Was trieb den DFB zur kuriosesten EM-Nominierung seiner Geschichte? Medien-Experte klärt auf

Der DFB ging bei der Bekanntgabe des EM-Kaders von Julian Nagelsmann ungewöhnliche Wege. Ein Medien-Experte erklärt, welche Strategie dahinter steckt.

München - Am Donnerstag um 13 Uhr war es dann endlich so weit!

Julian Nagelsmann trat vor die Presse und verkündete die fehlenden Namen im DFB-Kader für die EM 2024 in Deutschland. Kurios: Bereits seit Sonntagabend hatte der Verband via Salamitaktik vereinzelte Nominierungen bekannt gegeben. Bis zur offiziellen Verkündung waren bereits 18 Stars vorab nominiert worden.

DFB-Kader für EM 2024: Medien-Experte klärt kurioseste Bekanntgabe der DFB-Geschichte auf

So wurde das EM-Ticket für Nico Schlotterbeck beispielsweise in der Tagesschau verkündet. Die Nominierung von Florian Wirtz gab es auf einem Konzert von Rapperin Nina Chuba. Oder Jonathan Tahs Teilnahme an der Heim-EM wurde von der Influencerin „Oma Lotti“ enthüllt. Doch was hat es damit auf sich?

Medien- und Marketingexperte Florian Greß gibt im Interview einen Einblick und klärt auf, warum der DFB dieses Mal diesen Weg wählte. Greß kennt sich in dem Business aus, er arbeitet als Head of Communication bei We Play Forward in München, einer Agentur, die mehrere Top-Athleten und -Marken in den Bereichen PR, Social Media und Marketing berät.

Warum wählt DFB den Weg bei Bekanntgabe des EM-Kaders? Medien-Experte Greß im Interview

Herr Greß, der DFB ging in Sachen EM-Kadernominierung in diesem Jahr ganz neue Wege. Auffällig dabei: Viel Social Media. Welches Ziel verfolgt der DFB damit?

Florian Greß: Bei den Nominierungen war alles mit dabei: Über lineares TV wie die Tagesschau in der ARD, via Frauke Ludowig bei RTL, aber auch Hörfunk 1Live und eben angesagte Social-Media-Influencer wie Oma Lotti. Durch die stückchenweise Ernennung einzelner Spieler wird ein enormer Spannungsbogen aufgebaut und das in den verschiedensten Zielgruppen von jung bis alt. Trotzdem landet am Ende jeder Name auch auf den bewährten Sportportalen. Die damit erzielte Reichweite ist über mehrere Tage enorm und übertrifft die Aufmerksamkeit gegenüber einer kompakten Kadernominierung an nur einem Tag um das Vielfache. Auch die selbstverständlichsten Spielernominierungen waren somit eine Meldung und hatten ihr persönliches Schaufenster.

Das sorgte für großes mediales Echo.

Greß: Auf Social Media gab es dann die buntesten Memes mit den witzigsten Ideen.

Welche Vorteile bringt das noch?

Greß: Als weiterer Effekt stärkt der DFB damit auch seine Beziehungen zu wichtigen medialen Playern. Fast jeder bekommt etwas vom Kuchen ab. Hinzu kommt: In Zeiten des Journalismus, indem enorm viele Informationen vorab geleaked werden, ist es dem DFB im Großen und Ganzen sehr gut gelungen, vor die Leakwelle zu gelangen und die einzelnen Informationen über die verschiedenen Assets zu lancieren. Ich bin mir sicher: Wären alle Namen erst am Donnerstag in der Pressekonferenz bekannt gegeben worden, hätten wir sonst über die üblichen medialen Player mehr oder weniger ungeplant einen sehr großen Teil des Kaders vorab erfahren. So konnte der DFB die Aufmerksamkeit auch auf die eigenen Kanäle richten.

„Gen Z erreichst du nur so“: Medien-Experte klärt kurioseste EM-Kader-Bekanntgabe der DFB-Geschichte auf

Allerdings kam die Aktion nicht bei allen Anhängern gut an. Warum echauffieren sich so viele Fans über die Art und Weise der EM-Nominierung?

Greß: Es ist eben etwas völlig Neues, an das man sich erst gewöhnen muss. Die Generation Z ist heutzutage nun mal am besten über Influencer auf Instagram oder TikTok zu erreichen, während ältere Generationen damit wenig anfangen können. Hier befinden wir uns gerade in einem Wandel. Allen kann man es aber sowieso nicht recht machen – dafür ist der individuelle Medienkonsum eben viel zu diversifiziert. Genau deshalb ist der Ansatz vom DFB aber eben auch so innovativ und sinnvoll.

Wie könnte sich dieser „besondere Weg“ der EM-Nominierung auf die Marke DFB auswirken?

Greß: Das oberste Ziel des DFBs ist es, maximale Vorfreude und Spannung zu erzeugen. Ende 2023 war der Tenor im Lande noch, dass ein halbes Jahr vor EM Auftakt noch keinerlei Vorfreude zu spüren ist. Wie sehr all diese Nominierungen nun diskutiert werden zeigt aber doch, dass sich jeder damit beschäftigt… dass wir eine Euphorie da haben. Die Deutsche Fußball Nationalmannschaft ist nicht mehr „egal“. Wenn Anfang Juni auch noch die Ergebnisse in den Testspielen passen, bin ich zuversichtlich, dass wir schnell wieder bei Einschaltquoten Richtung 20 Mio. Zuschauer herum landen.

Aus Marketingsicht: Würden Sie von einer gelungenen Kampagne sprechen?

Greß: Seit der ersten Bekanntgabe in der Tagesschau Sonntagabend ist es das dominante Thema in den sozialen Netzwerken und das dürfte bis Ende der Woche auch noch so weitergehen. Am Ende gab es nun auch noch die eine oder andere Fake-Nominierung, aber der DFB hat eigentlich jede korrekte Nominierung unmittelbar auf den eigenen Kanälen geteilt, um genau solche Verwirrungen zu unterbinden und allem einen offiziellen Stempel zu geben.

„Maximale Aufmerksamkeit“: Medien-Experte nennt Gründe für DFB-Weg der Kader-Nominierung

2008 hat man den EM-Kader auf der Zugspitze bekanntgegeben. Da war die Message klar: Wir wollen auf den Gipfel. Welche Message steckt 2024 dahinter?

Greß: Maximale Aufmerksamkeit und Diskussionen – die Botschaft, dass die große Heim-EM vor unserer Tür steht, soll jeden erreichen – nicht nur das übliche Fußballpublikum.

⁠Kann tatsächlich durch eine solche Kadernominierungskampagne die Vorfreude auf die EM gesteigert werden?

Greß: Auf jeden Fall, ja. Einige Ideen waren so kurios, dass sie einen enormen viralen Charakter hatten. Nun will der Fan auch wissen, wie es weitergeht.

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