Die Italiener haben der Neuauflage ihres reisetauglichen Kurvenfegers, der nun als Multistrada 1260 ab sofort beim Händler steht, ein paar Komfort-Gene verpasst.
Im Segment der großvolumigen Reiseenduros nahm die Ducati Multistrada bislang den Platz der Sportlerin ein: kernig, knackig, flott. Wir waren mit der Neuen unterwegs.
Die Neuerungen an der Ducati Multistrada
Freunde der Marke brauchen nun aber keine Angst haben, weichgespült ist sie keineswegs und Charakter hat sie nach wie vor jede Menge. Ziel der Modifikation war neben der Ausrichtung an der Euro-4-Norm und entsprechend weiterentwickeltem Zweizylindermotor auch, das Motorrad für neue Käuferschichten attraktiv zu machen. Der Testastretta DVT hat nun einen Hubraum von 1.262 Kubikzentimetern.
Die Leistung wuchs gegenüber dem Vorgängeraggregat um sechs auf 158 PS, die bei 9.750 U/min erreicht werden. Das maximale Drehmoment von 130 Nm ist bei 7.500 U/min erreicht. Entscheidende Neuerung ist, dass die Charakteristik des Motors gründlich geändert wurde: Nunmehr steht im Bereich zwischen 3.500 und 5.500 U/min ein um bis zu 18 Prozent vergrößertes Drehmoment zur Verfügung. Genau in diesem Bereich ist man zum größten Teil unterwegs.
Eine weitere Neuerung, die sich positiv auf den Fahrkomfort und die Reisetauglichkeit auswirkt, ist die Verlängerung des Radstandes um 55 Millimeter. Dazu wurde die Schwinge verlängert und der Lenkkopfwinkel vergrößert. Davon verspricht sich Ducati einen stabileren Geradeauslauf (der bislang aber keinen Grund zur Klage bot) sowie besseres Einlenkverhalten in Kurven. Leichtere Räder und ein neuer Farbbildschirm im TFT-Display im Cockpit vervollständigen die wichtigsten Novitäten.
So fährt sich die Multistrada
Für den Start kann der Zündschlüssel in der Hosentasche bleiben: keyless go ist in dieser Klasse Standard. Für die erste Etappe stellen wir den Fahrmodus auf "Touring". Dabei steht die volle Leistung zur Verfügung, die Gasannahme ist allerdings etwas weicher ausgelegt, die Traktions- und Wheeliekontrolle setzen früher ein und das Kurven-ABS ist aktiviert. Sofort nachdem er zum Leben erweckt wurde, bollert der Twin gewaltig los, beruhigt sich dann aber bei steigender Betriebstemperatur. In dem Maß, in dem das Lärmempfinden sinkt, steigt die Fahrfreude.
Denn die Multistrada legt sich wunderbar in die Kurven, folgt willig dem Lenkimpuls, reagiert exakt auf Gasbefehle und lässt sich mit ganz leichtem Zug am Bremshebel verzögern. Dank des fein funktionierenden Schaltautomaten Quick Shift – serienmäßig an der von uns gefahrenen Multistrada S – lassen sich die sechs Gänge geschmeidig wechseln, so dass man mit der 247 Kilogramm schweren Maschine durchaus flott unterwegs sein kann.
Dank der geänderten Motorabstimmung ist man stets im optimalen Drehzahlbereich unterwegs. Breiter Lenker, guter Knieschluss, aufrechte Sitzposition, vibrationsfreie und große Rückspiegel sowie das gut ablesbare Cockpit vervollständigen das entspannte Fahrgefühl. Das Windschild lässt sich während der Fahrt mit einer Hand verstellen und erweist sich in beiden Positionen als guter Schutz.
Die neue Charakeristik der Multistrada 1260 erfährt man dann so richtig, wenn der Modus auf "Sport" umgestellt wird. Natürlich gibt’s dabei die volle Leistung und maximales Drehmoment, zusätzlich agieren Traktions- und Wheeliekontrolle weniger sensibel und das Kurven-ABS geht etwas lockerer zur Sache. Und dann ist er erfahrbar, der gute alte Markenkern von Ducati. Da wird die Reiseenduro fast schon zum Supersportler, fegt flott auch um engste Kurven und zaubert dem Fahrer ein Dauergrinsen ins Gesicht. Als Höchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller 250 km/h an, die bei der Präsentation auf Gran Canaria natürlich unerreichbar sind. Aber zum Dauertempobolzen und Reifen eckig fahren sollte man sich nicht auf dieses Zweirad setzen, dafür ist sie viel zu schade.
Verbrauch, Ausstattung und Kosten der Multistrada
Trotz ambitionierter Fahrweise zeigte die Verbrauchsanzeige im Cockpit am Ende der 250-Kilometer-Tour an, dass sich der Motor mit 5,5 Liter Sprit auf 100 Kilometer begnügt hat. Der Tank fasst 20 Liter – da sind bei nur wenig moderaterer Fahrweise sehr lange Etappen drin.
Ducati bietet von der Multistrada 1260 vier Versionen an: das Basismodell steht ab 16.990 Euro beim Händler, die von uns gefahrene S-Version kostet ab 19.390 Euro, außerdem werden eine Enduro-Version für 20.190 Euro und als kompromissloses Sportmodell die Pikes Peak für 23.990 Euro angeboten. Die Leistung ist bei allen Versionen gleich, Unterschiede gibt’s bei der Ausstattung und dem Gewicht.
Zur Serienausstattung gehören beim Basismodell unter anderem vier Fahrmodi, Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Wheelie-Kontrolle, Berganfahrhilfe, höhenverstellbarer Sitz und Tempomat. Die S hat überdies den Schaltassistent Quick Shift, adaptives Kurvenlicht, elektronische Dämpfungsregelung und Multimedia-System. Unsere Multistrada S hatte zusätzlich das Touring Pack, das Gepäckkoffer, Heizgriffe und Hauptständer umfasst und 1.069 Euro kostet.
Ducati Multistrada: Unser Fazit
Mit der neuen Multistrada hat Ducati den Spagat zwischen Sport und Touring bestens geschafft. Die extreme Sport-Spitze wurde etwas gekappt, dafür hat sie in der Breite zugelegt und ist für deutlich mehr Fahrsituationen bestens gerüstet. Wer’s kernig mag, kann ja zur Pikes Peak greifen, der große Rest – dafür bedarf es keiner großer prophetischer Gaben – wird jedoch die S-Version wählen. Die lässt sich entspannt-touristisch bewegen und zeigt keine Schwächen, kommt aber auch bei sportlicher Gangart nicht so schnell an ihre Grenzen.
Lesen Sie hier die Fahrberichte zur KTM 1290 Super Duke R und zur BMW R nine T Racer.
Volker Pfau