzte der Weltmeister. Und überhaupt: «Meinen Namen auf die Liste all der legendären Jungs zu setzen, die vor mir kamen, das ist mir eine Ehre und ein Segen.»
IAAF-Präsident Sebastian Coe hielt sich raus. «Ich freue mich, dass Coleman hier ist, und ich möchte sicherstellen, dass er jede Gelegenheit erhält, eines der Gesichter dieser Weltmeisterschaften zu sein», meinte der Brite. «Coleman ist unglaublich schnell», aber wenn er die Zukunft seines Sports sein will, kann er nicht blind für die Vergangenheit bleiben», kommentierte die britische «Sunday Times».
Im Finale lief Coleman am Samstagabend wie befreit und rannte in 9,76 Sekunden zum Gold. So schnell war er noch nie. Die unangenehme Affäre hat er abgehakt. «Das liegt hinter mir», meinte der Mann aus Atlanta. «Jetzt bin ich Weltmeister, und das ist etwas, das mir keiner mehr nehmen kann.»
Titelverteidiger Justin Gatlin, immerhin 37, war diesmal chancenlos: In 9,89 Sekunden wurde der US-Altstar Zweiter. Auf dem Podium war er dann wieder die Nummer 1 und machte so seine Späßchen. An der Atmosphäre im halbleeren Khalifa-Stadion hatte der Ex-Weltmeister nichts auszusetzen. Gatlin: «Es ist doch egal, ob hundert Leute zuschauen oder hunderttausend.»
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