Lille - Länderspieltore von Bastian Schweinsteiger sind eine Rarität. Zuletzt jubelte der DFB-Kapitän im Oktober 2011, das letzte Turniertor vor Lille lag sogar acht Jahre zurück. Nach dem traumhaften Kurzauftritt zum EM-Start ist der glückliche Bundestrainer Löw speziell gefordert.
Plötzlich kam der „Schweini“ in ihm wieder zum Vorschein. Wie zu seinen frechen Anfangszeiten im Nationalteam startete Bastian Schweinsteiger auf dem rechten Flügel durch und schloss den Konter mit einem Traumtor zum umjubelten 2:0-Endstand ab. „Nach dem Sprint nach vorn war ich ein bisschen außer Atem“, gestand der mittlerweile leicht ergraute 31-Jährige nach seinem ersten großen Moment beim siebten Turnier. Gerade einmal zwei Minuten war der im EM-Jahr lange verletzte Kapitän am Sonntagabend in Lille auf dem Feld, da überraschte er mit seiner mitreißenden Aktion selbst den Bundestrainer: Er erzielte sein erstes Turniertor seit der EM 2008.
„Es war eigentlich gar nicht geplant, dass er soweit vorne auftaucht. Er sollte für Absicherung sorgen“, schilderte Joachim Löw die Vorgaben an den Einwechselspieler Schweinsteiger. „Es freut mich natürlich sehr, dass Bastian Schweinsteiger nach der gesamten Schufterei in den letzten Monaten und Wochen so ein tolles Comeback feiert. Ich denke, das Tor gibt Bastian persönlich und auch uns allen Auftrieb.“ Die Emotionen speziell nach dem Schweinsteiger-Tor sollen den Weltmeister weiter antreiben in Frankreich.
Schweinsteiger: Unglaublich, dass es so was gibt"
Mit erhobenem Daumen verließ der stolze Schweinsteiger als letzter DFB-Star den EM-Rasen in Lille. Er genoss den Jubel der Fans ganz besonders, ja, er kostete ihn aus. „Es tut einfach gut, wenn die Menschen so reagieren“, sagte der Mittelfeldstratege von Manchester United nach einer wieder einmal gesundheitlich schwierigen Saison. „Unglaublich, dass es so was gibt, das kann man sich nur wünschen. Ich habe in diesem Jahr nur 300 Spielminuten in den Knochen - und dann so was“, staunte der älteste Akteur des deutschen EM-Kaders selbst.
Als „Wahnsinn“ bezeichnete Thomas Müller den furiosen Kurzauftritt von Sprinter Schweinsteiger. Man habe gesehen, wie viel Last von ihm abgefallen sei, „wie viel Freude Basti dann auch ausgestrahlt hat“, beschrieb es der für ihn ausgewechselte Mario Götze.
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Der Auftritt gegen die Ukraine unterstrich, dass mit Schweinsteiger wie bei der triumphalen WM vor zwei Jahren in Brasilien wieder zu rechnen ist. „Das freut uns natürlich alle für ihn. Er hat hart gearbeitet, um bei dem Turnier erstmal dabei zu sein“, berichtete der frühere Bayern-Kollege Jérôme Boateng. „Jetzt hoffen wir, dass er in nächster Zeit noch fitter wird und an die hundert Prozent kommt.“
Schweinsteiger selbst stellte nach seinem 116. Länderspiel und dem 24. Tor, seinem ersten Treffer im DFB-Trikot seit dem 7. Oktober 2011, keine zu forschen Ansprüche. „Wichtig ist, dass ich gesund bin. Ich hoffe, das ich jetzt peu à peu mehr spielen kann“, sagte einer der Helden aus dem WM-Finale.
Wie bei der WM vor zwei Jahren ist Löw gefordert, die Belastung seiner wertvollen, aber verletzungsanfälligen Führungskraft gut zu dosieren. 2014 kam Schweinsteiger in Spiel zwei gegen Ghana als Einwechselspieler und stand danach in fünf weiteren Begegnungen bis ins Endspiel immer in der Startelf. Spannend ist die Frage, wer für Schweinsteiger bei einer Rückkehr in die Anfangsformation weichen müsste.
Mitspieler hoffen auf Schweinsteiger in der Startelf
Manuel Neuer, der den etatmäßigen Kapitän Schweinsteiger gegen die Osteuropäer vertrat, wünscht das schnell. „Die Qualität von Bastian Schweinsteiger kennt man. Er bringt die Ordnung in unser Spiel, die wir brauchen. Er weiß genau, wann man Tempo rausnehmen muss, steht sehr gut in der Achse und kann die Ordnung sehr gut halten“, rühmte Neuer seinen ehemaligen Bayern-Mitspieler. Beim Sprint habe man auch gesehen, „dass er richtig fit ist“. Und in die Herzen der Fans hat sich „Schweini“ wie in den Anfangsjahren sowieso wieder geschossen.
Schweinsteiger, der im EM-Jahr bei Manchester United nur 141 Minuten gesund auf dem Spielfeld gestanden und sein kurzes Länderspiel-Comeback vor einer Woche als Einwechselspieler beim 2:0 gegen Ungarn gegeben hatte, stellte keine Ansprüche.
Dafür aber legten sich die Teamkollegen mächtig für den Mittelfeldstrategen ins Zeug. „Ich hoffe, dass er so früh wie möglich von Beginn an spielen und zeigen kann, was für ein Klassespieler er ist“, sagte Ersatzkapitän Manuel Neuer. Spannend ist die Frage, wer dann draußen bleiben muss.