Nach Porsche Cayenne und Audi Q7 hat sich heuer noch der neue BMW X5 dazu gesellt und jetzt drängelt auch noch der neue Mercedes GLE. Wir haben ihn schon getestet.
Früher war ein neues Auto neu, wenn es eine andere Karosserie gab, einen stärkeren Motor, vielleicht noch bessere Bremsen oder ein neuartiges Schiebedach. Heute braucht man für ein neues Auto schon fast ein kleines Abendseminar, um alle neuen Features zu erklären. Oder Sie lesen diesen Artikel hier, zumindest, was den neuen Mercedes GLE anlangt.
Mercedes GLE: Aussehen und Platz
Der sieht ja viel kleiner aus als er ist. Das denkt man, wenn man das Fahrzeug erst umrundet und dann auf dem Fahrersitz Platz genommen hat. Mann, der ist doch ganz schön dick, Mann! Dabei wirkt er von außen so schlank und elegant. Das neue Design hat Wuchtigkeit genommen und der einstigen M-Klasse wieder Leichtigkeit verschafft. Und das bei einem in diesem Segment wohl besten Luftwiderstandswert (cw) von 0,29.
Aber auch faktisch ist der Mercedes GLE größer geworden. Zumindest im Innenraum. Die acht Zentimeter mehr beim Radstand schaffen mehr Bequemlichkeit vorne und hinten, mehr Stauraum (825 bis 2055 Liter), und wer eine Großfamilie hat, kann neuerdings mit einer dritten Sitzreihe insgesamt sieben Passagiere unterbringen.
Lesen Sie hier: Sie lieben Luxus-Schlitten? In dieser Stadt finden Sie die meisten und teuersten.
Mercedes GLE: Motoren
In die neue Saison startet der Mercedes GLE zunächst nur mit zwei Aggregaten. Einmal als 300d 4matic mit 245 PS (7,2 Sekunden von 0 auf 100, 6,4 Liter Verbrauch kombiniert, Euro 6d-Temp). Auf der Benziner-Seite geht der 450er ins Rennen, ebenfalls mit Allradantrieb und 9-Gang-Automatik. Er hat einen Startergenerator, der zusätzlich zu den 367 PS des Verbrenners noch einmal 22 PS locker macht. Das ergibt ein zusätzliches Drehmoment von 250 Nm (500 bringt der Benziner) – damit boostet der 450er in 5,7 Sekunden von 0 auf 100. Beim Verbrauch liegt er aufgrund der Hybridisierung damit kombiniert zwischen 8,3 und 9,4 Litern. Ein anständiger Wert angesichts der Masse der SUV-Klasse.
Mehr als anständig sind auch die Fahrleistungen beim Test: Verbrenner und Elektro-Booster arbeiten so reibungslos zusammen, dass man außer dem zusätzlichen turboartigen Kick nichts merkt. Der elektrifizierte Benziner ist durchzugskräftig auch von unten heraus, die zusätzliche Leistungsspitze ist das Sahnehäubchen oben drauf. Der Benziner kostet in der Basisversion 72.649,50 Euro, der Diesel ab 65.807,00 Euro.
Lesen Sie hier: Diesen Porsche gibt es nur einmal - und er ist Millionen Euro wert.
Mercedes GLE: Fahrwerk mit elektrischer Freischaufelfunktion
Das gibt es im Augenblick nur im 450er Mercedes GLE, denn nur der verfügt über ein 48-Volt-Stromnetz an Bord. Das ist nötig, um das neue intelligente Fahrwerk, das auf den sperrigen Namen E-Active-Body-Control hört und neben der Airmatic (2.034 Euro) noch zusätzliche 7.735 Euro kostet, betreiben zu können. An jedem der vier luftgefederten Stoßdämpfer steuert ein Elektromotor individuell die Feder- und Dämpferkräfte. Um bis zu 10 Zentimeter! Das sorgt zum einen für noch mehr Komfort, weil das Auto völlig unabhängig von der Straßenbeschaffenheit immer perfekt liegt. Was manchmal fast ein wenig unnatürlich wirkt.
Außerdem lassen sich mit der Body-Control einen Haufen praktischer Dinge regeln: Zum Beispiel senkt sich der GLE zum Be- und Entladen um bis zu vier Zentimeter hinten ab. Wer im Gelände unterwegs ist, kann die jeweilige Höhe der vier Beine über das Display individuell bestimmen. Was vor allem bei Schrägfahrten eine echte Hilfe sein könnte.
Oder eben die Freischaufelfunktion, die im Offroad-Technik-Paket (2.261 Euro beim GLE 450) enthalten ist. Da wird das Niveau mehrfach und unterschiedlich angehoben und abgesenkt. Was den Druck der Räder auf dem Boden wechselweise erhöht oder reduziert. Die Traktion wird so gestärkt und so langsam tanzt sich der Mercedes aus der Düne oder am Sandstrand frei.
Und schließlich kann mit dem Fahrwerk die "Curve"-Funktion eingeschaltet werden. Damit legt sich der SUV quasi in die Kurven hinein wie ein Motorradfahrer. Ein Feature, das es schon in der S-Klasse gibt. Ob man es braucht? Bei der Testfahrt haben wir es probiert und festgestellt: Ist ein bisschen wie Hollywood-Schaukel und auch ebenso nötig.
Lesen Sie hier: Nachts auf der Rennstrecke: Der Porsche Panamera GTS im Härtetest.
MBUX – jetzt darf auch der Beifahrer mitreden
Das intelligente durch Sprache und Gesten gesteuerte Bordsystem wird im GLE noch mal aufgerüstet. Optisch und serienmäßig kommt es auf zwei großen Bildschirmen im Format 12,3 Zoll (31,2 Zentimeter) daher, die in Widescreen-Optik nebeneinander angeordnet sind. Mit "Hey Mercedes" erweckt man die Daimler-Alexa wie auch schon in der A-Klasse zum Leben, und auch der Beifahrer kann jetzt mit Befehlen wie "Sitzheizung an" den GLE bedienen. MBUX ortet die Stimme und schaltet tatsächlich nur die Sitzheizung rechts ein.
Ähnliches gilt auch für die Gestensteuerung. Nähert sich die Hand des Beifahrers an das Deckenlicht, so wird nur das Beifahrerlicht eingeschaltet. Wie von Zauberhand gehen auch Innenraumlichter an, wenn man beispielsweise im Fußraum etwas sucht. Sensoren erkennen die tastende Hand, die künstliche Intelligenz kombiniert daraus zweifelsfrei, dass da jemand etwas vermisst und schaltet das Licht an. Auch das Display denkt mit: Nähert sich die Hand, werden einzelne Elemente wie zum Beispiel der (digitale) Knopf für die Massagefunktion hervorgehoben. Und auch hier erkennt das System (in diesem Fall über eine Deckenkamera), ob es die Hand des Fahrers oder Beifahrers ist.
Lesen Sie hier: Subaru, Fiat oder Mazda - wer hat den besten Sportwagen?
Unser Urteil zum Mercedes GLE
Das MBUX wird von Mal zu Mal besser, nicht auszudenken, wenn alle Passagiere mitschnabeln können. Beim Siebensitzer müsste die Technik schon fast ein Sprachgewirr babylonischen Ausmaßes auseinanderhalten.
Fahrassistenten & HUD: Auch hier hat man bei Daimler nachgelegt. Das Head-up-Display, also die Projektion wichtiger Fahrzeugdaten auf der Frontscheibe, ist farbig und riesig: 45 x 15 Zentimeter misst das digitale Trumm. Manch einem ist es damit zu groß, zu mächtig und stört die Sicht.
Nicht groß genug kann die Anzahl der elektronischen Assistenten sein – ganz nach diesem Motto wurde auch hier aufgerüstet. Beim Fahrassistenz-Paket Plus (2.891 Euro) gibt es jetzt einen Stauhelfer, der bis Tempo 60 das Fahren übernimmt. Dabei kann der Stillstand bis zu einer Minute dauern, und das Auto fährt immer noch selbständig los.
Ebenfalls neu: Die Rettungsgassenfunktion, hier orientieren sich Sensoren und System an Fahrbahnmarkierungen und an den umgebenden Fahrzeugen. Und last but not least bietet der GLE nun auch einen Anhängerassistenten, der ungeübten Fahrern beim Rangieren helfen soll. Er kostet 416 Euro, dazu braucht man jedoch auch das Park-Paket mit 360-Grad-Kamera für knapp 1.300 Euro.
Fazit
Der neue GLE von Mercedes ist ein echtes Schlachtschiff geworden, vor allem technisch. Ein Straßenkreuzer mit Gelände-Genen, eine Luxus-Limousine mit Niveau. Man darf gespannt sein, was der eigentliche Luxus-Liner, der GLS – außer noch mehr Platz – zu bieten hat. Und was die Stuttgarter noch alles drauflegen, wenn erst der neue Maybach-SUV ebenfalls schon im nächsten Jahr auf die Straßen rollt.
Auch interessant: Bei diesem Porsche stimmt was nicht, finden Sie den Fehler?
Von Rudolf Bögel