Funktioniert das Modell Aldi noch? Der einst so erfolgreiche Discounter hat Schwierigkeiten, mit seiner Konkurrenz mitzuhalten.
- Aldi verändert teilweise seine Filialen
- Kunden setzen mehr auf Nachhaltigkeit als auf günstige Produkte
- Experten kritisieren neues Konzept
Essen - Billiger zu sein als die herkömmlichen Supermärkte, galt als das jahrelange Geheimrezept von Aldi, Erfinder des Discounter-Modells, aber „in den letzten Jahren ist deutlich geworden, das Konzept zieht nicht mehr“, sagte der Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts EHI, Michael Gerling. Das Problem: Die Kunden sind anspruchsvoller geworden. Nach dem Zweiten Weltkrieg stiegen der am 20. Februar 1920 in Essen geborene Karl Albrecht und sein Bruder Theo* in das elterliche Lebensmittelgeschäft ein und gründeten gemeinsam den Lebensmittel-Discounter Aldi* (Albrecht Diskont), der es mit Leichtigkeit schaffte, den großen Supermärkten das Wasser zu reichen.
Aldi: Preise waren der große Erfolgsfaktor
Wohlfühlatmosphäre, Markenprodukte und ansprechend präsentierte Produkte suchten Kunden vergeblich. Stattdessen gab es kaltes Neonlicht und Lebensmittel, die in Kartons auf Paletten gestapelt bei Aldi* verkauft wurden. Aber genau das war der Erfolgsfaktor. Unschlagbar günstige Produkte machten den Discounter weltberühmt und konkurrenzfähig.
Veränderungen bei Aldi - Experten mit Kritik
Doch die Gesellschaft hat sich in den vergangenen 50 Jahren verändert. Der Verbraucher ist längst ab von Hauptsache billig. In Zeiten des Klimawandels und Greta Thunberg spielen Nachhaltigkeit, Plastikvermeidung und Bio eine immer wichtigere Rolle. Verbraucher verlangen inzwischen „neben akzeptablen Preisen auch eine angenehme Einkaufsatmosphäre und ein attraktives Angebot an ökologisch nachhaltigen Produkten“, wie der GfK-Handelsexperte Robert Kecskes erklärt. Außerdem möchten es die Kunden möglichst bequem haben und aller Erledigungen an einem Ort machen können.
Aldi: So verändern sich die Filialen des Discounters
Die Folge: Edeka, Rewe und Co. nahmen den Discountern mit ihrem weitaus größerem Sortiment im vergangenen Jahr Marktanteile ab, wie eine Marktstudie der GfK zeigt. Die Erkenntnisse gehen auch nicht spurlos an Aldi vorbei: Das Unternehmen handelt. „Wir interpretieren den Discount neu, setzen auf ein ansprechenderes Ambiente und eine größere Auswahl. Aber wir machen das behutsam und bleiben unseren Prinzipien treu“, betont Aldi-Süd-Sprecher Peter Wübben. Mittlerweile setzt Aldi auf größere und modernere Filialen in denen Kunden sich wohlfühlen mit einer breiten Auswahl an frischem Obst und Gemüse sowie ofenwarmen Backwaren und Markenprodukten.
Experten mit Kritik an neuem Aldi-Konzept
Die neue Strategie erntet allerdings auch harte Kritik: „Aldi hat sich in den letzten Jahren von Tag zu Tag mehr zum gewöhnlichen Supermarkt entwickelt“, sagte der frühere Aldi-Manager und Discount-Experte Dieter Brandes, der die Aufwertung der Aldi-Filialen* und die kräftige Aufstockung des Warenangebots für einen Irrweg hält. Durch die höheren Kosten verliere der Discounter seinen Wettbewerbsvorteil und sein Profil. Auch der EHI-Experte Gerling sieht das Problem. Durch die Veränderungen sei der Kostenvorteil im Vergleich zu den großen Supermärkten deutlich geschrumpft. Dennoch könne der Billiganbieter mit der Vielfalt der Angebote in den Supermärkten letztlich nicht mithalten. „Da stellt sich die Frage, ob es nicht ein riskanter Weg ist, was Aldi da macht.“
Aldi Süd sieht keine Alternative - und begründet Veränderungen
Es gebe allerdings keine Alternative zu diesem Weg, findet Aldi Süd. „Hard-Discount, wie er vor 30 Jahren üblich war, funktioniert heute nicht mehr. Wir mussten uns weiterentwickeln, sonst hätten wir dem Wettbewerb das Feld überlassen“, meint Wübben. „Aber mit unseren neuen Konzepten kommen wir dem Konsumtrend stark entgegen - und wir spüren jetzt bereits: es funktioniert.“
Aldi ist bei vielen Kunden besonders wegen der angeblichen Qualität trotz niedriger Preise beliebt. Doch über eine Veränderung in der Rezeptur wird gar nicht erst informiert. Und auch Fragen zur Nachhaltigkeit kamen bei einem Fleischprodukt des Discounters auf. Bei der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung indes müssen sich alle Supermärkte stark umstellen.
Auch in sozialen Netzwerken ist Aldi unterwegs. Kürzlich hat sich Aldi einen Scherz mit seinen Kunden über Facebook erlaubt, aber nicht alle fanden es lustig. Außerdem unterstützt der Discounter Startups, die sich für soziale Projekte einsetzen. Wohl ein Teil der großen Aldi-Veränderung.
mf mit dpa
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