Fundamental hat sich das Verhalten der Bayern und Münchner durch das Coronavirus gewandelt. Neue Daten von Google und Apple zeigen nun, wie grundlegend unser Leben gerade auf dem Kopf steht.
- Neue Diagramme zeigen die heftigen Verhaltensänderungen der Bayern durch das Coronavirus*
- Überraschend ist, wie sich die Münchner Kurve in letzter Zeit entwickelt
- Die Mailand-Grafik zeigt, was München bislang erspart geblieben ist
München - Kein Besuch von Geschäften, kein Kino, kein Treffen mit Freunden – die Corona-Krise hat unser Leben radikal geändert. Diese gefühlte Wahrheit wird nun eindrucksvoll bestätigt durch neue Daten von Google und Apple für Bayern, die die Ippen-Digital-Zentralredaktion analysiert hat. Unsere Diagramme zeigen, wie historisch die Zeiten sind. Und sie demonstrieren, wie umfassend sich die Mobilität der Menschen in Bayern und München innerhalb kürzester Zeit geändert hat und welche Bereiche besonders betroffen sind.
Für Bayern werden weitere Corona-Lockerungen verkündet. Das sickerte nach Beratungen bereits durch. Hubert Aiwanger sorgte derweil für Unmut - auch bei Markus Söder.
Münchner ändern ihr Verhalten durch die Corona-Krise nicht ein bisschen, sondern fundamental
Coronavirus bringt dramatischen Rückgang in München: Innerhalb von nur einer Woche hat sich das Verhalten der Münchner fundamental gewandelt. Das verdeutlichen die neuen Daten zum Fortbewegungsverhalten. Am ersten Tag der bayerischen Ausgangsbeschränkung, am 21. März, gab es gerade noch ein Drittel der sonst üblichen Mobilität. Diese wird hier gemessen anhand der Nutzung von Navigations-Apps; eine genaue Erläuterung finden Sie weiter unten im Text. Unsere Grafik zeigt in diesen Tagen geradezu eine Corona-bedingte Schockstarre in München, die wohl ihresgleichen sucht. Zur Wahrheit gehört sicherlich, dass auch das Ausbleiben von Touristen zu einer geringeren Nutzung von Navigations-Apps in München geführt hat. Die Ausreißer nach oben in der Grafik zeigen übrigens üblicherweise die Wochenenden an, an denen die Menschen häufiger unterwegs sind als werktags.
Auch nach Verhängung der Ausgangsbeschränkung zeigten sich die Münchner weiterhin sehr zurückhaltend. Und doch kommt das Leben inzwischen in Trippelschritten zurück. Am vergangenen Wochenende (26. April) erreichte die Mobilität zwar bei weitem noch nicht wieder alte Zustände - aber immerhin zwei Drittel des Vergleichswerts. Der liegt bei Apple jedoch scheinbar willkürlich gewählt bei Mitte Januar - also eine Jahreszeit, in der draußen naturgemäß weniger los als im Frühjahr. Von Normalität in Coronavirus-Zeiten sind wir also noch sehr weit entfernt. Spannend wird künftig jedoch die Frage, ob sich dieser Trend mit den ersten Lockerungen fortsetzt, wie eine aktuelle ZDF-Analyse aus den Innenstädten andeutet.
Am Montagabend werden viele Gebäude in Bayern und ganz Deutschland rot angestrahlt. Der Hintergrund ist ein ernster - und hat mit der Corona-Krise zu tun.
München fährt wegen des Coronavirus runter - doch Mailand trifft es heftiger
In Mailand zeigt sich, was uns bislang erspart blieb: Die Italiener haben erheblich früher ihr Verhalten geändert, und das wesentlich stärker als bereits die Münchner oder New Yorker. So gab es einen Einbruch von minus 90 Prozent bei der Verwendung von Navigations-Apps. Die Nutzung sank in Mailand zudem deutlich früher und bereits ab Februar. Spätestens mit Beginn der italienischen Ausgangssperre am 10. März war es mit der Mobilität der Mailänder durch das Coronavirus endgültig vorbei. Der dramatische Einbruch in Mailand hängt sicher auch damit zusammen, dass Italien und der italienische Norden sehr viel früher und sehr viel heftiger von der Coronavirus-Pandemie getroffen wurden. Ebenso, dass es in Italien sehr viel striktere Ausgangsbeschränkungen gab und weiterhin gibt.
Die Bayern gehen wegen des Coronavirus nicht mehr in die Parks
Selbst frische Luft ist nicht mehr so gefragt: Am 21. März halbieren sich plötzlich die Park- und Grünflächenbesuche in Bayern – und das nur innerhalb eines Tages. Das zeigen wiederum Daten von Google in unserem zweiten Diagramm, die von Android-Handys und Google Maps stammen. Genau in der Nacht des rapiden Rückgangs griff die bayerische Ausgangsbeschränkung, die ein Verlassen der Wohnung wegen des neuartigen Coronavirus nur noch aus triftigem Grund erlaubte. Ein weiter Grund für den Rückgang war sicherlich das regnerische Wetter, das in der Nacht einsetzte. Schon Anfang April normalisierten sich die Parkbesuche dann wieder. Allerdings wird bei allen Google-Werten als Vergleichsmaßstab der jeweilige Wochentags-Wert der ersten Kalenderwoche im Januar genommen. Von üblichen April-Werten ist Bayern also auch aktuell ein großes Stück entfernt.
Keine Zeit für Unterhaltung und Gesellschaftsleben: Bei Restaurants, Cafés, Kinos & Co. zeigen sich die Auswirkungen durch das Coronavirus noch erheblich heftiger als bei den Parks. Denn während sich die Menschen in Bayern irgendwann im April wieder nach und nach draußen trauten, bleiben die Menschen wegen der weitgehenden Schließungen der Gastronomie weitgehend fern. Seit der bayerischen Ausgangsbeschränkung gibt es einen Rückgang um sagenhafte zwei Drittel. Übrig blieben also vor allem die Supermarkt-Besuche. Ähnlich sieht es auch bei der ÖPNV-Nutzung aus, die dramatisch eingebrochen ist – wie es auch die MVG in München bestätigt. Was jedoch nicht heißt, dass sich die Münchner zu jeder Zeit an den Mindestabstand in S-Bahn & Co. halten.
Dahoam is dahoam: Die Bayern bleiben seit der Ausgangsbeschränkung wesentlich häufiger daheim. Sei es, um die neuen Corona-Regeln einzuhalten. Sei es, weil die Kinder zuhause betreut werden müssen. Oder weil Homeoffice viele Bewegungen unnötig macht. Derzeit ein Viertel mehr sind die Bayern derzeit daheim – ein Wert, der ansonsten in der Vergangenheit über alle Werktage erstaunlich konstant war. Im Gegenzug sank zuletzt die Zeit, in der die Menschen in Bayern auf ihrer Arbeitsstelle waren. Selbst wenn man Sondereffekte wie den arbeitsfreien Karfreitag herausrechnet, halten sich derzeit immer noch 50 Prozent weniger Menschen am Arbeitsplatz auf als üblich. Wichtig zu wissen: Die Daten zeigen generell, inwieweit sich Häufigkeit und Länge von Aufenthalten geändert haben. Die Einordnung, wo etwa ein Park und wo ein Betrieb existiert, nimmt dabei Google selbst vor.
Wie sich die Lockerungen der Coronavirus-Maßnahmen in Bayern auswirken
Die nächsten Daten werden spannend: So fundamental das Coronavirus unser Leben verändert hat - die Daten zeigen, dass zumindest einige Bereiche langsam wieder Fuß fassen. Doch wie wirken sich die Lockerungen ab dem 27. April aus? Wie sehr verändert es unser Leben, wenn einige Schüler wieder zu Schule gehen, wenn wir wieder kleinere Läden besuchen, wenn wir zumindest eine weitere Kontaktperson außerhalb des eigenen Haushalts wieder treffen dürfen? Oder wenn es gar zu einer zweiten Coronavirus-Welle kommt? Wir werden diesen Artikel aktualisieren und die Coronavirus-Daten weiterhin für Sie im Blick behalten - für Bayern etwa in dieser interaktiven täglich aktuellen Corona-Bayern-Karte*.
Wie wir die Daten berechnet haben (I): Die Bewegungsdaten aus Bayern wurden von Google bereitgestellt. Jedes Android-Smartphone und jeder Google-Maps-Nutzer sendet bei Nutzung und im Hintergrund Bewegungsdaten an die Google-Server. Dadurch ist auch eine weitgehend zuverlässige Zuordnung möglich, ob sich ein Nutzer etwa in einem Park aufhält. Mittlerweile müssen Nutzer bei der Erstellung eines Accounts aktiv in die Speicherung des Standorts einwilligen. In anonymisierter Form stellte Google diese Daten ausnahmsweise zur Verfügung, um die Situation während der Zeit des Coronavirus auswerten zu können.
Auch wenn 80 Prozent der Smartphones auf Android laufen, gibt es Einschränkungen in der Datenqualität. Zum einen lässt sich die Aussendung der Bewegungsinformationen auch deaktivieren. Zum anderen kann die Zuordnung der aktuellen GPS-Informationen zu einem genauen Ort nicht vollständig korrekt sein – und ist in Großstädten wie München häufig besser als auf dem Land. Dennoch gehen wir schon wegen der extrem hohen Grundgesamtheit der Nutzer von einem sehr aussagekräftigen Bild aus. (Tipp: So deaktivieren Sie das Android-Tracking und das Google-Maps-Tracking).
Markus Söder verkündete für Bayern eine Entscheidung zur Maskenpflicht. In der Region Landshut gab es einen Corona-Ausbruch bei einer Firma. Alle News im Ticker.
Coronavirus-Daten sagen viel, aber nicht alles
Wie wir die Daten berechnet haben (II): Das Mobilitätsverhalten der Münchner und anderer Großstädter haben wir auf Basis von Daten der Firma Apple ausgewertet. Dieses basiert auf der Nutzung der Apple-Navigationsanwendungen zu Fuß, die einen Fokus auf Großstädte hat. Konkret erfasst wird, wenn ein Nutzer sich von Ort A nach Ort B navigieren lassen möchte. Es ist zu vermuten, dass die Mobilität insgesamt längst nicht so stark gesunken ist, wie es die Diagramme von Mailand, München und Mailand zeigen. Der gewohnte Gang zum Supermarkt oder zum Bäcker wird weiter geschehen. Dramatisch gesunken ist hingegen die Mobilität hin zu unbekannten oder selten genutzten Orten, was oft durch die aktuellen Corona-Regeln eingeschränkt wird. Genau diese Orte werden oft via Navigations-App angesteuert.
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