Lagerfeld-Vertrauter im Interview: Sonnenbrille war nur Schutzhülle

Ikone der Designer- und Modewelt: Der kreative Kopf des Lables Chanel, Karl Lagerfeld, ist tot. Auf dem Archivbild sieht man Lagerfeld im Februar 2015 auf der Vernissage, die für seinen Katzen-Kalender organisiert wurde.
 ©Jens Kalaene/dpa

Der Göttinger Kunstbuch-Verleger Gerhard Steidl (68) hat 200 Bücher mit Karl Lagerfeld gemacht. Im Interview erzählt der Verleger, wie der Designer wirklich war.

Göttingen - Seit dem Jahr 1993 arbeitete der Göttinger mit dem Weltstar der Modeszene zusammen. Karl Lagerfeld und Gerhard Steidl gründeten sogar einen gemeinsamen Verlag - das war im Jahr 2000. Im HNA*-Interview verrät Steidl, wie die Zusammenarbeit mit Lagerfeld lief und warum er sich mit Sonnenbrille und hohem Kragen schütze.

Herr Steidl, Sie sind seit 29 Jahren der Verleger von Karl Lagerfeld. Kam die Nachricht von seinem Tod überraschend für Sie?

Gerhard Steidl: Ja. Wir haben in den letzten Tagen noch an der Werbung für eine Fendi-Modenschau in Mailand gearbeitet. Er war seit etwa einem Monat etwas gehandicapt, etwas langsamer – aber sonst wie immer.

Wie haben Sie Karl Lagerfeld kennengelernt?

Steidl: Übers Büchermachen. Ich fand seine Fotografien toll. Ich hatte eine Ausstellung seiner Fotos in Paris gesehen und ihm einen Brief geschrieben, ob er nicht mit mir ein Buch machen möchte. Da kam eine freundliche, aber skeptische Antwort, also habe ich ihm angeboten, dass er mir Fotos schickt und ich einen Probedruck anfertige. Das hat er gemacht. Nachdem er den Probedruck gesehen hatte, kam ein begeisterter Brief – damals war das alles ja noch handgeschrieben, auf Papier. „Wir beide passen zusammen“, schrieb er.

Sie haben gut 200 Bücher mit Lagerfeld gemacht, Sie waren oft bei ihm in Paris. Wie war er in der Zusammenarbeit? War er kapriziös?

Steidl: Nein. Berühmte Menschen legen sich oft eine Schutzhülle zu, bei ihm waren das die Sonnenbrille und der hohe Kragen. Dahinter zog er sich in der Öffentlichkeit zurück.

Im Alltag war er freundlich und zuvorkommend. Und in der Arbeit war er überaus präzise. Er war immer bereit, eine Lösung zu finden, und er war anspruchsvoll, was selten geworden ist. Es ging ihm nicht darum, einfach nur ein Produkt auf den Markt zu bringen, sondern er hat bis zur Erschöpfung darum gerungen, seine Ideen zu verfeinern. Man konnte von ihm lernen, dass Spitzenqualität harte Arbeit ist.

An welches Erlebnis erinnern Sie sich sofort, wenn Sie an Lagerfeld denken?

Steidl: Als er 1993 in Hamburg das Parfum „Jacko“ vorstellte, bin ich zur Premiere gefahren, weil wir aus einer Fotoserie dazu ein Buch gemacht hatten. Für mich war eine Parfumpremiere neu und spannend. Ich habe an dem Duft geschnuppert und plötzlich gedacht: Das Buch riecht so technisch nach Farbe. Ich bin dann zu ihm gegangen und habe gesagt, wir können das Buch hier nicht verteilen, das riecht nicht gut genug. Da hat Lagerfeld mir geantwortet: „Keine Sorge, Gerhard, ein frisch gedrucktes Buch, das nach Farbe riecht, das ist der schönste Duft der Welt.“

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Wer ist Gerhard Steidl?

Gerhard Steidl wurde am 22. November 1950 im niedersächsischen Göttingen geboren. Dort wuchs er auch auf. Er gründete im Jahr 1968 seinen Steidl-Verlag. Für den berühmten documenta-Künstler Joseph Beuys stellte Steidl beispielsweise jahrelang Druckgrafiken her.

Von Tatjana Coerschulte

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