Werder-Boss Klaus Filbry im DeichStube-Interview: „Den Teufel nicht an die Wand malen“

Im Interview spricht Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Werder Bremen, über die Schwierigkeiten bei der Kaderplanung des SVW.
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Bremen – Abstieg, Pokal-Aus, Paderborn-Pleite, Ausverkauf – es sind keine schönen Begriffe, die derzeit mit Werder Bremen verknüpft sind. Im Interview mit der DeichStube spricht Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung, über die Probleme des Zweitligisten bei der Kadergestaltung, er verteidigt die Arbeit von Sportchef Frank Baumann, und behauptet dass Werder in der 2. Liga trotz aller Widrigkeiten ein Wörtchen um den Aufstieg mitreden wird.

Es gibt keinen Grund, jetzt schon „den Teufel an die Wand zu malen“, sagt Klaus Filbry (54). Zudem: Das Transferziel des Sommers, einen Netto-Erlös von 30 Millionen Euro zu generieren, um Werder Bremen wirtschaftlich über Wasser zu halten, ist durch den Verkauf von Maximilian Eggestein erreicht worden.

1:4-Pleite gegen den SC Paderborn, Pfiffe gegen die Mannschaft, „Baumann-raus“-Rufe gegen den Sportchef – welche Gefühle und Gedanken haben Sie durch den Sonntagnachmittag begleitet, Herr Filbry?

Keine schönen, weil wir keine gute Leistung gezeigt haben und nach einer Ansammlung von individuellen Fehlern eine Niederlage verkraften müssen, die weh tut.

Wie denken Sie über die Proteste gegen Ihren Geschäftsführer-Kollegen Frank Baumann? Er steht in der Kritik, weil auf Spielerabgänge keine Spielerzugänge folgen.

Frank trägt als Geschäftsführer Sport eine hohe Verantwortung für den Verein, und dieser Verantwortung kommt er gerade in einem hohen Maße nach. Ich sehe, wie er sich für diesen Verein einsetzt. Die Pfiffe gegen ihn werden seiner Arbeit für diesen Verein nicht gerecht. Frank agiert im Interesse des Vereins. Deswegen ist die Kritik an ihm aus meiner Sicht nicht angebracht.

Aber Fakt ist: Werder Bremen hat zuletzt viele namhafte Spieler abgegeben und mit den Transfers auch finanziellen Handlungsspielraum geschaffen. Viele Fans verstehen jedoch nicht, dass dennoch keine Neuzugänge kommen, in der Zeit des Wartens aber wichtige Spiele – wie im DFB-Pokal beim VfL Osnabrück und in der Folge gegen den SC Paderborn – verloren gehen.

Vorweg: Die Niederlagen in den angesprochenen Spielen haben nichts damit zu tun, dass wir Spieler verkauft haben. Die Situation ist keine Rechtfertigung für die gegen Paderborn gezeigte Leistung. Auch der bestehende Kader ist gut genug, um gegen einen solchen Gegner gewinnen zu können. Aber es zeigt sich, was wir von Anfang an gesagt haben: Die 2. Liga ist intensiv, nicht berechenbar. Die 2. Liga muss angenommen werden.

Klaus Filbry: Werder Bremen konnte keine Spieler verpflichten bevor nicht klar war, wer den Verein verlässt

Trotzdem nochmal die Frage: Wo bleiben nach all den Abgängen die Neuzugänge? Derzeit sieht es so aus, als würde die Mannschaft ausbluten, Werder Bremen aber nicht mal über Pflaster im Verbandskasten verfügen. Es muss doch die Aufgabe des Managements sein, eine solche Situation zu verhindern.

Ich verstehe diese Kritik. Aber die Dinge lassen sich nicht mal eben auf Knopfdruck lösen. Ein Beispiel zur Erläuterung: Wir konnten solange keinen Stürmer verpflichten, bevor wir nicht wussten, dass wir auch einen verkaufen. Transfers auf Vorrat – das ist etwas, was wir uns nicht leisten können. Wenn wir dann keinen Stürmer abgeben, haben wir einen zu viel, sind auf der Position überbesetzt. Dann explodieren uns die Gehaltskosten. Diese wirtschaftliche Unvernunft dürfen wir uns nicht erlauben.

Jetzt schlägt das Pendel in Richtung sportliche Unvernunft. Sargent, Rashica, Osako, Johannes und Maximilian Eggestein sind weg, die angefragten Stürmer Marvin Ducksch von Hannover 96 und Philipp Hofmann vom Karlsruher SC – sprich: Spieler von direkten Konkurrenten – sind offenbar nicht zu bekommen.

Das sind ja nicht die einzigen Spieler, mit denen wir uns auseinandersetzen. Die Spieler haben signalisiert, dass sie ein Interesse daran haben, zu uns zu kommen. Nur werden sie von ihren Vereinen nicht unbedingt freigegeben.

Und jetzt? Der Grieche Georgios Giakoumakis scheint sich auch anders orientieren zu wollen.

Ich habe keinen Anlass, mich zu weiteren Namen zu äußern. Aber natürlich haben Frank Baumann und Clemens Fritz (Leiter Scouting und Profi-Fußball, d. Red.) einen Plan B und C. Es muss natürlich eine gute Entscheidung sein, die uns weiterhilft. Panikkäufe wird es nicht geben. Frank und Clemens gehen sehr sorgfältig mit der Situation um. Das Zwischenzeugnis wird dann am 31. August ausgestellt, das Endzeugnis aber erst mit Abschluss der Saison.

Was Sie Sorgfalt nennen, kommt bei anderen ganz anders an. Die Kritik am Bremer Vorgehen wächst.

Ich kann nur nochmal betonen: Erst durch die Verkäufe hat sich abgezeichnet, wo in unserem Kader Bedarf herrscht. Die Herausforderung ist es jetzt, bis zum Monatsende Spieler zu finden, die uns weiterbringen. Und dazu sind wir in der Lage.

War es ein Fehler, dass Frank Baumann Neuzugänge schon öffentlich angekündigt hat, die dann nicht gekommen sind?

Frank hat gesagt, dass wir einen Neuzugang holen wollen und nicht, dass wir einen holen werden. Das ist zwar ein kleiner, aber bei diesem nicht vorhersehbaren Transfermarkt wichtiger Unterschied. Wir wollen auch unser nächstes Spiel in Karlsruhe gewinnen, ob wir es auch werden, sehen wir am Samstag.

Maximilian Eggestein wechselt von Werder Bremen zum SC Freiburg

Maximilian Eggestein wechselt zum SC Freiburg, damit geht der nächste Stammspieler und bringt eine weitere Millionen-Einnahme. Wann stoppt Werder die Spielerverkäufe?

Wir hatten schon ohne den Eggestein-Verkauf Brutto-Transfereinnahmen von circa 28 Millionen Euro, von denen netto etwa 26 Millionen bleiben. Dass wir das erreicht haben, sollte übrigens auch in die Bewertung der Arbeit von Frank Baumann und Clemens Fritz mit einfließen. Da wurde hart verhandelt und in einem Markt, in dem extrem wenig Geld zirkuliert, ein wirklich gutes Ergebnis erzielt. Wir wurden zu Beginn der Transferperiode belächelt, als wir unsere Transferziele benannt haben. Es hieß: ,Das schafft ihr nie.’ Jetzt haben wir es weitestgehend geschafft und sind in der Lage, sagen zu können, dass die aktuelle Saison komplett durchfinanziert ist. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Aber: Wir haben noch nach wie vor eine hohe wirtschaftlich Unsicherheit durch die Pandemie. Wir wissen nicht, wann die Stadien wieder voll sein dürfen, wie sich die Zuschauerzahlen entwickeln. Aktuell sind 50 Prozent Auslastung erlaubt, und wir wissen nicht, wann die Einnahmeströme wieder zu 100 Prozent fließen werden.

Das 1:4 gegen Paderborn hat schlimmste Befürchtungen geweckt und Hoffnungen, dass Werder tatsächlich ein Aufstiegskandidat sein könnte, brutal gedämpft.

Wir haben doch erst drei Spiele absolviert. Bis zum 31. August geht es darum, den Wiederaufbau des Kaders so voranzubringen, dass wir über eine Mannschaft verfügen, die in der Tabelle oben mitspielen kann. Diese Zielsetzung haben wir uns gegeben. Wir haben Geld für Ablösen und Gehälter eingeplant. Wir haben einen klaren Rahmen, in dem wir arbeiten. Und: Auch wenn wir gegen Paderborn völlig zu Recht verloren haben, ist es zu früh, den Teufel an die Wand zu malen. Ich sage: Wir werden das Ziel, oben mitzuspielen, erreichen. Aber es wird kein gerader, reibungsloser Weg, sondern ein steiniger anstrengender. Jedem einzelnen Spieler muss klar sein, dass er sich in diese Liga reinbeißen muss, sonst wird es nicht funktionieren.

Hat Sie die Wucht der Unmutsbekundungen am Sonntag – nicht nur die gegen Frank Baumann – überrascht?

Da kommen zwei Dinge zusammen: Zum einen eine berechtigte Unzufriedenheit mit dem Abstieg und natürlich auch eine Ungeduld, weil man sich auf die neue Saison gefreut hat und in der 2. Liga gerne oben eine Rolle spielen möchte. Die Fans wollen einen Aufbruch spüren. Daran arbeiten wir, aber wir haben von Anfang an versucht, ein realistisches Erwartungsmanagement zu betreiben. Aber nach so einer Leistung wie am Sonntag, wo eine wettbewerbsfähige Mannschaft mit guten Spielern auf dem Platz steht, kann man natürlich verstehen, dass es diese Unzufriedenheit gibt.

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