Ex-Chef Willi Lemke befürchtet Werder-Kollaps: „Ohne einen starken Partner geht es nicht mehr lange gut“

Willi Lemke, Ex-Manager des SV Werder Bremen, befürchtet, dass bei den Grün-Weißen die Lichter ausgehen könnten.
 ©gumzmedia

Bremen – Früher feuerte Willi Lemke vor Spielen gegen den FC Bayern gegen die Münchner, doch jetzt nimmt der ehemalige Manager und Aufsichtsratsvorsitzende des SV Werder Bremen den eigenen Club ins Visier. Lemke (74) wirft der Vereinsführung schlechtes wirtschaftliches Handeln vor, erwartet den Abschluss mit einem Investor – ohne werde es „bei Werder nicht mehr lange gutgehen“ – und kritisiert den Aufsichtsrat dafür, vor der ins Frühjahr verschobenen Mitgliederversammlung den Vertrag mit Sportchef Frank Baumann verlängern zu wollen. 

Darin sieht Willi Lemke „einen Affront“ gegenüber den Vereinsmitgliedern, aber auch gegenüber dem neu zu wählenden Aufsichtsrat. Im Interview mit der DeichStube verrät er überdies, dass sich hinter den Kulissen ein Kampf um die Plätze im obersten Kontrollgremium des SV Werder Bremen entwickelt.

Herr Lemke, der SV Werder hat die letzten 22 Pflichtspiele gegen den FC Bayern allesamt verloren. Was sagt das über die Bremer Erfolgsaussichten am Samstag?

Das ist mir egal, selbst wenn wir als krasser Außenseiter anreisen, auch hier gilt: Jede noch so schlimme Serie reißt irgendwann.

Machen Ihnen solche Duelle zwischen den reichen Bayern und den finanziell ums Überleben kämpfenden Bremern überhaupt noch Spaß?

Ehrlich gesagt: Nein! Und das geht nicht nur mir so. Aber soll man den Bayern einen Vorwurf machen, dass sie so erfolgreich sind? Die anderen Vereine müssen sich auch mal hinterfragen, was in den letzten Jahren falsch gelaufen ist. Sie haben sich bei der Verteilung der Fernsehgelder von den Bayern an die Wand drücken lassen. Natürlich haben alle mehr Fernseh-Geld bekommen, aber keiner so viel mehr wie die Bayern.

Ex-Manager Willi Lemke befürchtet finanziellen Kollaps beim SV Werder Bremen

Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge hat vor einer Woche einen großen Teil der Bundesligisten und den Hamburger SV als einzigen Zweitligisten eingeladen, um über die Zukunft des Fußballs zu diskutieren – vor allem über die finanzielle. Dabei wurden einige Clubs, die sich zuvor mit eigenen Ideen gegen die Ziele des FC Bayern gewandt hatten, ausgesperrt. Typisch Rummenigge oder nachvollziehbar?

Die Teilnahme unserer GmbH & Co. KG a.A., wenn man so will „der Profi-Abteilung“ des SV Werder, an dieser Versammlung steht für mich im klaren Widerspruch zu den Werten unseres Vereins. Der Ausschluss von Clubs, die anders denken, ist für mich zutiefst unsolidarisch und undemokratisch. Ich verstehe seit Jahren nicht, warum sich die Mehrheit der Vereine von den großen Clubs vorführen lässt, dabei hätte sie doch viel mehr Stimmen in den Gremien.

Wie sehr fürchten Sie einen finanziellen Kollaps des SV Werder, der nun zum ersten Mal im großen Stil Schulden gemacht hat und auf einen KfW-Kredit hofft?

Die Gefahr war nie größer als heute.

Sind allein die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie für die schwierige Situation verantwortlich?

Nein. Die Corona-Pandemie hat in einer ohnehin schwierigen Situation zu weiteren erheblichen Rückgängen auf der Einnahmenseite geführt. Werder plant aber schon seit Jahren mit feststehenden Ausgaben und mit erhofften Einnahmen in gleicher Höhe. Das wäre auch ohne Corona in der letzten Saison nicht aufgegangen. Uns fehlen nicht nur 30 Millionen Euro wegen der Pandemie, wie es Klaus Filbry (Vorsitzender der Geschäftsführung, Anm. d. Red.) gesagt hat, sondern auch weitere etliche Millionen, weil wir durch Kaufverpflichtungen quasi schon Geld ausgegeben haben, das wir noch gar nicht eingenommen hatten.

Sie meinen die Transfers von Ömer Toprak und Leonardo Bittencourt im Sommer 2019, bei denen die Ablösesumme erst ein Jahr später fällig wurde.

Ja, und dann ist da als großer Posten auch noch die Verpflichtung von Davie Selke im vergangenen Januar. Da hieß es: Wir brauchen ihn sofort, können ihn aber erst im Juni 2021 bezahlen. Was eine weitere Belastung für uns ist.

Wurde da zu viel gezockt?

Den Begriff würde ich nicht verwenden. Aber man ist in ein sehr großes Risiko gegangen. An so etwas kann ich mich bei Werder nicht zurückerinnern – und das sind immerhin 40 Jahre.

Sie waren selbst jahrelang Mitglied in Werders Aufsichtsrat und dabei auch Vorsitzender - hätten Sie so ein Risiko geduldet?

Auf keinen Fall. Deshalb haben wir damals auch den einen oder anderen Transfer abgelehnt.

So wie 2014, als der damalige Sportchef Thomas Eichin Costa Ricas WM-Star Bryan Ruiz verpflichten wollte.

Zunächst ist es die Aufgabe der Geschäftsführung abzuwägen, ob ein derartiges wirtschaftliches Risiko eingegangen werden soll oder nicht. Bei besonderen Risiken ist der Aufsichtsrat zu informieren oder um Zustimmung zu fragen. Früher galt – auf dem Platz und daneben – die Devise: Kontrollierte Offensive; keine unnötigen Risiken.

Ex-Manager Willi Lemke fordert: Werder Bremen braucht einen Investor

Wie kann Werder nun finanziell gerettet werden?

Erstmal durch eine Rückbesinnung auf Tugenden, die uns in der Vergangenheit stark gemacht haben. Damit meine ich eine konsequente Ausgabenpolitik. Es gibt jede Menge Einsparpotenzial. Wenn ich im Profi-Bereich der GmbH & Co KG a.A. nur an die unendliche Anzahl an Scouts, Trainern, Betreuern und wer sonst noch alles denke. Das gilt auch für die Spieler. Auf wie viel Geld verzichten sie nun? Wen oder was können wir uns noch erlauben?

Sie waren auch Werder-Manager: Sind Ihre Nachfolger in der Geschäftsführung in dieser finanziell so schwierigen Situation kreativ genug?

Sie werden sicher verstehen, dass ich nicht öffentlich die Arbeit meiner Nachfolger bewerten werde. Mit der Bewertung dieser Frage ist im Übrigen satzungsgemäß der Aufsichtsrat betraut.

Warum findet Werder keinen Investor oder strategischen Partner?

Das müssen Sie die Verantwortlichen in der Geschäftsführung fragen – oder mögliche Investoren. Die Investoren werden ihre Gründe haben. Ich bin angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Überzeugung: Ohne einen starken Partner, wie es adidas oder die Allianz beim FC Bayern sind, wird es bei Werder nicht mehr lange gutgehen. Das muss mit größter Kraft vorangetrieben werden. Keinesfalls darf Werder dabei aber zum Spielball von Spekulanten werden.

Durch die coronabedingte Absage der Mitgliederversammlung am vergangenen Montag musste auch die Wahl des Aufsichtsrates ins kommende Frühjahr verschoben werden. Wie sehr beeinflusst das die Zukunft des SV Werder?

Langfristig nicht. Kurzfristig stellt sich aber schon die Frage, wie der Aufsichtsrat mit der Personalie Geschäftsführer Sport umgeht. Das ist mittelfristig von enormer wirtschaftlicher Tragweite.

Ex-Manager Willi Lemke im Interview: Ist Frank Baumann noch der richtige Sportchef für den SV Werder Bremen?

Geschäftsführer Sport ist Frank Baumann – und der aktuelle Aufsichtsrat hat nun angekündigt, den im Sommer auslaufenden Vertrag mit ihm möglichst noch vor Weihnachten verlängert haben zu wollen. Ein guter Plan?

Eine Vertragsverlängerung würde meiner Meinung nach zum falschen Zeitpunkt kommen. Als Aufsichtsratsvorsitzender hätte ich erhebliche Zweifel, ob der aktuelle Aufsichtsrat nach der Verschiebung der Versammlung überhaupt ermächtigt ist oder sich überhaupt ermächtigt fühlen darf, eine wirtschaftlich so weitreichende Entscheidung zu treffen.

Aber darf denn eine so wichtige Person im Club wie Frank Baumann so lange hingehalten werden?

Ich glaube nicht, dass es ein Problem wäre, darüber vernünftig mit Frank zu sprechen. Der neue Aufsichtsrat, vielleicht ist er ja auch identisch besetzt, würde dieses Thema doch sofort angehen. Es jetzt schon zu machen, wäre nicht nur ein Affront gegen den neuen Aufsichtsrat, sondern auch gegen die Mitgliederversammlung.

Angeblich wollen sich nicht nur die aktuellen Aufsichtsratsmitglieder zur Wahl stellen, sondern auch andere Kandidaten. Es ist von einer Opposition die Rede. Gibt es einen Machtkampf bei Werder?

Erstmal muss man festhalten: Das Präsidium des Vereins hat sich satzungsgemäß schon auf zwei Aufsichtsratsmitglieder verständigt. Soweit ich das erfahren habe, werden das Axel Plaat und Marco Fuchs bleiben. Die vier weiteren werden von der Mitgliedversammlung gewählt. Marco Bode, Kurt Zech, Thomas Krohne und Andreas Hoetzel wollen, so wird berichtet, weitermachen. Aber es gibt in diesem Jahr viel mehr Bewerber als in der Vergangenheit. Und die Vereinsmitglieder haben dann bei der Versammlung, die hoffentlich im Frühjahr stattfinden kann, die demokratische Möglichkeit, für Veränderungen zu sorgen. Das würde ich nicht als Machtkampf bezeichnen. Es geht ausschließlich um eine erfolgreiche Zukunft des SV Werder. Und in dieser Frage erwarten viele, die dem Verein zum Teil seit Jahrzenten verbunden sind, einen offenen, fairen und transparenten Dialog.

Wahlen zum Aufsichtsrat hatten bei Werder in der Vergangenheit allerdings wenig mit Demokratie zu tun, weil es meistens nur so viele Kandidaten wie Posten gab, zeitweise wurde sogar en bloc gewählt.

Das dürfte diesmal anders sein. Wir haben so viele Bewerber wie noch nie in den etwas über 20 Jahren des Aufsichtsrates. Das sind Werder-Mitglieder aus ganz Deutschland, zum großen Teil hochqualifizierte Personen. Mit denen hat sich der rührige Wahlausschuss seit Wochen umfassend beschäftigt. Ich gehe davon aus, dass es diesmal mehr Kandidaten als Posten geben wird.

Welche Rolle spielen Sie dabei?

Ich bin lediglich ein stimmberechtigtes Vereinsmitglied. Und um das klarzustellen: Ich strebe kein Amt an, bin aber in größter Sorge um unseren stolzen Verein.

Aber Sie führen Gespräche.

Ja klar, warum auch nicht? Was meinen Sie, was nach Werder-Spielen in Bremen los ist? Da wird viel telefoniert – gerade in diesen schwierigen Zeiten. Ich diskutiere mit vielen Leuten. Und da gibt es viele, die noch ganz anders denken als ich, die sind nahezu verzweifelt, weil sie den sportlichen und wirtschaftlichen Zusammenbruch unseres Traditionsvereins befürchten.

Kein „Weiter so“ bei Werder Bremen: Gibt es eine Opposition, die die Führung stürzen will?

Im Juni, als der Abstieg drohte, wurde Ihnen nachgesagt, Sie hätten im Hintergrund eine Opposition aufgebaut, um die aktuelle Führung zu stürzen. Wie war es wirklich?

Das ist Quatsch. Diese Frage wurde offenbar auch vom Wahlausschuss einigen Kandidaten für den Aufsichtsrat gestellt. Eine Opposition lässt sich aktuell doch überhaupt nicht personifizieren. Aber wer mit offenen Ohren durch die Stadt geht, der hört den Wunsch nach Veränderung in der Führung. Die Leute wollen kein „Weiter so“ bei Werder haben. Deshalb besteht nun die Möglichkeit zur Veränderung. Das ist ein demokratischer Prozess wie in vielen anderen Vereinen auch.

Welche Visionen darf oder muss ein Verein wie der SV Werder haben?

Die Werte, die Werder für den Verein proklamiert und in der Satzung niedergeschrieben hat, trage ich mit und lebe ich auch. Die Frage muss lauten: Welche wirtschaftliche Vision hat die Beteiligung des Vereins an der GmbH und Co KG a.A.? Auf diese Frage muss in erster Linie die Geschäftsführung Antworten finden. Die ist sie aber – zumindest öffentlich – bislang schuldig geblieben.

Ihr Tipp für das Werder-Spiel am Samstag in München?

Wir holen nach großem Kampf und mit viel Glück ein 1:1.

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