Bremen – Ob die 13 für ihn eine Unglückszahl war, muss sich erst noch herausstellen. Nach 13 Bundesliga-Spielen in Folge für Werder Bremen hat sich Ömer Toprak am vergangenen Wochenende beim 4:1-Sieg gegen Hertha BSC verletzt. Diagnose: Schwere Stauchung des Sprunggelenks. Einmal mehr droht ihm eine Pause.
Sie käme zur absoluten Unzeit, denn Ömer Toprak hatte gerade auf ein Leistungslevel gefunden, dass seine Verpflichtung vor eineinhalb Jahren ohne Einschränkung rechtfertigt. Über seine Form, seine neue Torgefahr, das Spiel des SV Werder Bremen gegen Schalke 04 am Samstag, über Küsse auf die Glatze und die Eintönigkeit des Lebens unter Corona-Bedingungen spricht der Innenverteidiger im Interview mit der DeichStube.
Ihre Serie steht aktuell bei 13 absolvierten Bundesliga-Spielen in Folge – in Ihrer Werder-Zeit ist das ein Rekord. Wie fühlt sich das an?
Genauso, wie ich es in vielen Interviews gesagt habe: Je länger man spielt, umso besser fühlt man sich. Mit jeder Minute auf dem Platz oder im Training bekommt man wieder den Rhythmus. In der vergangenen Saison war das ja gar nicht möglich, ich war ja gefühlt ein Jahr lang raus. Dann habe ich mal zwei Spiele gemacht, dann war ich wieder verletzt, dann habe ich wieder zwei Spiele gemacht und so weiter. Da bekommt man ja keinen Rhythmus. Es braucht einfach Zeit, um wieder in diesen Takt zu kommen. Ich bin froh, dass es zuletzt so gut gelaufen ist.
Waren Sie mit Ihren Leistungen schon am oberen Level?
Das möchte ich jetzt gar nicht beurteilen. Das sollen wirklich andere machen. Für mich ist es einfach nur wichtig, dass wir als Mannschaft funktionieren.
Werder Bremen: Florian Kohfeldt attestiert Ömer Toprak einer der besten Verteidiger der Liga zu sein
Trainer Florian Kohfeldt hat es bewertet und Ihnen attestiert, in der zuletzt gezeigten Verfassung einer der besten Verteidiger der Liga zu sein. Hat er recht?
Ich bin schon lange in der Liga und weiß um meine Qualitäten. Ich weiß, was ich kann. Und nochmal: Je mehr Einsätze und Trainingseinheiten zusammenkommen, umso besser kann ich mich mit den Jungs einspielen. Das hilft dann nicht nur mir, sondern der ganzen Mannschaft.
Ich übersetze mal: Ja, der Trainer hat recht!
Wie soll ich das sagen, ohne dass man es falsch versteht? Ich bin nicht derjenige, der groß etwas rausposaunt. Ich bin so groß geworden: Ich arbeite, ich gebe Gas und ich schaue, dass ich dort hinkomme, wo ich hinkommen will. Das war schon mit 17 so und wird auch immer so sein, bis ich irgendwann sage: So, jetzt habe ich keine Lust mehr zu spielen.
Sie sind jetzt 31 Jahre, verraten Sie uns, wo Sie noch hinwollen, welche Ziele und Träume Sie als Fußballer noch haben?
Es gibt gewisse Ziele, aber die behalte ich für mich.
Jetzt ist die Neugierde erst recht geweckt.
Tut mir leid, aber das gebe ich nicht preis.
Werder Bremen: Ömer Toprak schießt gegen Hertha BSC das 2:0
Ich unterstelle mal, dass es einer Ihrer Träume war, endlich mal mehr als ein Tor pro Saison zu schießen. Seit dem Treffer in Berlin bleibt festzuhalten: Es ist nach zwölf Jahren und 251 Spielen in der Bundesliga endlich vollbracht. Es war ihr zweites Tor in der laufenden Spielzeit. Werden Sie noch zum Torjäger?
Moment, ich habe mal in einer Champions-League-Gruppenphase zwei Tore geschossen – das zählt auch. Gegen Manchester United und Real Sociedad San Sebastian war das.
Stimmt, in der Saison 13/14 für Bayer Leverkusen. Dennoch: In der Bundesliga ist es ein Novum. Was ist da passiert in den letzten Wochen?
Gegen Hertha war es einfach ein super Ablauf, ein super Ball – und getroffen habe ich ihn auch richtig gut. Da freut man sich natürlich. Umso mehr, weil es diesmal drei Punkte gab, beim Tor gegen Leverkusen (1:1, d. Red.) war es ja nur einer.
Apropos Leverkusen: In der vergangenen Saison ist Ihnen gegen Ihren Ex-Club ein Eigentor unterlaufen, diesmal haben Sie ins richtige Tor getroffen. Rechnung beglichen?
Wenn man so will, ja. Kurioserweise war es beide Male das gleiche Tor – damals zum Eigentor, jetzt für Werder.
Tore – ob ins richtige oder ins falsche Netz – scheinen bei Ihnen tief im Gedächtnis abgespeichert zu sein.
So viele waren es ja bislang nicht (lacht). Da ist das schon präsent. Ich bin Abwehrspieler, aber ein Tor zu schießen, ist auch für mich das Schönste am Fußball. Aber klar, meine Paradedisziplin ist es nicht. Ich erinnere mich jedoch, dass ich nach meinem Tor in Leverkusen erklärt habe, dass bei Werder auch wir Verteidiger treffen müssen – seither haben Felix Agu und Theo Gebre Selassie sowie ich erneut ein Tor geschossen – so kann es gerne weitergehen. Ich wehre mich jedenfalls nicht dagegen, dass es bei mir noch mehr als die zwei Tore werden.
Gegen Hertha haben Sie sich beim Torjubel hingekniet und von Leonardo Bittencourt und Marco Friedl Küsse auf die Glatze bekommen. Eine Wette?
Es war ein Gag. Leo hat mal gesagt, er würde meine Glatze küssen, wenn ich noch mal treffe. Da habe ich gesagt: ,Na, dann mach!‘
Die Abwehrspieler schießen nicht nur Tore, sondern verhindern auch recht erfolgreich, dass weiter so viele gegen Werder fallen wie in der Vergangenheit. Die defensive Stabilität ist eine neue Qualität. Wie erklären Sie diese Entwicklung?
Eigentlich kann man dazu nur immer wieder das Gleiche sagen: Es ist nicht damit getan, dass in einer Mannschaft, vier, fünf oder sechs Spieler verteidigen. Das kann nicht funktionieren. Alle müssen mitmachen – und im Moment zeichnet es uns aus, dass wir das als Mannschaft wirklich sehr gut umsetzen. Wir verdichten die Räume, wir gewinnen die Zweikämpfe, wir coachen uns gegenseitig und wir sind in einer gewissen Art ruhig beim Verteidigen, werden nicht hektisch, wenn die Angriffe kommen. Von vorne bis hinten ziehen alle mit, so muss das auch weitergehen. Nach dem 1:1 bei den Bayern habe ich gesagt, dass das in dem Spiel gezeigte Defensivverhalten die Benchmark für uns sein muss. Da müssen wir immer wieder hinkommen. Wenn wir so diszipliniert und konzentriert verteidigen wie in den letzten Wochen, dann wissen wir, dass es schwer ist, gegen uns ein Tor zu schießen.
Werder Bremen hat nach 18 Spielen 21 Punkte auf dem Konto
Nach 18 Spielen hat Werder 21 Punkte auf dem Konto, ist die Mannschaft auf dem sicheren Weg zum Klassenerhalt?
Ich kann es nur so sagen: Wir tun gut daran, uns nicht von irgendetwas ablenken zu lassen, sondern jedes Spiel für sich konzentriert anzugehen. Wir haben eine junge Mannschaft, in der ein paar Spieler stehen, die gerade ihre erste Bundesliga-Saison spielen, da können wir wirklich nicht nachlassen.
Das gilt umso mehr für die kommenden Partien. Am Samstag kommt Schlusslicht Schalke 04 nach Bremen, am Wochenende darauf geht es nach Bielefeld – ganz nüchtern betrachtet, sind diese Spiele in Summe eine große Chance, sich von der Abstiegsregion abzusetzen. Einverstanden?
Ich sehe vor allem erstmal ein sehr schwieriges Spiel gegen die Schalker auf uns zukommen. Sie haben in Kolasinac, Huntelaar und William neue Spieler dazu bekommen. Schalke steckt natürlich in einer schwierigen Situation, aber das macht sie auch so gefährlich. Die Mannschaft hat gegen Hoffenheim 4:0 gewonnen und hat auch gegen Bayern München (0:4, d. Red.) nicht schlecht ausgesehen. Nur daran denke ich, alles andere macht keinen Sinn.
Schalke ist mit sieben Punkten Letzter – was trauen Sie S04 noch zu?
Wir selbst hatten vergangene Saison doch eine ähnliche Situation, waren Vorletzter. Und auf einmal haben wir Spiele gewonnen. Oder nehmen wir als jüngstes Beispiel das Spiel Mainz gegen Leipzig: Wer hätte gedacht, dass Mainz gewinnt? Also: Wir sind am Samstag auf der Hut.
Bei Schalke ist ein Altbekannter zurück. Klaas-Jan Huntelaar soll dort mit 37 Jahren im Abstiegskampf helfen. Sie kennen ihn aus früheren Bundesliga-Duellen. Kann er Schalke zum Klassenerhalt führen?
Über die Qualität von Huntelaar müssen wir nicht sprechen. Der Mann weiß, wo das Tor steht, das verlernt man ja nicht. Und er hat für Ajax Amsterdam zuletzt auch noch regelmäßig getroffen. Deswegen ist er natürlich ein gefährlicher Stürmer.
Shootingstar der Schalker ist allerdings der erst 19 Jahre alte Matthew Hoppe. Mit fünf Toren in seinen ersten acht Bundesliga-Spielen ist er famos gestartet.
Er ist natürlich ein relativ unbeschriebenes Blatt. Von ihm müssen wir uns sicher noch ein paar Videos anschauen. Fünf Tore in der Bundesliga schießt man nicht mal eben so.
Bei Schalke ist es Hoppe, der frischen Wind reinbringt, bei Werder sind es Felix Agu, Romano Schmid und Manuel Mbom – alles Spieler Anfang der 20. Josh Sargent nicht zu vergessen. Sie sind mit 31 deutlich älter. Wie kommen Sie klar mit der neuen Generation?
Ganz gut. Die Jungs sind alle relativ entspannt. Klar, die Jüngeren verstehen sich untereinander besser, die haben die selben Interessen. Auch wenn ich noch nicht so weit davon weg bin (lacht). Seit Beginn der Vorbereitung war bei uns zu erkennen, dass die Teamchemie passt. Eine Mannschaft wird man dann aber erst mit den Spielen, mit Siegen und Niederlagen. Ich glaube, im Moment haben wir eine gute Truppe, die auch Spaß macht. Manchmal hören die jungen Spieler zwar Musik, die ich nicht kenne, und manchmal ist es mir auch zu laut, aber die Jungs sollen machen, was sie wollen, so lange sie auf dem Platz Gas geben.
Ömer Toprak: Milos Veljkovic macht bei Werder Bremen die Musik
Heißt: Die Jugend hat in der Kabine das Kommando?
Nein, das Sagen in der Kabine haben sie definitiv nicht. Nur wenn die älteren Spieler nicht da sind. Und unser DJ in der Kabine ist Milos Veljkovic, er macht bei uns die Musik. Aber wenn er fehlt, dürfen auch die Jüngeren mal ran.
Und wenn es Ihnen oder anderen „älteren“ Spielern zu laut ist?
Dann wird leiser gedreht.
In der Bundesliga sorgt der Fall Embolo gerade für hohe Wellen. Von einem Party-Besuch trotz Corona-Lockdown ist die Rede, von einer Flucht über ein Dach in die Badewanne einer Nachbarwohnung. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich kenne keine gesicherten Details, deshalb kann und möchte ich dazu auch nichts weiter sagen.
Durch Vorfälle wie diesen liegt die Lupe noch mehr auf allen Bundesliga-Profis. Wie kommen Sie damit klar? Mögen Sie sich in der Corona-Zeit überhaupt noch in der Öffentlichkeit zeigen?
Klar, ich muss ja auch mal zum Einkaufen in den Supermarkt. Aber das war es dann auch schon. Ich halte mich eben an alle Regeln und verbringe die meiste Zeit zu Hause. Entweder bin ich bei Werder oder zu Hause.
Zeitvertreib?
Ich lese mittlerweile mehr. Das letzte Buch war „Trillion Dollar Coach“ (die Story von Bill Campbell, dem Mann hinter den Erfolgsgeschichten des Silicon Valley. d. Red.). Ansonsten das Übliche – Filme, Serien, Spaziergänge.
Reicht das zur Psycho-Hygiene?
Das Gute ist, dass wir weiter Fußball spielen dürfen. Und dieses Privileg wissen wir zu schätzen. Natürlich ist es manchmal eintönig, nur zu Hause zu sein, aber das betrifft ja alle. Ich kann es nicht ändern.