Trainer Florian Kohfeldt nach Werder Bremens Transfer-Enttäuschung: Appell statt Abrechnung

Pudelnass, aber trotzdem voller Feuer – und das nicht nur am Spielfeldrand. Florian Kohfeldt hat sich schwer ins Zeug geworfen, um den Kurs des SV Werder Bremen zu erklären.
 ©gumzmedia

Bremen – Das Bild war im Vorfeld oft bemüht worden, es passte ja auch einfach zu gut: Der letzte Tag der Transferperiode, der sogenannte „Deadline Day“, und der 38. Geburtstag von Werder Bremens Trainer Florian Kohfeldt fielen in diesem Herbst auf den gleichen Tag.

„Eine gute Gelegenheit für Geschenke“, hatte Kohfeldt einige Wochen zuvor noch gescherzt – freilich in Anspielung auf mögliche Neuzugänge, die ihm Frank Baumann am 5. Oktober gerne auf den Gabentisch stellen könne. Nun ja, der Sportchef tat es nicht, wie inzwischen hinlänglich bekannt ist. Zwar trennte sich Werder Bremen von Vize-Kapitän und Leistungsträger Davy Klaassen, holte dafür aber keinen Ersatz, was manch anderen Trainer wohl erzürnt hätte. Nicht so Florian Kohfeldt. Nach dem 4:1-Testspielsieg gegen den FC St. Pauli verteidigte der Coach am Mittwochabend vehement die Transferpolitik seines Clubs, erklärte, warum es für Werder gar keine Alternative zum eingeschlagenen Weg gebe – und richtete zudem einen flammenden Appell an Fans, Ehemalige und Umfeld des Vereins.

Ein paar Sätze zum Sportlichen, zum Auftritt seines Teams gegen St. Pauli, dann kam Kohfeldt auf der Anlage „Platz 11“ auch schon auf Wesentliches zu sprechen. „Man muss die letzte Transferperiode und dieses ganze Thema ganzheitlicher sehen“, setzte der Trainer des SV Werder Bremen an und hielt dann einen gut sechsminütigen Monolog vor den anwesenden Medienvertretern. „Bei all dem, was in der letzten Saison zurecht kritisiert wurde, waren wir nach der Corona-Pause, als die Mannschaft fast vollständig war, in der Tabelle der letzten zehn Spiele Neunter mit einem sehr ordentlichen Punkteschnitt“, erinnerte Florian Kohfeldt – und hielt fest: „Wir waren eine sehr stabile Bundesliga-Mannschaft.“

Florian Kohfeldt: Werder Bremen hat „Transferziele aus sportlicher Sicht nicht erreicht“

Allerdings auch eine, daraus machte der Coach keinen Hehl, die während des folgenden Sommers reichlich an sportlicher Qualität einbüßen sollte. „Das darf man nicht wegdiskutieren“, sagte Florian Kohfeldt und nannte allen voran Klaassen, aber auch stellvertretend die Namen Kevin Vogt, Philipp Bargfrede, Sebastian Langkamp und Fin Bartels, um den Verlust an „gestandener Bundesliga-Qualität“ zu veranschaulichen. „Unser sportliches Ziel vor der Transferperiode war es deshalb, in einen Kader, in dem Davy Klaassen fest eingeplant war, noch einen Sechser dazuzuholen“, erklärte Kohfeldt, „das haben wir nicht geschafft“. Ergebnis: „Man muss klar sagen, dass wir unsere Transferziele aus sportlicher Sicht nicht erreicht haben.“ An diesem Punkt war die heikle Stelle von Kohfeldts Rede erreicht, das bisher Gesagte hätte nämlich auch die Einleitung für eine Art Abrechnung sein können. War es aber nicht. Ganz im Gegenteil.

„Ich möchte niemandem einen Vorwurf machen, insbesondere nicht der sportlichen Leitung – weder Frank Baumann noch unseren Scouts. Wir waren vorbereitet, sportlich handlungsfähig und wussten, was wir tun wollten“, betonte Kohfeldt. Der Verzicht auf die Verpflichtung eines Klaassen-Nachfolgers sei „schlichtweg eine wirtschaftliche Entscheidung von Werder Bremen“ gewesen: „Das muss verstanden werden.“

Werder Bremen: Transfers bleiben in „hochdramatischer finanzieller Lage“ aus - Florian Kohfeldt will nicht klagen

Mit mindestens 30 Millionen Euro Minus plant der Verein wegen der Corona-Krise für die vergangene und die laufende Saison. „Man muss einfach verstehen, dass Werder Bremen in einer hochdramatischen finanziellen Lage ist“, forderte Kohfeldt, der nun mit dem arbeiten muss, was er zur Verfügung hat – und das mit vollem Einsatz zu tun verspricht. „Ich gehe diesen Weg mit totaler Begeisterung mit, man wird mich nicht klagen hören. Weil wir alle, die wir hier sind, immer unter dem Prinzip handeln, das Beste für Werder zu tun. Und in diesem Jahr ist dieser Weg das Beste für Werder.“

Ein Weg der Sparsamkeit, der zwingend erforderlichen Konsolidierung, der allerdings sportlich äußerst heikel ist. Das weiß auch Kohfeldt. „Wir haben jetzt eine Mannschaft, die natürlich noch gestandene Spieler hat wie zum Beispiel Füllkrug, Toprak, Eggestein und Augustinsson, die aber mit Sicherheit gerade im Mittelfeld nicht mehr diese Balance aufweist“, sagte der Coach. „Dass wir in diesem Bereich ein erhöhtes sportliches Risiko eingehen, ist unstrittig, aber wir müssen diesen Verein konsolidieren.“

Werder Bremen: Trainer Florian Kohfeldt mit Appell an die Öffentlichkeit

Seine Art des Fußballs will Florian Kohfeldt dabei nicht verändern. Den Weg, der zum erhofften Spiel führen soll, allerdings schon. „Wir haben vor drei Jahren, als wir Spieler wie Delaney, Kruse und Junuzovic im Kader hatten, unseren zielgerichteten, dominanten Ballbesitzfußball über den spielerischen Ansatz gewählt und das andere nach und nach dazugepackt. Dieses Jahr müssen wir den Weg andersrum gehen.“ Heißt, frei übersetzt: Kämpfen, brennen und rennen und darüber zum kohfeldtschen Fußball finden. „Dafür werden wir etwas Geduld brauchen, auch Begeisterung und Energie“, sagt der Coach. Das Saisonziel auf „Klassenerhalt“ runterkorrigieren, wollte er indes nicht. Dennoch zielte folgender Satz klar in diese Richtung: „Wenn wir am Ende der Saison in der Bundesliga sind und uns wirtschaftlich konsolidiert haben, haben wir alle zusammen einen Riesenjob gemacht.“

Damit das gelingt, damit das Umfeld ruhig und dem SV Werder Bremen trotz möglicher sportlicher Durststrecken wohlgesonnen bleibt, schickte Kohfeldt am Mittwochabend einen Appell in die Welt: „Ich baue auf die Unterstützung unseres speziellen Umfelds, auch derer, die hier mal in verantwortlicher Position waren. Wir müssen alle begreifen, in welcher Lage Werder Bremen ist“, forderte der Trainer. „Und wir müssen jetzt kämpfen, wir alle zusammen. Dann werden wir uns in die richtige Richtung entwickeln.“ (dco/csa)

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