Nach dem 1:0-Arbeitssieg gegen Union Berlin verzichtete Bayern-Trainer Thomas Tuchel bewusst auf Kritik an seiner Mannschaft – und wählte stattdessen Worte des Lobes.
München - Thomas Tuchel ist mittlerweile ein einsamer Mann beim FC Bayern. Zumindest war er es nach dem zähen 1:0 (0:0) gegen Union Berlin. Normalerweise ist der 50-Jährige von einer ganzen Entourage umgeben, wenn er die Katakomben der Allianz-Arena verlässt: Seine Co-Trainer Zsolt Löw, Arno Michels und Anthony Barry sind eigentlich immer dabei, manchmal auch Berater Olaf Meinking oder Pressesprecher Dieter Nickles.
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag schlenderte Tuchel alleine durch die Mixed Zone, um seinen Arbeitstag zu beenden. Ein Abgang mit Symbol-Charakter? Oder zu viel der Interpretation?
Nach zähem Bayern-Sieg gegen Union: Tuchel verzichtet auf Kritik
Fakt ist: Der Fußballlehrer wählte bei seiner Spielanalyse die Worte mit Bedacht und verzichtete auf Kritik - obwohl vor allem das Angriffsspiel in der ersten Halbzeit einem Offenbarungseid glich. „Ich habe kein Problem mit dem Spiel. Wir haben sehr überlegt gespielt und waren sehr diszipliniert“, sagte er am Sky-Mikrofon und erklärte: „Wir hatten gute Torchancen, aber es hat uns an Präzision gefehlt. Wir haben überhaupt keine Konter zugelassen. Im Großen und Ganzen war es okay.“
Normalerweise schreckt Tuchel nicht vor Spieler-Schelten zurück, doch in der jetzigen Phase hat er bewusst einen neuen Kuschelkurs eingeschlagen. Denn seine jüngsten Aussagen nach der Bremen-Pleite über die Qualitätsunterschiede im Training und in den Spielen sorgten sowohl bei seinen Stars als auch in der Chefetage für Unmut. Tenor: Es ist auch die Aufgabe des Trainers, für diesen Leistungstransfer zu sorgen. Es ist nicht das erste Mal, dass den Entscheidungsträgern die öffentlichen „Ratlos-Auftritte“ ihres Trainers missfielen.
Es holpert zwischen Mannschaft und Tuchel
Immerhin wurde Tuchel auch wegen seiner Fähigkeit verpflichtet, Fehler seiner Mannschaften messerscharf analysieren - und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen zu können. Bereits im vergangenen Herbst fürchtete man, dass die Spieler nicht mehr für ihren Trainer durchs Feuer gehen. Damals hieß es, der Trainer werde auch deswegen bis zum Saisonende bleiben, weil es keine Alternativen auf dem Markt geben würde. Doch der Name Xabi Alonso ist nach wie vor Gesprächsthema auf den Fluren der Geschäftsstelle.
Dass es zwischenmenschlich zwischen Team und Trainer holpert, ist auch den Bossen nicht entgangen. Bereits vor Saisonstart hatten sie sich nach tz-Informationen intensive Gedanken gemacht, wie man Mannschaft und Trainer näher zusammenbringen könne.
FC Bayern gegen Union offensiv erneut statisch
Nach den Machtdemonstrationen in den Spitzenspielen gegen Borussia Dortmund (4:0) und Stuttgart (3:0) schien die Formkurve wieder nach oben zu zeigen, doch mittlerweile bemängeln Teile der Mannschaft, dass nach wie vor keine klare Handschrift zu erkennen ist. Zwar haben die Tuchel-Bayern viel Ballbesitz, aber das Spiel nach vorne ist bewusst äußerst statisch.
Tuchel will in der Offensive im Kollektiv so wenig Risiko wie möglich gehen - und setzt daher auf Einzelaktionen von Leroy Sané & Co. und den abschlussstarken Harry Kane.
Nicht umsonst monierte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen nach der Heimniederlage gegen Bremen: „Wir haben in den ersten 70 Minuten langweiligen Fußball gespielt.“ Ein klarer Arbeitsauftrag an Tuchel für die nächsten Wochen. Manuel Bonke, Philipp Kessler