Bremen – Nun steht der Termin fest: Der Werder Bremen wird seine Mittelstandsanleihe ab dem 17. Mai auch Privatanlegern zum Kauf anbieten - und die trägt in Anlehnung an fußballerisch erfolgreichere Zeiten den Titel „Kontrollierte Offensive“, mit der Trainer-Legende Otto Rehhagel den Grün-Weißen zu zahlreichen Trophäen verhalf.
Nun soll diese Taktik vor allem eines bringen: Geld, viel Geld sogar: mindestens 20 Millionen Euro, möglich sind sogar 30. Zehn Millionen Euro wurden vorab schon bei institutionellen Investoren und bei Freunden des Clubs eingesammelt. Wie dringend der SV Werder Bremen diese Finanzspritze benötigt, zeigt der zur Anleihe erstellte Wertpapierprospekt, in dem der Bundesligist auf 219 Seiten die Hosen herunterlassen, ein noch dickeres Minus eingestehen und das Insolvenzrisiko klar benennen muss.
„Dieses Risiko ist aktuell insbesondere dadurch wesentlich erhöht, dass die Gesellschaft im Zwischenkonzernabschluss zum 31.12.2020 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 30,6 Millionen Euro ausweist“, heißt es in dem Prospekt. In der Hinrunde dieser Saison hat es also ein Minus von 17,33 Millionen Euro gegeben. In der Vorsaison waren es bereits 23,476 Millionen Euro gewesen, für die das Eigenkapital von zehn Millionen schon nicht mehr ausreichte.
Werder Bremen fehlen pro Geisterspiel 1,1 Millionen Euro Zuschauereinnahmen
Als Grund dafür nennt Werder Bremen die Folgen der Corona-Pandemie, dabei vor allem die fehlenden Zuschauereinnahmen bei den Geisterspielen, rund 1,1 Millionen Euro pro Partie. Auch bei TV-, Werbe- und Sponsorengelder habe es Einbußen gegeben, zudem sei der Transfermarkt fast zum Erliegen gekommen. Allerdings verkaufte Werder im Oktober Davy Klaassen für elf Millionen Euro an Ajax Amsterdam. Das konnte das Zwischenkonzernergebnis, das Werder wegen der Anleihe erstmals veröffentlichen musste, aber auch nicht retten, sondern nur etwas aufhübschen.
Und nun? Um den Fehlbetrag für die komplette Saison trotz des Halbzeit-Minus von 17,33 Millionen Euro und weiterer Geisterspiele bis zum 30. Juni auf 12,836 Millionen Euro zu begrenzen, präsentiert Werder Bremen in dem Prospekt einen Plan – mit vier entscheidenden Punkten: Klassenerhalt, Nettotransfererlöse von 9,4 Millionen Euro, Verzicht auf Erstattungen von zehn Prozent der Dauerkartenbesitzer und eine erfolgreiche Platzierung der Anleihe mit einem Volumen von 20 Millionen Euro. Das negative Eigenkapital würde dann laut Werder bei 26,088 Millionen Euro liegen, die Verbindlichkeiten bei 74,977 Millionen Euro. In dieser für Werder-Verhältnisse gewaltigen Summe seien dann nicht nur die Anleihe, sondern auch der mit einer Landesbürgschaft im Dezember 2020 abgeschlossene 20-Millionen-Euro-Kredit sowie „26 Millionen Euro Verbindlichkeiten aus Transfers“ enthalten, heißt es in dem Prospekt.
Werder Bremen hat die Lizenz für die neue Saison unter Auflagen erhalten - droht die Insolvenz?
Die Lizenz für die neue Saison hat Werder Bremen aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten wie andere Vereine auch nur unter Auflagen erhalten. Bis zum 15. September müssen die Grün-Weißen ihre Liquiditätslücke schließen, „beispielsweise durch Transfers von Spielern zu anderen Clubs“, heißt es – und weiter: „Ansonsten erfolgt ein Punktabzug von sechs Punkten mit sofortiger Wirkung.“
Es droht also womöglich ein Ausverkauf der Mannschaft, zumal Werder in dem Prospekt tatsächlich die Gegenrechnung aufstellt – und zwar mit Hilfe des Internetportals transfermarkt.de, in dem Fans den Marktwert von Fußball-Profis ermitteln. Diese Werte führt Werder Bremen für jeden Spieler – auch die verliehenen – auf: von Ersatzkeper Eduardo dos Santos Haesler (500.000 Euro) bis Davie Selke (fünf Millionen Euro). Zusammen mache das 106 Millionen Euro. „Unter Berücksichtigung eines Risikoabschlags auf die vorgenannten Marktwerte von 15 Prozent ergeben sich hieraus nach Berechnung des Emittenten (Werder, Anm. d. Red.) stille Reserven im Spielervermögen von rund 50 Millionen Euro“, betont der Club und spricht in diesem Zusammenhang von einem „positiven wirtschaftlichen Eigenkapital“. Oder kurz gesagt: Wenn alle Spieler verkauft werden, ist wieder Geld da – nur eben keine Mannschaft mehr.
Werder Bremen rechnet bei Abstieg mit einem Einnahmeverlust von 40 Prozent
Und was passiert bei einem Abstieg? Dann wird es finanziell noch enger, Werder Bremen rechnet mit einem Einnahmeverlust von 40 Prozent. Immerhin sinken auch die Kosten, die Verträge der Profis beinhalten Gehaltseinbußen von 40 bis 60 Prozent. Die Insolvenzgefahr ist dadurch aber längst nicht gebannt. Werder braucht frisches Geld, die Anleihe ist dabei von enormer Bedeutung – wird aber auch zu einer großen Belastung. Der genaue Zinssatz wurde noch nicht festgelegt, soll aber bei sechs bis 7,5 Prozent liegen und jährlich ausgezahlt werden – bis 2026. Dann bekommen die Anleger auch ihre Einlagen zurück, wenn Werder das leisten kann. Wie schon bei den aktuellen Bilanzen sollen vor allem wieder Transfererlöse helfen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Anleihe durch eine weitere abgelöst wird.
Mit 1.000 Euro Mindesteinsatz sind Privatanleger ab dem 17. Mai dabei. Bis zum 1. Juni können sie die Anleihe, die künftig an der Frankfurter Börse gehandelt wird, zeichnen. Dann steht auch fest, ob das Geld an einen Erst- oder Zweitligisten geht. Vorab sei durchaus ein Blick in den Wertpapierprospekt empfohlen. Der wurde übrigens von der Luxemburgischen Wertpapieraufsichtsbehörde (Commission de Surveillance du Secteur Financier – „CSSF“) gebilligt und an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) notifiziert. (kni) Auch interessant: Werder-Boss Klaus Filbry spricht sich für Gehaltsobergrenzen im Profi-Fußball aus. Und: Wie groß ist die Gefahr einer Werder-Insolvenz? Nachgefragt beim Wirtschaftsprofessor!