Bremen – Also doch: Jörg Wontorra möchte 17 Jahre nach seinem unschönen Aus in den Aufsichtsrat von Werder Bremen zurückkehren. Bislang hatte sich der TV-Moderator im Machtkampf beim Bremer Bundesligisten eher zurückhaltend, fast sogar schon abwehrend geäußert. Nun bestätigte der 72-Jährige im Gespräch mit der DeichStube aber seine Vorhaben, erklärte, wer noch dahinter steckt und kritisierte zugleich scharf die aktuelle Führung von Werder Bremen.
Jörg Wontorra würde am liebsten beim Thema Aufsichtsrat noch schweigen. Der Zeitpunkt sei durch die coronabedingte Absage der Mitgliederversammlung des SV Werder Bremen Mitte November etwas unglücklich, so der Journalist. Denn frühestens im April werden die Wahlen zum Aufsichtsrat stattfinden. Da ist es ihm eigentlich zu früh, schon jetzt als Herausforderer öffentlich seinen Hut in den Ring zu werfen. Nun kam aber heraus, dass Wontorra dem Wahlausschuss längst als Kandidat für die Wahl des Kontrollgremiums vorgeschlagen worden ist, mit der satzungsmäßig notwendigen Unterstützung von mindestens 50 Mitgliedern.
„Es waren sogar weit über 50 Mitglieder, die für mich unterschrieben und damit für mich geworben haben“, betont Wontorra und erklärt den Hintergrund: „Ich fühle mich sehr geehrt, dass Vertreter von mehreren Werder-Fan-Gruppierungen, die sich zusammengeschlossen haben, an mich herangetreten sind und mich gebeten haben, für den Aufsichtsrat zu kandidieren.“ Es geht um „die Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“, von der bereits Ex-Manager Willi Lemke berichtet hat, und die von den ehemaligen Geschäftsführern Klaus-Dieter Fischer und Manfred Müller in Satzungsfragen beraten worden ist. „Wir haben sehr gute Gespräche geführt. Das ist eine Gruppe von hochinteressanten und hochintelligenten Menschen, die lieber in der Ostkurve stehen, als im VIP-Bereich zu sitzen“, berichtet Wontorra. Jeweils ein Vertreter der insgesamt zehn Fan-Gruppen sei bei dem Gespräch dabei gewesen, hinter jeder Gruppe würden etwa 30 Personen stehen – macht zusammen also rund 300 Fans, die sich deutliche Veränderungen bei Werder Bremen wünschen.
Jörg Wontorra: Die Geschäftsführung bei Werder Bremen ist nicht optimal aufgestellt
„Ich mache mir große Sorgen um Werder, genauso wie diese Gruppierungen. Es gibt überhaupt keine Innovationen und Visionen mehr. Es wird überhaupt nicht nach vorne geguckt, sondern nur verwaltet“, kritisiert Jörg Wontorra und findet noch deutlichere Worte: „Bei Werder sitzen viele in ihrer Komfortzone und wollen nur ihren Status verteidigen. Sie sind damit zufrieden, nur irgendwie in der Bundesliga zu bleiben. Die Geschäftsführung ist nicht optimal aufgestellt. Da fehlt es an Kompetenz.“ Klaus Filbry, Hubertus Hess-Grunewald und Frank Baumann bilden die Geschäftsführung beim SV Werder Bremen. Dabei betont Wontorra: „Frank Baumann möchte ich da ausdrücklich ausklammern. Er macht als Sportchef einen super Job, aber er leidet darunter, dass er von der restlichen Geschäftsführung allein gelassen wird. Werder muss weltmännischer werden, dafür braucht es andere Manager.“
Werder Bremen: Jörg Wontorra gibt sich im Gespräch hochemotional
Damit macht Jörg Wontorra mehr als deutlich, dass er und die Personen hinter ihm nichts Geringeres als einen Kurswechsel mit neuem Personal in der Führungsebene anstreben. „Werder Bremen war mal der zweitbeste Club in Deutschland. Jetzt gehören wir nur noch in die Kategorie Mainz, Augsburg oder Freiburg. Damit darf man sich nicht zufriedengeben“, fordert der 72-Jährige und erinnert an die Goldenen Zeiten Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre sowie im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Dabei gibt er sich im Laufe des Gesprächs mit der DeichStube hochemotional. Doch sein Kampfeswille kennt auch Grenzen, wie er betont: „Ich bin vom Wahlausschuss noch nicht befragt worden. Deswegen habe ich bislang bei Nachfragen der Medien so zurückhaltend reagiert. Denn sollte sich in den Gesprächen mit dem Wahlausschuss herausstellen, dass es dort Vorbehalte gegen meine Person gibt, dann werde ich mich sofort zurückziehen und mein schönes Leben weiter genießen. Ich muss mir das nicht antun. Aber ich möchte Werder Bremen helfen. Mir liegt dieser Club sehr am Herzen. Ich würde das gerne für Werder Bremen machen.“
Werder Bremen: Jörg Wontorra saß von 1999 bis 2003 im Aufsichtsrat
Es wäre nicht das erste Mal. Von 1999 bis 2003 saß Jörg Wontorra schon einmal im Aufsichtsrat. Dann folgte ein unrühmliches und für ihn sehr bitteres Ende. Der Wahlausschuss schlug ihn nur als Ersatzkandidat vor. Das wertete der Betroffene damals als Misstrauensvotum und zog sich beleidigt zurück. Nun will er zurückkehren. „Es geht mir nicht um persönliche Eitelkeiten oder einen Job, das habe ich nicht nötig. Es geht mir auch nicht darum, alles zu verteufeln, aber es kann einiges optimiert werden, damit Werder wieder erfolgreicher ist“, sagt Wontorra und lobt seine Mitstreiter: „Ich bin froh, dass es diese Fan-Gruppierungen gibt, die etwas bewegen wollen, was bei Werder nicht so einfach ist.“ (kni)
Zur letzten Meldung vom 01. Dezember 2020:
Wirrwarr im Werder-Machtkampf: Attacke von Präsident Hess-Grunewald, Verwunderung bei Wontorra
Bremen – Der Machtkampf beim SV Werder Bremen geht weiter. Nun wurde bekannt, dass die ehemaligen Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer (79) und Manfred Müller (76) eine „Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“ um Ex-Manager und Ex-Aufsichtsratschef Willi Lemke (74) beraten haben. Dabei geht es auch um die Zukunft von Hubertus Hess-Grunewald (60). Der Vereinspräsident und Geschäftsführer in Personalunion schießt derweil in einem Interview harsch zurück und trifft dabei unfreiwillig auch Sportchef Frank Baumann (45).
Wie viele Personen genau zu dieser „Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“ gehören, ist nicht bekannt – zehn sollen es sein. Eigentlich wollten sich die Beteiligten im Hintergrund halten und erst bei der für Mitte November angesetzten, aber wegen Corona abgesagten Mitgliederversammlung des SV Werder Bremen an die Öffentlichkeit gehen. „Nach meiner Kenntnis ist es eine Gruppe um Willi Lemke, Jörg Wontorra und Lars Figura“, outete nun Hubertus Hess-Grunewald in einem Interview mit dem „Weser Kurier“ einige mögliche Mitglieder der Vereinigung: „Sie hat offenbar das Ziel, zu einer veränderten Vereinspolitik zu kommen. Florian Kohfeldt wird da zum Beispiel sehr kritisch gesehen.“ Hess-Grunewald griff im Interview auch Spekulationen auf, Wontorra plane eine Rückkehr in den Aufsichtsrat, dem der 72-Jährige schon mal von 1999 bis 2003 angehört hatte.
TV-Moderator Jörg Wontorra reagierte verwundert. „Ich bin kein Teil einer Gruppe. Ich weiß nicht, woher Hubertus das hat. Es gibt auch keine Zusammenrottung“, meinte Wontorra auf Nachfrage der DeichStube: „Wenn ein Termin für die Mitgliederversammlung feststeht und mich jemand fragen würde, ob ich im Aufsichtsrat sein möchte, dann könnte ich mir vielleicht Gedanken darüber machen – aber auch nur vielleicht.“
Werder Bremen: Machtkampf? Klaus-Dieter Fischer und Manfred Müller helfen „Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“
Rechtsanwalt Lars Figura (44), 2000 und 2001 Deutscher Meister über 400 Meter, kritisiert seit Jahren die Vereinsführung und ist dabei für seine langen Reden bei den Mitgliederversammlungen bekannt. Ihm wird nachgesagt, das Amt des Präsidenten bei Werder Bremen anzustreben.
Auch Klaus-Dieter Fischer und Manfred Müller sollten sich dieser „Gruppe besorgter Vereinsmitglieder“ anschließen, lehnten dies aber ab. „Das kam für uns nicht infrage“, berichtete Müller auf Nachfrage der DeichStube, bestätigte allerdings: „Sie haben uns um Hilfe bei Fragen zur Satzung gebeten – und da haben wir ihnen die entsprechenden Antworten geschickt. Weil wir das aber nicht heimlich machen wollten, haben wir diesen Brief auch an den Verein, die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat weitergeleitet.“
Werder Bremen: Vergrößerung des Aufsichtsrats? Weniger Macht für Marco Bode?
Schließlich geht es nicht gerade um Kleinigkeiten, sondern zum Beispiel um eine Vergrößerung des Aufsichtsrates von sechs auf neun Mitglieder. Damit würde nicht nur Platz für neue Gesichter geschaffen, sondern auch die Macht von Marco Bode beschnitten. Der Ex-Profi besitzt als Vorsitzender in der aktuellen Konstellation mit sechs Mitgliedern eine zweite Stimme, um Pattsituationen zu lösen. Noch größere Folgen hätte allerdings der zweite Vorschlag: Demnach soll der Verein nicht mehr einen der drei Geschäftsführer im ausgegliederten Profi-Sport – also der GmbH & Co. KG aA – stellen, sondern nur noch im Aufsichtsrat (als Vorsitzender plus zwei weitere Mitglieder) vertreten sein. Dadurch würde Hess-Grunewald seinen nicht gerade schlecht dotierten Hauptjob als Geschäftsführer verlieren. Für den hatte der 60-Jährige 2014 eigens seine Rechtsanwaltskanzlei aufgegeben. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates müsste er sich nach aktuellem Stand mit einer Aufwandsentschädigung begnügen.
Hubertus Hess-Grunewald nannte jedoch einen anderen Aspekt, warum er dies für keine gute Lösung hält: „Wir hatten den Mitgliedern bei der Ausgliederung versprochen, dass der Einfluss des Vereins auch im operativen Geschäft erhalten bleiben soll. Meine Aufgabe ist es, diese Balance zu erhalten.“ So wie es Fischer früher gemacht hat – Hess-Grunewalds Vorgänger. Was Fischers Hilfe für die Opposition sehr pikant macht. Die Beiden sind sich allerdings schon lange nicht mehr grün. Zum Spielball im Machtkampf beim SV Werder Bremen ist auch Frank Baumann geworden. Lemke hatte es als Affront gegenüber den Mitgliedern bezeichnet, dass der aktuelle Aufsichtsrat den im Sommer auslaufenden Vertrag mit dem Sportchef noch vor Weihnachten verlängern will.
Werder Bremen: Hubertus Hess-Grunewald mischt sich in Vertragsverhandlungen mit Frank Baumann ein
Eigentlich hätte sich das Kontrollgremium im November zur Wahl stellen müssen, die gibt es nun wegen Corona wohl erst im Frühjahr. „Ich erinnere an Ende Mai 2016, als der damalige Aufsichtsrat – mit Willi Lemke als Mitglied – Frank Baumann einen langjährigen Vertrag angeboten hat, obwohl auch da schon klar war, dass sechs Monate später ein neuer Aufsichtsrat gewählt wird. Damals habe ich diese Kritik nicht von ihm vernommen“, hielt Hess-Grunewald nun Lemke vor und mahnte hinsichtlich der Baumann-Zukunft: „Es wäre doch fatal, wenn auf dieser Position erst Ende Mai geklärt werden würde, wer ab 1. Juli die Geschäfte führt.“
Nach der Unterstützung für den Geschäftsführer-Kollegen mischte sich Hess-Grunewald überraschend noch in die Vertragsverhandlungen mit Baumann ein. Die führt eigentlich allein der Aufsichtsrat, der eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Sportchef anvisiert, während Kritiker maximal eine Verlängerung um ein Jahr für akzeptabel halten. „Aber natürlich kann man über die Laufzeit des Vertrages nachdenken, über die mit Frank Baumann gesprochen wird, um etwaige Bedenken auch noch zu berücksichtigen“, meinte Hess-Grunewald und dürfte dafür Beifall der Baumann-Kritiker bekommen. Vom Sportchef selbst eher nicht. Das passt irgendwie in die unruhigen Zeiten beim SV Werder Bremen. (kni)