Die Linguistin Elisabeth Wehling erstellte das „Framing Manual“ für die ARD. Nun sorgt die martialische Sprache einzelner Textpassagen für Diskussionen. Kritiker sehen in dem «Framing Manual» der ARD eine Sprachregelung für die Mitarbeiter.
12.04 Uhr: Neben den Kosten für das ARD "Framing Manual" sorgen auch einzelne Textstellen des Dokuments für Diskussionen. So heißt es in dem Manual: "Auch und gerade in Zeiten, in denen Gegner der ARD deren Relevanz in Frage stellen" gehe es darum, die Aufgaben und Ziele der ARD "gegen die orchestrierten Angriffe von Gegnern" zu verteidigen. "Sieht sich die ARD in einem Krieg gegen ihre kritischen Zuschauer?" heißt es in einem Artikel bei bild.de. Die martialische Sprache des ARD-Gutachtens könnte diesen Eindruck tatsächlich erwecken.
Ihren "Krieg" scheint die ARD aber nicht nur gegen Kritiker, sondern auch gegen das Privatfernsehen zu führen. Denn das "Framing Manual" enthält zudem eine Sprachanleitung, wie private Sender gezielt schlechtgeredet werden sollen. Die Arbeit der ARD sei "von moralischen Prinzipien getragen", überzeugt von der eigenen "moralischen Notwendigkeit für das gesellschaftliche Miteinander", steht in dem Dokument. Weiter heißt es, dass die "medienkapitalistischen Heuschrecken" des Privatfernsehens nur dem Profit dienen würden. Sobald der Gebührenzahler dies erst einmal verstanden habe, sei er dagegen, Kultur und Bildung "in die flatterhaften Hände des Kommerz-Rundfunkts zu legen" und die ARD "zugunsten von Kommerz-Sendern" schrumpfen zu lassen, besagt das Dokument zudem.
Diskussion um ARD-„Framing Manual“: 120.000 Euro kostete das Papier
Diskussionen hat das "Framing Manual" schon ausgelöst, als es außerhalb der ARD noch kaum jemandem bekannt war. "Die Aufregung um das Papier halte ich für völlig übertrieben", teilte der ARD-Vorsitzende und Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, mit.
Die Initiative, sich mit Sprache und ihrer Wirkung eingehender zu beschäftigen, reicht nach den Angaben von ARD-Vorsitz und ARD-Generalsekretariat zurück in die Zeit vor rund zwei Jahren, als Medien generell stark kritisiert worden seien.
Es gibt jedoch auch einen legalen Trick, wie man sich von den Rundfunkgebühren befreien kann.
ARD-„Framing Manual“: So viel kostete das Schulungspapier
Damals lag der ARD-Vorsitz noch beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Die Kosten für die Arbeitsunterlage und begleitende Workshops beliefen sich der ARD zufolge auf 90.000 Euro, die der MDR als Vorsitzanstalt bezahlt hat. Weitere 30.000 Euro habe das ARD-Generalsekretariat für Folgeworkshops bezahlt.
Es handele sich um eine Workshop-Unterlage von 2017 und nicht um eine verbindliche Kommunikationsstrategie oder um eine Handlungsanweisung an die Mitarbeitenden, erklärte der ARD-Vorsitzende. Jede Landesrundfunkanstalt habe frei entschieden, wie sie mit den Erkenntnissen umgehe.
ARD-Chefredakteur: „Wir hätten es aber selbst veröffentlichen sollen..."
ARD-Chefredakteur Rainald Becker hätte einen offeneren Umgang mit dem "Framing Manual" gut gefunden. Am Sonntag hat die Plattform "netzpolitik.org" das 89-seitige Papier der Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling ins Internet gestellt. "Ich finde es okay, dass "netzpolitik.org" es veröffentlicht hat", sagte Becker am Dienstag. "Wir hätten es aber selbst veröffentlichen sollen, dann hätte jeder sich ein Bild davon machen können. Wir haben nichts zu verbergen."
Das Generalsekretariat der ARD begründete die Entscheidung, das Papier nicht zu veröffentlichen, damit, dass es sich um eine Unterlage handele, die den Teilnehmern zur Vorbereitung interner Workshops zur Verfügung gestellt werde. "Jedes Unternehmen muss die Möglichkeit haben, in einem geschützten Raum über sich selbst zu diskutieren", teilte das Generalsekretariat am Dienstag mit. "Eine Veröffentlichung ohne Einbettung in eine kritische Workshop-Diskussion ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll."
Der Inhalt des Manuals sei bei jedem Workshop, bei dem es eingesetzt wurde, diskutiert worden - und das auch kritisch. "Aus den Workshops selbst gab es bisher insgesamt positives Feedback, dass das Thema Framing aufgegriffen und offen diskutiert wurde", so das Generalsekretariat. Angesichts des Charakters des Papiers sei die Aufregung und Kritik daran stark überzogen. "Schließlich handelt es sich um eine Workshop-Unterlage, ausdrücklich nicht um eine Kommunikationsstrategie oder eine Handlungsanweisung für Mitarbeitende."
Außerdem sollen die Rundfunkbeiträge bald steigen.
ARD empfindet Reaktionen auf „Framing Manual“ unverhältnismäßig
Auch ARD-Chefredakteur Rainald Becker hält die Reaktionen auf das "Framing Manual" für unverhältnismäßig: «Ich kann da keinen Skandal entdecken, wie einige das getan haben. Wir haben niemanden unter Mindestlohn bezahlt, wir haben niemanden unterdrückt. Ich finde das eine künstlich aufgeblasene Diskussion.» Es sei gut, wenn sich die ARD mit Sprache und Begrifflichkeiten auseinandersetze, sagte Becker. «Ich persönlich hätte dieses Papier aber nicht gebraucht.»
Wehling hatte zum Thema «Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD» zum Beispiel empfohlen, die ARD solle nicht nur Fakten nennen, sondern immer in Form von moralischen Argumenten kommunizieren, wenn sie möglichst viele dazu bringen wolle, sich hinter die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stellen. Gerade in den sozialen Medien war schnell die Kritik an dem ARD-Papier laut geworden, die ARD versuche die Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu manipulieren und gebe Mitarbeitern Sprachregelungen vor.
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ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab weist auch Kritik an „Framing Manual“ zurück
ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab hatte diese Kritik bereits am Donnerstag zurückgewiesen: Das "Framing Manual" sei als Angebot an die Mitarbeiter gedacht, sich mit dem Thema offen auseinanderzusetzen. "Wie sie dann kommunizieren, ist jeder und jedem selbst überlassen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Andreas Cichowicz, Fernseh-Chefredakteur des Norddeutschen Rundfunks (NDR), twitterte am Montag mit dem Kommentar "Trägt hoffentlich zur Versachlichung bei" den Link zur Stellungnahme von Elisabeth Wehling zur Kritik an dem Papier. Die Sprachwissenschaftlerin hatte kurz zuvor auf ihrer Website eine "Klarstellung" veröffentlicht: Ihr Auftrag sei gewesen, die Kommunikation der öffentlich-rechtlichen ARD als Institution zu analysieren und auf Basis der wissenschaftlichen Erfahrung aufzuzeigen, welche Alternativen zu welchen Worten mit welchen Bedeutungsinhalten besetzt seien, erklärte sie.
Trägt hoffentlich zur Versachlichung bei. https://t.co/aexsbtexIa
— Andreas Cichowicz (@ACichowicz) 18. Februar 2019
Dazu habe es entsprechende Workshops gegeben, bei denen sie anwesend gewesen sei. Das "Framing Manual" sei als "interne Arbeits- und Diskussionsunterlage" verfasst worden, "um damit eine breite Grundlage an Optionen zu haben, was davon für eine etwaig daraus abzuleitende Kommunikationsmaßnahmen genutzt werden soll, und was jedenfalls nicht". Wehling, die in Berkeley/Kalifornien in Linguistik promoviert hat, gilt als Expertin für Framing. Darunter verstehen Kommunikationswissenschaftler, dass etwa bei Diskussionen bestimmte Fragestellungen oder Formulierungen den Rahmen dafür setzen, wie über ein Thema gesprochen wird.
Nun hat Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, via Twitter den Rundfunkbeitrag kritisiert. Der CDU-Politiker schrieb, dass eine monatliche Abgabe von einem Euro pro Haushalt ausreichen sollte.
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dpa
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