Bremen – Plötzlich wurde es „scharf“. Florian Kohfeldts Stimme tönte vermutlich hoch bis zum Osterdeich und runter bis ans Weserufer, als der Coach des SV Werder Bremen die laufende Trainingseinheit unterbrach und das tat, was er für die Woche angekündigt hatte: Schärfe reinbringen.
Dem Beobachter boten sich Szenen und Aktionen, wie man sie von Kohfeldt schon häufiger gesehen hat. Gestikulierend, erklärend, tadelnd wirkte der 38-Jährige auf sein Personal ein. Und vor allem: laut. Ein Trainer auf Hochtouren. Alles mit dem Ziel, die Mannschaft für das Heimspiel gegen den FC Augsburg (Samstag, 15.30 Uhr, DeichStube-Live-Ticker) ebenfalls auf Temperatur zu bringen. Denn es wird ein Spiel werden, in dem Werder Bremen auf wichtige Fragen wichtige Antworten geben muss.
Werder Bremen: War das 0:2 gegen Union Berlin tatsächlich nur „ein Ausreißer nach unten“?
Wehrlos ergeben – das war der Vorwurf nach dem Union-Debakel. Zwar wertete Coach Kohfeldt die Partie als „Ausreißer nach unten“, grollte aber auch: „Ich werde das nicht vergessen.“ Aus seiner Sicht war das 1:1 des SV Werder Bremen gegen Bayer Leverkusen zwar eine gute Reaktion, aber milde gestimmt hat es ihn nicht. Gegen den FC Augsburg wird von der Mannschaft mehr gefordert sein, als „nur“ eine Abwehrschlacht. „Wir werden mehr den Ball haben. Augsburg wird uns in Zweikämpfe zwingen. Wir müssen die zweiten Bälle gewinnen“, sagte Kohfeldt und packte seine Spieler im Training gestern entsprechend an.
Zwar trieb er das Team nicht mit Dauergebrüll über den Platz, aber in Momenten, in denen bei den Spielern das Bissigkeits-Barometer sank, war er da. Man kann es Anweisungen nennen, die er verteilte, oder auch einen Anranzer. Auf jeden Fall gab es etwas auf die Ohren, als die Zweikämpfe zu lasch und die Aktionen zu labberig wurden. „Wir müssen richtig draufgehen, weil: Am Samstag wird uns Augsburg auch wehtun“, schimpfte Kohfeldt. Und: „Wir müssen so trainieren, wie wir auch spielen wollen.“ Eine zu bequeme Einheit war auch schon vor dem Union-Spiel Thema gewesen. Immerhin: Gestern zeigte der Anpfiff Wirkung, fortan war Zug drin. Kohfeldt musste kein zweites Mal so heftig intervenieren, und Milos Veljkovic erklärte später, dass die Mannschaft verstanden hat: „Wir müssen und wollen diese Schärfe reinbringen, damit wir auch am Wochenende wieder ans Limit gehen können. Sonst wird es schwer.“
Funktionieren die Stürmer des SV Werder Bremen wieder?
Es war nur Minuten nach dem Kohfeldt-Wutausbruch, als Davie Selke auf Milot Rashica flankte, dessen Direktabnahme jedoch nicht ins Tor flog, sondern in den Fangzaun schepperte. Aber immerhin: Da war Tempo drin, und speziell bei Rashica, bei dem die Fragezeichen aktuell noch am größten sind, zeigte sich, dass er nach seiner Verletzungspause tatsächlich wieder auf Betriebstemperatur kommt.
Selke ist schon einen Schritt weiter, Niclas Füllkrug arbeitet ebenfalls daran, ein Startelf-Kandidat zu werden. Nach Ende des Trainings absolvierte er noch Solo-Übungen, verließ als Letzter den Platz. Auch Selke probte zusammen mit Yuya Osako und Leo Bittencourt den Torabschluss, während die meisten Kollegen schon wieder in der Kabine waren. Alles klare Zeichen, wie „scharf“ die beiden Stürmer auf einen Einsatz von Anfang an sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass entweder Selke, der gegen Leverkusen nach seiner Einwechslung enttäuschte, oder Füllkrug gegen Augsburg in der Startelf von Werder Bremen auftauchen. (Update, 15.01.: Niclas Füllkrug hat sich wieder verletzt und fehlt Werder!)
Setzt Werder Bremen der Heimschwäche ein Ende?
Clemens Fritz hat es sich leicht gemacht und die schwache Bremer Heimbilanz mit der Geisterkulisse erklärt. „Ich weiß, dass wir auch schon Heimspiele verloren haben, als die Zuschauer noch dabei waren“, sagte der Leiter Profi-Fußball, „aber für mich gibt es nur diese eine Erklärung: Uns fehlen die Fans extrem.“ Es ist freilich eine schwache Erklärung und sie ist gefährlich, gibt sie den Spielern doch für jedes weitere Geisterspiel (und davon kommen noch einige) ein Alibi. Werder Bremen muss aber wieder Heimspiele gewinnen – auch ohne Fans. Nur fünf Punkte in sieben Heimspielen ist eine magere Bilanz, Werder holte im eigenen Stadion nur 23,8 Prozent der möglichen Zähler, gewann bislang lediglich gegen Arminia Bielefeld. In der vergangenen Saison waren es nach 17 Heimspielen nur neun Punkte. Was Hoffnung macht für Samstag: Gegen den FC Augsburg hat Coach Kohfeldt eine weiße Heimweste: zwei Spiele, zwei Siege (4:0, 3:2).
Werder Bremen: Gibt es erneut einen unwillkommenen „Bayern-Effekt“?
Das 1:1 bei Bayern München war groß gefeiert worden. Erfolgserlebnis! Historisch! Es sollte Werder Schwung geben. Doch es gab Werder einen falschen Glauben in die eigene Stärke. Anschließend folgten vier Niederlagen am Stück. Das 1:1 gegen Bayer Leverkusen ist nun wieder so ein Spiel gewesen, das Hoffnungen weckt, es könnte nun aufwärts gehen mit Werder Bremen. Dafür muss ein erneuter „Bayern-Effekt“ dringend vermieden werden. (csa) Auch interessant: So seht Ihr das Bundesliga-Spiel von Werder Bremen gegen den FC Augsburg live im TV und im Live-Stream.