Bremen – Nein, als Entdecker von Eren Dinkci, dem Matchwinner aus dem Nichts, will sich Burak Bahar nun wirklich nicht feiern lassen. „Aber stolz bin ich schon“, sagt Dinkcis einstiger Jugendtrainer im Gespräch mit der DeichStube: „Es ist eine Bestätigung dafür, dass sich die drei Jahre Arbeit mit ihm beim SC Borgfeld absolut gelohnt haben. Den größten Anteil daran, dass er es in die Bundesliga geschafft, trägt natürlich Eren selbst. Er hat so viel Schweiß und Blut dafür gelassen. Er hat sich wirklich aufgeopfert für seinen Traum.“ Und der ging fast explosionsartig in Erfüllung, denn der 19-Jährige traf am Samstag bei seinem Bundesliga-Debüt mit seiner ersten Ballberührung zum 1:0-Sieg von Werder Bremen in Mainz.
Eren Dinkci ist so etwas wie ein Seiteneinsteiger im Profi-Fußball, kam erst als 17-Jähriger zum SV Werder Bremen. Normalerweise sichern sich die Bundesligisten die Talente schon im Alter von 13, 14 oder 15 Jahren für ihre Nachwuchsleistungszentren (NLZ). „Ich weiß auch nicht, warum Eren so lange unter dem Radar geblieben ist“, sagt Bahar. Der 28-Jährige überzeugte Dinkci 2016 von einem Wechsel innerhalb Bremens vom ATSV Sebaldsbrück zum SC Borgfeld.
Dort kickte Eren Dinkci in der U16, U17 und der U19 immerhin jeweils in der Regionalliga, aber eben nicht in der Junioren-Bundesliga. „Wir haben aber so intensiv wie in einem NLZ trainiert, also eigentlich jeden Tag. Und Eren hat privat noch mehr gemacht – zum Beispiel Athletik-Training“, erzählt Bahar und gerät regelrecht ins Schwärmen: „Von Eren gab es nie ein Murren, egal, wie hoch die Belastung war. Er ist ein unglaublich zielgerichteter junger Mann.“ Und dazu ein ziemlich guter Fußballer. „Eren kann das Spiel lesen, hat eine tolle Vororientierung. Das Tor in Mainz war typisch für ihn“, sagt Bahar: „Eren ist ein Schleicher, verschafft sich so den nötigen Platz und ist dann oft genau dort, wo der Ball hinkommt.“ Und so konnte Dinkci in Mainz fast unbedrängt die Flanke von Tahith Chong für den SV Werder Bremen ins Tor köpfen.
Werder Bremen: Eren Dinkci soll bei der U23 weiter Spielpraxis sammeln - jetzt spricht sein Entdecker
Ganz unschuldig daran ist Bahar nicht. Er habe Eren Dinkci in der Jugend bewusst auf allen Positionen – außer im Tor – spielen lassen. „Eren weiß deshalb, wie Verteidiger denken, was sie machen“, sagt der Nachwuchscoach: „Eren ist ein Juwel, muss aber noch geschliffen werden. So, wie ich das mitbekomme, ist er bei Florian Kohfeldt sehr gut aufgehoben.“ Der Werder-Coach hatte sich in Mainz gleich schützend vor den Newcomer gestellt und mit Blick auf die große Konkurrenz im Angriff darauf verwiesen, dass niemand nun regelmäßige Einsätze von Dinkic erwarten dürfe. „Eren hat auch Glück gehabt, dass einige Spieler verletzt waren. Das gehört dazu. Wichtig ist in seinem Alter, dass er viel spielt. Und da ist der Weg über die U23 richtig. Er soll diese Zeit jetzt bei den Profis genießen, der Rest kommt dann schon. Wenn sich Eren etwas in den Kopf gesetzt hat, dann wird er das auch erreichen“, prophezeit Bahar.
Werder Bremen: Eren Dinkci hat auch Chancen im Pokalspiel gegen Hannover dabei zu sein
Spannend wird es dabei schon am Mittwoch. Weil Niclas Füllkrug, Milot Rashica und Davie Selke dem SV Werder Bremen weiterhin fehlen, hat Eren Dinkci Chancen, auch im Pokal wieder dabei zu sein – und das dann ausgerechnet in Hannover, der neuen beruflichen Heimat seines Ex-Trainers. Bahar arbeitet seit eineinhalb Jahren hauptamtlich als U15-Coach des Zweitligisten. Bislang habe sich Profi-Coach Kenan Kocak aber noch nicht bei ihm gemeldet und nach Dinkcis Stärken erkundigt: „Aber vielleicht macht er das ja noch.“ Der junge Coach hat das gleiche Ziel wie sein einstiger Schützling: „Ich will als Trainer in den Profi-Fußball.“
Nun freut sich Bahar aber erst mal auf das Pokalspiel – und vorher noch auf einen Anruf bei Eren Dinkci: „Wir haben uns bislang nur per Handy geschrieben. Ich wollte ihn in Ruhe lassen.“ Doch nun sei er schon etwas neugierig, wie es dem jungen Torschützen geht. Sorgen, dass der abheben könnte, macht sich Bahar nicht: „Eren ist total bodenständig und hat ein tolles Umfeld, das auf ihn aufpasst.“ (kni) Auch interessant: Werder Bremen gegen Hannover 96 im DFB-Pokal - so seht Ihr das Spiel live im TV und im Live-Stream.
Zur letzten Meldung um 9:00 Uhr:
Nur vier Werder-Torschützen waren jünger als Dinkci
Bremen – Okay, den Bundesliga-Rekord von Youssoufa Moukoko von Borussia Dortmund hat Eren Dinkci um gleich mehrere Jahre verpasst. Doch der Angreifer schaffte es mit seinem ersten Treffer beim 1:0-Sieg in Mainz zumindest in die Top 5 des SV Werder Bremen – und das ist in über einem halben Jahrhundert Bundesliga-Geschichte auch schon mal was.
Eren Dinkci war genau 19 Jahre und sechs Tage alt, als er den SV Werder Bremen und dessen Fans mit seinem Kopfball glücklich machte. Denn in Mainz sah alles nach einer Fortsetzung der Sieglos-Serie (neun Spiele) aus. Doch dann traf der gerade erst eingewechselte Dinkci in der 90. Minute. Es war seine erste Ballberührung in seinem ersten Bundesligaspiel – was für eine Geschichte. Die übrigens ein gewisser Josh Sargent vor zwei Jahren beim 3:1-Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf ganz genauso erlebt hat. Weil der US-Amerikaner damals erst 18 Jahre, neun Monate und 17 Tage alt war, belegt er in der Werder-Rangliste sogar Platz zwei.
Werder Bremen: Nur Aron Hunt, Josh Sargent, Tom Trybull und Willi Mense waren jünger als Eren Dinkci
Nur einer war jünger: Aaron Hunt. Der traf 2005 in seinem zweiten Bundesliga-Einsatz im Alter von 18 Jahren, fünf Monaten und acht Tagen beim 2:0-Sieg von Werder Bremen gegen Borussia Mönchengladbach. Heute spielt Hunt beim Hamburger SV und hofft auf den Wiederaufstieg in die Bundesliga.
Aus der Top 10 sind übrigens noch sechs Spieler aktiv: Neben Hunt, Sargent und Dinkci auch Werder-Profi Niclas Füllkrug sowie Tom Trybull (Blackburn Rovers, 2. englische Liga), Levin Öztunali (Mainz 05) und Mesut Özil (FC Arsenal)
Die komplette Top 10:
1. Aaron Hunt (2005) | 18 Jahre 5 Monate 8 Tage |
2. Josh Sargent (2018) | 18 Jahre 9 Monate 17 Tage |
3. Tom Trybull (2012) | 18 Jahre 11 Monate 9 Tage |
4. Willi Mense (1976) | 19 Jahre 3 Tage |
5. Erin Dinkci (2020) | 19 Jahre 6 Tage |
6. Niclas Füllkrug (2012) | 19 Jahre 1 Monat 15 Tage |
7. Levin Öztunali (2015) | 19 Jahre 2 Monate 8 Tage |
8. Volker Ohling (1974) | 19 Jahre 3 Monate 10 Tage |
9. Frank Ordenewitz (1984) | 19 Jahre 5 Monate 28 Tage |
10. Mesut Özil (2008) | 19 Jahre 6 Monate 11 Tage |
(Quelle: transfermarkt.de)
Zur letzten Meldung vom 19. Dezember 2020:
Wer ist dieser Eren Dinkci? Juventus Turin wollte ihn, jetzt trifft er für den Werder Bremen
Bremen – Das sind die überragenden Geschichten des Fußballs: Der erst 19-jährige Eren Dinkci stand am Samstag zum ersten Mal im Kader eines Bundesliga-Spiels und erzielte dann nach seiner Einwechslung den 1:0-Siegtreffer für Werder Bremen - mit seinem allerersten Ballkontakt! Aber wer ist dieser Eren Dinkci überhaupt?
Der türkische U19-Nationalspieler (ein Einsatz) ist ein Sonderfall im modernen Fußball, denn er entstammt nicht wirklich einem Nachwuchsleistungszentrums eines Bundesligisten. Dorthin wechseln die großen Talente meistens schon mit 14, 15 Jahren, manchmal sogar noch viel früher. Doch Eren Dinkci spielte lange bei Bremer Clubs und kam erst mit 18 Jahren zu Werder Bremen. Er bestand sogar darauf, erst noch die Saison mit seinem SC Borgfeld zu Ende zu spielen.
Also wurde er im Januar 2019, nachdem er einen bis 2022 gültigen Vertrag bei Werder Bremen unterschrieben hatte, umgehend für ein halbes Jahr an seinen SC Borgfeld ausgeliehen – an jenen Club also, bei dem einst auch der heutige Nationalspieler Julian Brandt mit dem Fußballspielen begonnen hatte. Als Eren Dinkci im Sommer 2019 fest bei Werder ankam, entwickelte er sich auf Anhieb zum Top-Torjäger der U19. Ihm gelangen 22 Tore in 20 Spielen, ehe die Saison wegen der Coronavirus-Pandemie abgebrochen wurde.
Werder Bremen macht sich große Hoffnungen bei Top-Talent Eren Dincki
Ende Juni berichtete „Sky“ dann von einem Interesse von Juventus Turins an Eren Dinkci. Die Rede war von einer Leihe mit Kaufoption. In Idrissa Toure hatten die Italiener 2018 bereits einen Nachwuchsakteur von Werder zunächst ausgeliehen und ein Jahr später für die eigene U23 gekauft. Sowohl Dinkci als auch Toure stehen bei der Berateragentur „EMG Mundial“ unter Vertrag, was das Gerücht befeuerte. Letztlich entschied sich der türkische U19-Nationalspieler aber für die Perspektive, die Werder Bremen ihm bot.
Nachdem er im Sommer aus der U19 in die Bremer U23 aufgerückt war, kam Dinkci in bisher allen acht Regionalliga-Saisonspielen zum Einsatz – und erzielte dabei sieben Tore, bis die Saison wegen Corona gestoppt wurde. Die guten Leistungen des Stürmers waren natürlich auch Bundesliga-Trainer Florian Kohfeldt nicht entgangen, er holte Dinkci zum Training der Profis. „Eren ist seit einiger Zeit bei uns auf dem Schirm. Er ist einer der Spieler aus der U23, bei denen wir uns große Hoffnungen machen, dass sie in Zukunft in den Profikader vorstoßen und da eine Rolle spielen können“, sagte Kohfeldt damals und bescheinigte dem Top-Talent gute Leistungen während der ersten Einheiten: „Er kann in der Gruppe problemlos mittrainieren.“
Werder Bremen: Eren Dinkci köpft Sieg-Tor beim Bundesliga-Debüt gegen Mainz 05
Beinahe hätte Kohfeldt den jungen Angreifer schon Ende Oktober mit zum Spiel nach Frankfurt genommen, entschied sich dann aber anders. In Mainz war Eren Dinkci nun dabei, profitierte allerdings auch vom kurzfristigen Ausfall von Leonardo Bittencourt (Sprunggelenksverletzung). Weil auch die Stürmer Niclas Füllkrug, Milot Rashica und Davie Selke fehlen, waren die Einsatzchancen für Dinkci gar nicht so schlecht. Und in der 85. Minute brachte Kohfeldt tatsächlich den 19-Jährigen, der nur wenig später nach einer Flanke von Tahith Chong mutig den Siegtreffer gegen Mainz 05 köpfte.
Eine unglaubliche Geschichte von Eren Dinkci, einem Jungen aus Bremen, der es auch ohne Nachwuchsleistungszentrum ganz nach oben geschafft hat. Und dabei soll er nie abgehoben gewesen sein, dafür aber umso ehrgeiziger, heißt es. „Für Eren freut es mich sehr. Er ist ein ruhiger, bodenständiger Junge und hat sich heute super eingefügt“, lobte Teamkollege Maximilian Eggestein und schob noch hinterher: „Nicht nur, dass er das Tor gemacht hat, ich fand beachtlich, wie er danach noch das Tor verteidigt hat.“ Das sind doch gute Voraussetzungen, dass dieses Fußball-Märchen noch weitere Kapitel bekommt. (kni/dco)