Wir waren mit dem Mercedes GLC F-Cell, wie das Auto offiziell heißt, unterwegs. Eine Fahrt in die Zukunft oder doch nur eine technologische Spielerei?
Es klingt wie ein uralter Traum der Menschheit. Fast so schön wie der vom Fliegen. Man steckt Wasser in einen Motor, nutzt die Kraft des Wassers und hinten kommt – richtig – nur wieder Wasser heraus. Eine klare Angelegenheit.
Steht der Wasserstoffantrieb endlich vor dem Durchbruch?
Der Traum vom Wasserstoffantrieb ist verführerisch. Und taucht mit schöner Regelmäßigkeit auf, fast schon so wie das sagenumwobene Ungeheuer von Loch Ness. Dabei ist das Wasserstoffauto schon lange Realität. Immer wieder haben Autohersteller bewiesen, dass es geht. Sie haben die Welt umrundet wie Daimler mit seiner B-Klasse, sie haben eigene Flotten und Tankstellen betrieben wie BMW in den 2000er Jahren mit einer Wasserstofflimousine, dem Hydrogen 7.
Aber der große Durchbruch blieb der Technologie verwehrt. Bislang. Denn angesichts der Klimaerwärmung, die in ihrem Ausmaß unser Leben bedroht wie nichts zuvor, bekommt das Thema wieder Auftrieb. Die Koreaner von Hyundai haben mit Ihrem Nexo (Reichweite bis zu 800 Kilometer) bereits ein Wasserstoffauto im Angebot, Toyota schickt den Mirai (500 Kilometer) ins Rennen – und nun gibt es auch wieder ein Auto mit Stern, das mit der Power von H2 angetrieben wird. Den GLC-F-Cell.
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Mercedes GLC: Ein klassischer SUV
Wasser ist blau, der F-Cell greift das Thema auch vom Design her auf. Die Spange am Kühlergrill ist blau, und auch die Speichen der Felge haben einen solchen Farb-Akzent. Sonst sieht der GLC so aus, wie ein SUV von Daimler halt aussieht. Auffällig auch: Der Feuerlöscher gleich vorne unter dem Fahrersitz. Irgendwie wirkt das wie die typische präpotente Optik, die man von Opel-Manta-Fahrern aus den 80er-Jahren gewöhnt ist.
Unter dem Blech pocht das neue Herz der Antriebstechnologie – die Brennstoffzelle.
Wer die Motorhaube öffnet, wird vielleicht zunächst gar keinen Unterschied entdecken. Da scheint alles beim Alten zu sein, Flüssigkeitsbehälter links und rechts von dem Motorblock, oben drauf ein dicker Kunststoff-Deckel. Darunter steckt die Brennstoffzelle: Sie ist gerade mal so groß wie ein konventioneller Motor und damit ist den Daimler-Ingenieuren ein technischer Scoop gelungen. Ob Brennstoffzelle oder Verbrenner – sie passen in den selben (Motor-)Raum und haben die gleichen Aufhängungspunkte. Das heißt so eine Brennstoffzelle kann rein theoretisch in nahezu jedes Daimler-Modell relativ problemlos eingebaut werden. Und die Produktion kann flexibel auf die Nachfrage reagieren.
Wie funktioniert nun so eine Brennstoffzelle?
Wenn Wasserstoff auf Sauerstoff trifft nennt man das „kalte Verbrennung“. Das heißt nichts anderes, als dass unter Mithilfe von Katalysatoren Strom und Wärme produziert wird. Wasserstoffautos sind also nichts anderes als Elektroautos.
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Der GLC F-Cell weist dabei eine Besonderheit auf: Er ist ein so genannter Plug-In-Hybrid. Er hat eine aufladbare Batterie an Bord, mit der es der SUV auch ohne Wasserstoff rund 50 Kilometer weit schafft. Der E-Motor, der auf der Hinterachse sitzt, wird also entweder mit Strom aus der Batterie versorgt oder mit Elektro-Energie aus der Brennstoffzelle. Das hat zwei Gründe. Zum einen kann man damit Lücken im nicht gerade dichten Wasserstofftankstellennetz umgehen, zum anderen kann die Batterie gerade unter Volllast Leistungsspitzen produzieren, die für die Brennstoffzelle alleine zu mühsam wären. Wer den E-Motor gerade speist, merkt man beim Fahren übrigens nicht. Das wird intelligent und je nach Anforderung (Fahrmodi Sport, Komfort oder Eco) vom Computer geregelt. Dabei kann man selbst zwischen Hybrid-, nur Wasserstoff- oder nur Batterie-Antrieb wählen. Sogar das Laden der Batterie ist möglich.
Mercedes GLC: Wuchtig, aber leise
Die Beschleunigung ist elektrotypisch dynamisch, wuchtig und trotzdem leise. Sie steht dabei ganz im Gegensatz zum Lärm, der bei so einer Maschine normalerweise produziert werden würde. Die 211 PS und das Drehmoment von 356 Nm kommen flüsternd auf die Straße, an der Ampel herrscht Ruhe, das lauteste Geräusch ist noch der leise surrende Ventilator der Klimaanlage. Der Verbrauch soll bei 0,34 Kilogramm Wasserstoff liegen auf 100 Kilometer (1 kg kostet 9,50 Euro), der Stromverbrauch bei 13,7 Kilowattstunden auf 100 Kilometer.
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Bei unserer Testfahrt über die schwäbischen Landstraßen landeten wir bei 0,8 kg Wasserstoff und 9,7 Kilowattstunden, was umgerechnet knapp zehn Euro pro 100 Kilometer ausmacht. Und damit auf der Höhe eines vergleichbaren Diesels liegt, dafür ist man aber komplett emissions- und fahrverbotsfrei unterwegs. Insgesamt packt der Wasserstoff-Benz rund 450 Kilometer Reichweite (davon 50 mit der Batterie-Ladung).
Von der Fahrdynamik ist der GLC-F-Cell aufgrund der guten Gewichtsverteilung schon fast mehr ein Sportwagen als ein SUV. Auch beim Platz muss man kaum Abstriche machen, zwar verliert das Kofferraumvolumen durch die zusätzliche Batterie ein wenig an Höhe und dadurch an Größe, das bewegt sich dann aber trotzdem in einem verkraftbaren Rahmen.
Mercedes GLC: Auf der Höhe der Zeit
Stolz sitzt man im Wasserstoff-Benz, fühlt sich technologisch auf der Höhe der Zeit – oder sogar noch vor der Zeit – und wünscht sich, dass die Zukunft so aussieht.
Dabei hat Wasserstoff bei all der Lagerungsproblematik (man braucht hohen Druck im Tank oder muss stark kühlen) große Chancen. Denn Wasserstoff ist auch ein Speichermedium. Zum Beispiel für das bereits jetzt schon vorhandene Überangebot bei den regenerativen Energien. Weht der Wind zu kräftig müssen die Rotoren künftig nicht mehr abgeschaltet werden. Zuviel Sonne? Kein Problem, mit der überschüssigen Elektrizität wird einfach Wasserstoff hergestellt.
Mercedes GLC: Preis
Über den Preis des GLC F-Cell schweigt man sich bei Daimler aus. Denn das Auto kann man nicht kaufen, sondern nur über ein Voll-Service-Modell für knapp 800 Euro im Monat mieten. Und weil der Wasserstoff-Benz noch in zu geringer Stückzahl produziert wird und mehr ein werbeträchtiger Technologieträger ist, soll er nur an einen erlauchten Kundenkreis und auch nur in den Metropolen angeboten werden, wo es bereits eine ausreichende Wasserstoff-Infrastruktur gibt. Insofern war die erste Ausfahrt mit dem H2-Benz zwar tatsächlich eine Fahrt in die Zukunft. Aber wie es so oft mit der ersehnten und besseren Zukunft ist, sie lässt manchmal dann doch länger auf sich warten.
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Rudolf Bögel