Evian - In England gefeiert, bei der Nationalmannschaft in der Kritik: Mesut Özil ist beim Weltmeister der Mann mit den zwei Gesichtern.
An Mesut Özil scheiden sich die Geister - Joachim Löw hat allerdings keine zwei Meinungen über den Spielmacher des FC Arsenal. "Überragend", lautet das kurze und eindeutige Urteil des Bundestrainers über Özil, der nach den ersten beiden Spielen der deutschen Nationalmannschaft bei der EM wieder viel Kritik und Häme einstecken muss.
"Ich glaube an seine Fähigkeiten, er ist ein überragenden Passspieler und wird im weiteren Turnierverlauf schon noch kommen", sagte Löw am Samstag über den 27-Jährigen, der zum Auftakt gegen die Ukraine in der Nachspielzeit das entscheidende 2:0 von Bastian Schweinsteiger mustergültig vorbereitet hatte.
Özil selbst lässt jegliche Kritik an seiner Person abperlen. "Welche Kommentare die Leute abgeben, positiv oder negativ, interessiert mich nicht", sagte der gebürtige Gelsenkirchener, für den bei der DFB-Auswahl nur die Meinung von Joachim Löw wichtig ist: "Für mich zählt einzig das, was der Trainer sagt."
Löw über Özil: "Hat viel gearbeitet, auch nach hinten"
Der Bundestrainer musste das schlampige Genie nach dem Auftritt gegen Polen in Schutz nehmen: "Er hat viel gearbeitet, auch nach hinten." Das stimmte zwar, aber der Anspruch an einen Mesut Özil ist ein ganz anderer, wie der England-Legionär selbst unterstreicht: "Mein Ziel ist es, auf der Zehn meine Leistung zu bringen und Tore vorzubereiten und möglichst selbst zu erzielen."
Beim 0:0 gegen Polen gelang
dem deutschen Facebook-König (30,3 Millionen Follower) in seinem 75. Spiel beides nicht. Anschließend reagierte Özil angefressen auf die Kritik seines Abwehrchefs Jerome Boateng, der die Probleme im deutschen Spiel offen angesprochen hatte. "Das ist seine Meinung." Süffisant fügte er an: "Er weiß ja, wie man vorne spielt." Boateng hatte zuvor erklärt, dass man über das 0:0 froh sein müsse und in der Offensive künftig mehr Abschlüsse brauche, mehr investieren müsse: "Das muss sich verbessern. Sonst kommen wir nicht weit."
Özil wischt Kritik weg
Dies Kritik wischte Özil ohne einen Anflug von Selbstkritik weg: "Die Polen standen schließlich mit 50 Mann hinten. Das ist normal, dass man dann seine Schwierigkeiten hat."
Dass er sich durch solche Aussagen keine Freunde macht, nimmt Özil offensichtlich in Kauf. Der schweigsame Supertechniker, vor einigen Wochen noch von den Fans des FC Arsenal zum Spieler der Saison gewählt, fühlt sich oftmals zu Unrecht kritisiert und zieht sich dann in sein Schneckenhaus zurück.
Dabei könnte er genauso, wie es im DFB-Camp in Evian Lukas Podolski vormachte, auf seine hervorragende Bilanz verweisen. In der Premier League war Özil bei Arsenal für 19 direkte Torvorlagen verantwortlich, Ligabestwert in der abgelaufenen Spielzeit.
©
Özil wohl auch gegen Nordirland in der Startelf
Seinen Stellenwert für die Nationalmannschaft hat er auch oft genug bewiesen. Bei der EURO in Polen und der Ukraine bereitete er 2012 sieben Tore vor und sorgte damit ebenfalls für einen Topwert. Dies war ihm bereits zwei Jahre zuvor bei der WM in Südafrika gelungen - und im selben Jahr in der Europa League und 2011 in der Champions League.
"Seine letzten Pässe sind genial", wiederholte denn auch Löw vor dem letzten EM-Gruppenspiel der DFB-Auswahl am Dienstag in Paris gegen Nordirland (18.00 Uhr/ARD). Im Prinzenpark will Özil nach seinem bislang einzigen Geniestreich gegen die Ukraine den Beweis seiner Klasse endlich wieder antreten.
SID