Leipzig – Wenigstens die Farben der Umgebung betreffend ist alles wie zu Hause. Auf den Tribünen viel Grün, viel Weiß - und dennoch dürfte es dem SV Werder Bremen einigermaßen schwer fallen, sich im Leipziger Alfred-Kunze-Sportpark heimisch zu fühlen.
Denn das Stadion, das die Bremer zur Vorbereitung auf die Partie bei RB Leipzig für zwei Tage gemietet haben, strahlt einen eher brüchigen Charme aus. Das ist ein starker Kontrast zur Glitzerwelt Bundesliga, in der die Bremer normalerweise leben und weiter leben wollen. Es ist mit Bundesliga-Maßstäben gemessen trist, sehr trist.
Als die Bremer Spieler am Donnerstagnachmittag zur ersten Leipzig-Einheit das Stadion betraten, mussten sie durch ein Tor, das auch schon bessere Tage gesehen hat. Verbeulte Gitter, rostige Scharniere, der Lack angekratzt, alles noch funktionstüchtig, aber schon lange nicht mehr schön – wenn man so will, ist dieses Tor wie eine Zustandsbeschreibung des Fußballs, den Werder Bremen in den vergangenen Wochen allzu oft gespielt hat und der sie überhaupt erst in dieses historische, weil schon seit 100 Jahren bestehende Stadion im Leipziger Stadtteil Leutzsch getrieben hat.
Werder Bremen sieht bei RB Leipzig keine Schwächephase
Dort, wo sonst die BSG Chemie Leipzig in der Regionalliga um Punkte kämpft, will Trainer Florian Kohfeldt seiner Mannschaft Ideen und Verhaltensmuster einpflanzen, um den Abstiegskampf irgendwie zu bewältigen. Am Donnerstag fand die erste Einheit statt, am Freitag wird dort nochmal trainiert, am Samstag (15.30 Uhr) steht die Partie bei Herbstmeister und Titelanwärter RB Leipzig an.
Kohfeldt weiß, dass er im Alfred-Kunze-Sportpark schon irgendein Wundermittel finden muss, um gegen das von Julian Nagelsmann trainierte Team der „Bullen“ zu bestehen. Obwohl die Leipziger seit vier Pflichtspielen – inklusive des Pokal-Aus bei Eintracht Frankfurt – sieglos sind, sieht der Werder-Trainer beim Gegner keine Schwächephase. Das jüngste 0:0 im Spitzenspiel bei Bayern München hat ihn sogar schwer beeindruckt: „In der zweiten Halbzeit war Leipzig die deutlich bessere Mannschaft, das muss man in München erstmal schaffen. Durch das 0:0 sind sie jetzt mit den Köpfen so richtig drin im Meisterrennen und werden gegen uns hochkonzentriert sein.“
Werder Bremen: RB-Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann vorsichtig mit Prognose
Aber natürlich sieht Kohfeldt eine Chance für sein Team, das nach 21 Spieltagen Vorletzter ist und folglich als krasser Außenseiter in der Red-Bull-Arena antreten wird. „Aber es gibt in einzelnen Spielen immer Möglichkeiten. Es ist immer möglich zu gewinnen“, sagt er. Den bis dato letzten Beweis für diese These hatte sein Team vor zehn Tagen mit dem Sieg im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Borussia Dortmund (3:2) geliefert. Auch damals schien die Lage aussichtslos, Werder Bremen gewann trotzdem. Verlor anschließend aber daheim gegen Union Berlin.
Dieses Wechselspiel aus gut gegen die Guten und schlecht gegen die Schlechten hat auch Nagelsmann registriert und ist deshalb vor dem Duell am Samstag auffallend vorsichtig mit einer eigenen Prognose. „Gegen die Teams von oben hat Werder es eigentlich immer gut gelöst. Sie spielen auch jetzt keinen grottenschlechten Fußball. Die Ergebnisse passen nur nicht.“
Werder Bremen: RB-Leipzig-Spione werden wenig gesehen haben
Dass die Bremer nun nach Leipzig gekommen sind, um sich auf die Partie vorzubereiten, mag der RB-Coach nicht bewerten. „Aber ich schätze Flo als einen der fähigsten Trainer ein, die wir haben. Demnach wird er die Dinge richtig einschätzen können“, sagt er und rechnet mit Bremern, „die Vollgas geben“.
Sollte Julian Nagelsmann am Donnerstag seine Spione geschickt haben, um das knapp eine Stunde dauernde Werder-Training auszukundschaften, werden die ähnlich wenig gesehen haben wie die knapp 30 Bremer Fans. Alle mussten auf Abstand bleiben und aus der Ferne zuschauen, wie Werder Bremen im dämmrigen Februar-Grau sein Programm durchzog. Der Alfred-Kunze-Sportpark verfügt rund um den Platz zwar über jede Menge Dixi-Toiletten, aber nicht über ein Flutlicht. (csa/len)
Zur letzten Meldung vom 12. Februar 2020:
Werder Bremen bastelt in Leipzig an der Anleitung für den Abstiegskampf
Trainer Florian Kohfeldt will es Werder Bremen mit „klaren Handlungsmustern“ leichter machen. Im Kurz-Trainingslager in Leipzig gibt es die Anleitung für den Abstiegskampf.
Bremen – Der Zeitplan war ziemlich eng getaktet, und deshalb tat Florian Kohfeldt am Mittwoch etwas, das er normalerweise nicht tut: Er bat um ein baldiges Ende der Pressekonferenz. „Ich sitze gleich fünf Stunden im Bus und muss vorher noch etwas essen“, sagte der Trainer des SV Werder Bremen während der Medienrunde vor dem Auswärtsspiel bei RB Leipzig. 25 Minuten lang hatte er den Journalisten da bereits Rede und Antwort gestanden – drei Fragen noch, dann sollte doch bitte Schluss sein.
Werder Bremen im Krisen-Trainingslager
Ein verständlicher Wunsch, schließlich waren die großen Themen ohnehin schon abgearbeitet. Im Zentrum dabei: Werders Kurz-Trainingslager in Leipzig, in das die Mannschaft direkt nach der Pressekonferenz aufbrach. Deshalb auch Kohfeldts Bitte, nun allmählich zum Ende zu kommen. Seiner Stimme dürfte das darüber hinaus auch gutgetan haben, denn bis zum Spiel in Leipzig wird er vor allem eines tun: reden.
„Wir werden in verschiedenen Konstellationen sprechen“, kündigte Kohfeldt an, der mit seinen Spielern am Donnerstag und Freitag je eine Trainingseinheit auf dem Gelände von Viertligist BSG Chemie Leipzig plant und davor, dazwischen sowie danach vieles theoretisch festzurren möchte. So wird es in Werders Quartier, dem Fünf-Sterne-Haus Steigenberger Hotel, eine große Teamsitzung geben, dazu kleinere Runden mit sogenannten „Positionsgruppen“, in denen die einzelnen Mannschaftsteile auf ihre Aufgaben vorbereitet werden.
Werder Bremen: Klare Handlungsmuster für schwierige Situationen
Ein weiterer Aspekt sind die Einzelgespräche, die laut Kohfeldt sowohl er selbst als auch seine Co-Trainer sowie Sportchef Frank Baumann und Scouting-Chef Clemens Fritz führen werden. All das soll der Fokussierung auf das Leipzig-Spiel, aber auch auf die schweren Wochen danach, dienen. Kohfeldt: „Ich erhoffe mir vom Trainingslager einen Effekt, der nicht nur auf das eine Spiel abzielt.“ Im Gegenteil: Werder Bremen will sich, wenn man denn so möchte, neues Rüstzeug für die letzten 13 Spiele (Kohfeldt: „Das sind 13 Chancen“) holen. Das Zauberwort dabei lautet: Handlungsmuster.
Kohfeldt möchte seiner Mannschaft klare Anleitungen für verschiedene Spielsituationen an die Hand geben. „Das wird jetzt der Weg sein: Über Handlungen zu kommen, die vorher besprochen sind“, sagte er. In der vergangenen Saison sei Werder ganz ähnlich verfahren und habe damit ein Problem gelöst. „Wir hatten in der Hinrunde große Schwierigkeiten damit, aus der Pause zu kommen, und haben nach der Halbzeit zu viele Tore kassiert“, erinnerte Kohfeldt.
Werder Bremen: Noch 13 Chancen für den Klassenerhalt
„Ich habe die Spieler 100 Mal darauf hingewiesen, ich habe sie angeschrien in der Kabine und sie in der Pause nochmal extra Sprints machen lassen, aber es hat nichts gebracht. Die Lösungen waren klare Handlungsmuster.“ Konkret hieß das damals: Kohfeldt wies seine Spieler unter anderem an, „die ersten zwei Bälle immer lang zu spielen, damit wir ins Gegenpressing kommen.“
Ein klarer Auftrag, nicht misszuverstehen. Das kann im Zweifel vieles erleichtern, kann auf dem Platz für Orientierung sorgen und einer Verunsicherung entgegenwirken. „Ähnliche Ansätze versuchen wir auch jetzt“, sagte Florian Kohfeldt, der natürlich weiß, dass Werders aktuelles Problem – Tabellenplatz 17, erst 17 Punkte und nur noch die 13 Chancen vor der Brust – weitaus größer und bedrohlicher ist als zu viele Gegentore direkt nach der Pause.
Werder Bremen: Pläne gegen die Verunsicherung nach Rückschlägen
Erste Erfolgserlebnisse habe es aber auch jetzt schon gegeben, gar nicht lange her, Stichwort: Pokalspiel gegen Borussia Dortmund. „Da hatten wir genau besprochen, was wir machen, wenn das 1:2 fällt. Und es hat geklappt“, sagte Kohfeldt, der seinen Spielern (endlich) das Gefühl wiedergeben möchte, auch nach Rückschlägen weiterhin handlungsfähig zu sein, sich an einen Plan halten zu können, „damit keine Lethargie auf dem Platz aufkommt.“
Werder Bremen war genau das in dieser Saison wieder und wieder passiert, zuletzt beim 0:2 gegen Union Berlin. Gegentor, Verunsicherung, Niederlage – in der Spielzeit 2019/2020 ist das die Blaupause für viele Bremer Niederlagen. Kohfeldts Hoffnung: In Leipzig soll es endlich besser werden. (dco)
Zur letzten Meldung vom 11. Februar 2020:
Werder Bremen reist ins Kurz-Trainingslager: „Alles dafür tun, um die Mannschaft optimal vorzubereiten“
Bremen - Der SV Werder Bremen reagiert auf die anhaltende Krise in der Bundesliga und wird vor dem Auswärtsspiel bei RB Leipzig (Samstag, 15.30 Uhr) ein Kurz-Trainingslager absolvieren. Wie berichtet, hatte der Verein in den vergangenen Tagen intensiv über diesen Schritt nachgedacht.
Die Mannschaft von Trainer Florian Kohfeldt macht sich bereits am Mittwochnachmittag mit dem Bus auf den Weg nach Leipzig. Vor Ort wird Werder Bremen bis zum Spiel am Wochenende zwei nicht-öffentliche Trainingseinheiten absolvieren. Wo genau der Werder-Tross sein Camp aufschlägt, gab der Verein nicht bekannt.
„Wir werden alles dafür tun, um die Mannschaft optimal vorzubereiten und eine sehr enge Hinführung zum Spiel zu gewährleisten“, wird Trainer Florian Kohfeldt in einer Mitteilung des Vereins zitiert.
Zur letzten Meldung vom 10. Februar 2020
Neue Wege zum Erfolg? Werder Bremen plant ein Anti-Krisen-Camp vor dem Leipzig-Spiel
Bremen – Am Samstag, im Moment der Wut und Enttäuschung, hörte sich manches nach ordentlich Rabatz beim SV Werder Bremen an. Sportchef Frank Baumann kündigte nach der 0:2-Heimpleite an, dass man die Spieler nun „schärfer anpacken“ und „öffentlich anzählen“ würde.
Im ehemals paradiesisch ruhigen grün-weißen Reich bahnte sich also Krach an. Doch dieser Krach wird dann doch von der Öffentlichkeit ferngehalten und soll nicht nach außen dringen. „Manche Maßnahmen wird man sehen, manche nicht. Und manches wird auch für die Spieler spürbar sein“, meint Baumann. Eine für alle erkennbare Handlung wäre diese: Um sich auf das kommende Auswärtsspiel bei Herbstmeister RB Leipzig vorzubereiten, wird der SV Werder Bremen sehr wahrscheinlich die Hansestadt verlassen und ein kurzes, aber mehrtägiges Trainingslager beziehen.
Werder Bremen: Vermutlich geht es am Mittwoch ins Kurz-Trainingslager
Wo und wann genau dieses Anti-Krisen-Camp stattfinden wird, ist noch nicht klar und soll erst am Dienstag mit der Mannschaft besprochen werden. Vermutlich geht es aber am Mittwoch nach dem Training in Bremen los – Zielort: irgendwo, wo es Sinn macht und Leipzig nicht unendlich weit weg ist.
Dort wird es aber nicht darum gehen, die Spieler zwei Tage lang abzustrafen, „sondern um unsere Leistung zu verbessern“, sagt Frank Baumann: „Wir wollen nicht nur draufhauen, wir müssen einen Mittelweg finden und auch wieder Zuversicht aufbauen. Wir brauchen eine gewisse Härte, aber eben auch inhaltliche Arbeit und Optimismus.“ Mit der Zuversicht ist es nämlich so eine Sache. Bei den Fans schwindet sie immer mehr, angesichts der Situation mit nur drei Punkten aus den vergangenen acht Spielen und Tabellenplatz 17 ist das leicht nachvollziehbar. Und wieso sollten Spieler das anders empfinden als Außenstehende?
Werder Bremen: Profis nicht professionell genug
Um dieses Gefühl zu drehen, brauche es jetzt die Mischung aus Härte und Zuspruch, von der Baumann redet. Um die Spieler damit zu behandeln, müsste freilich niemand Bremen verlassen. Um jedoch den Fokus voll und ganz auf das Spiel zu richten, offenbar schon. Denn die eigentliche Aussage, die hinter einem Kurztrainingslager steckt, ist doch die, dass die Profis nicht professionell genug sind. Dass sie sich nicht ausreichend mit der Situation beschäftigen, in der sie stecken. Dass sie sich ablenken lassen von der Familie, von Freunden, von den Dingen des Alltags. Coach Florian Kohfeldt hatte nach der Pleite gegen Union bereits angedeutet, dass er bei seinem Personal eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Spielweise des Gegners vermutete.
Was ein Armutszeugnis wäre. Oder besser ohne Konjunktiv: Es ist eines. Dass Werder das Kurztrainingslager plant, zeigt, wie groß die Defizite im Team sind. Baumann sagt es so: „Wir können nicht alles so weiterlaufen lassen. Wir müssen auf die Situation reagieren.“
Werder Bremen purzelt von Rang 16 auf Platz 17
Dass diese dramatisch ist, hatte der Sportchef schon erklärt, bevor Werder Bremen von Rang 16 auf Platz 17 gepurzelt ist. So gesehen ist sie jetzt noch dramatischer geworden. Zumal die als so wertvoll und Energie bringend eingestufte Wirkung des 3:2-Pokalcoups über Borussia Dortmund einfach so verpuffte. Statt den Schwung zu nutzen, setzte es sogar den schlimmsten vorstellbaren Rückschlag. Alles, was sich Gutes in die Pokal-Überraschung hineininterpretieren ließ, haben die Bremer weggeworfen. Und dazu ein weiteres Stück ihres Glaubens verloren, dass es in dieser Saison nochmal besser wird.
Ob zwei, drei Tage Abschottung daran etwas ändern können? „Natürlich gibt es keine Garantie, dass in einem Kurztrainingslager alles besser wird“, räumt auch Baumann ein. Aber irgendwas müssen sie ja tun bei Werder Bremen. Alles andere hat bislang ja nichts gebracht. (csa)