Trainer Gerardo Seoane erlebt bei Borussia Mönchengladbach eine kontinuierliche Achterbahnfahrt. Der Schweizer lässt sich jedoch nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Mönchengladbach – Die Atmosphäre bei Borussia Mönchengladbach war auch nach dem 4:1-Erfolg gegen Werder Bremen alles andere als gut. Manager Roland Virkus kritisierte am Sonntagabend plötzlich die eigenen Fans: „Die Erwartungshaltung ist einfach so, dass wir eigentlich Champions League spielen müssten. So nehme ich das wahr.“ Er legte einen Tag später nach: „Ganz offen: Ich bin in einer sportlich wie finanziell absolut beschissenen Situation hier eingestiegen. Wir wollten im Sommer schon etwas machen, konnten das aber nicht, weil ich mich solidarisch hier zu diesem Klub bekennen musste. Da geht es nicht nur um Spieler kaufen, sondern auch darum, den Klub zu konsolidieren.“
Seoane fällt bei der Borussia nicht um
Obwohl die Borussia in der Bundesliga mit 13 Punkten einen ordentlichen Auftakt hingelegt hat, liegt eine bleierne Schwere über dem Traditionsklub, der in der Saison 2020/21 noch Champions League gespielt hat. Mittendrin befindet sich Trainer Gerardo Seoane. Der Schweizer ist so etwas wie ein sich treubleibender Wanderer auf schmalem Grat. Doch egal, wie scharf der Wind auch an ihm vorbeizieht, er kippt nicht um und läuft immer weiter. Virkus erkennt diese Fortschritte, die nicht immer sofort sichtbar sind. Seoane hat zum Beispiel für eine andere Intensität im Spiel der Borussia gesorgt.
Als er das Team 2023 übernahm, stand man in Sachen Laufleistung (3.838,92 km) und Sprints (6.857) im Keller. Gladbach ist in diesen Kerndisziplinen weiterhin nicht ganz oben angekommen. Doch inzwischen setzt das Team 220- statt wie zuvor 201-mal pro Partie zum Sprint an. Und statt 112,9 Kilometer läuft die Fohlenelf durchschnittlich 115,94 Kilometer. 15 erzielte Tore werden nur noch von sechs Teams über- und 14 Gegentreffer von sieben Mannschaften unterboten. Die Borussia belegt daher mit Rang neun aktuell etwa genau den, wo das Team auch hingehört. Im Normalfall werden die Gladbacher mit der Kellerregion in dieser Saison nichts zu tun haben. Doch für das obere Drittel reicht die Kaderqualität - vor allem in Sachen Defensive und Breite - noch nicht vollständig aus.
Die Kritik aus dem Umfeld geht auch am Schweizer nicht vorbei
Der Trainer befindet sich dennoch dauerhaft in der Kritik. So etwas geht auch an Seoane nicht vorbei. Er lässt sich davon allerdings nicht beeinflussen, er folgt einem roten Faden. Dabei gibt es immer wieder empfindliche Rückschläge, es ist eine Geduldsprobe. Seoane spürt nach fussball.news-Informationen stets das Vertrauen von Virkus, mit dem er sich in einem engen Austausch befindet. Sie erörtern in einer engen Kommunikation ihre Beweggründe, warum sie etwas machen. Und das Team der Borussia zieht mit, die Profis lassen den Schweizer nicht hängen und zeigen immer wieder die richtige Reaktion. Seoane ist es zwar nicht gelungen, die vielen individuellen Fehler abzustellen.
Dennoch hat sich gezeigt, dass vor allem der Transfer von Tim Kleindienst äußerst wertvoll für das Offensivspiel ist. Der in der vergangenen Saison schon hervorragende Flankengeber Franck Honorat hat dadurch eine Option mehr in der Mitte. Und auch Kevin Stöger steht dem Spiel der Borussia insgesamt gut zu Gesicht. Die Gladbacher wirken stabiler, auch wenn es schwache Auftritte wie in Augsburg (1:2) oder im Pokal bei Eintracht Frankfurt (in Überzahl 1:2 verloren) gibt. Seoane bleibt mutig und lässt sich nicht vom ersten Gegenwind umwerfen. Natürlich läuft nicht alles rund unter dem Mann, der in seinem ersten Jahr bei der Borussia einen Ein-Punkte-Schnitt zu verantworten hatte. Die ominöse Serie, seit über zweieinhalb Jahren keine zwei Spiele in Folge gewonnen zu haben, konnte auch er nicht durchbrechen.
Gelingen erstmals wieder zwei Siege in Serie?
Die Mannschaft lernt aber unentwegt weiter und knabbert am Baum. Vor zwei Wochen wäre dieser fast gekippt, doch Robin Zentner und ganz viel Glück verhinderten einen Last-Minute-Sieg der Gladbacher in Mainz (1:1). Möglicherweise kann die Borussia die aktuelle Schwächephase des kommenden Gegners RB Leipzig ausnutzen und punkten. Es würde den eingeschlagenen Weg, der so häufig ins Stocken gerät, beschleunigen und den Kritikern von Seoane, der der aktuell laufenden Spielzeit in der Bundesliga einen 1,44-Punkte-Schnitt hat, weiteren Wind aus den Segeln nehmen.