Lens - Cristiano Ronaldo blieb bis zur 117. Minute blass, und auch sonst landete Portugal einen seiner hässlichsten Siege. Aber das Team steht im Viertelfinale.
Cristiano Ronaldo herzte seine Mitspieler, jeden einzeln, er tröstete seinen unglücklichen Vereinskollegen Luka Modric, aber ansonsten blieb er im Augenblick des Sieges ganz ruhig. Bei seinem siebten großen Turnier darf der Superstar weiter vom ersten Titel mit der portugiesischen Nationalmannschaft träumen - doch den Weg dorthin beschritten er und Portugal mit einem ihrer hässlichsten Siege.
Ronaldo, der im Vereinsfußball alles gewonnen hat, erkämpfte mit seiner Mannschaft im EM-Achtelfinale gegen den "Geheimfavoriten" Kroatien in einer grausam schwachen Begegnung ein 1:0 (0:0) nach Verlängerung. Im Viertelfinale wartet am Donnerstag in Marseille Polen.
Den entscheidenden Treffer erzielte Ricardo Quaresma (117.), nachdem Kroatiens Torhüter Danijel Subasic einen Schuss von Ronaldo, dessen einzigen auf das Tor in 120 Minuten, nicht entscheidend hatte parieren können. Portugal wurde damit spät für seine Defensiv-Taktik belohnt - auch Ronaldo hatte sich ihr untergeordnet.
"Wir waren das bessere Team, aber wir können uns davon nichts kaufen. Wir haben die Tore nicht gemacht", klagte Kroatiens Torhüter Subasic. Portugals Verteidiger Pepe prophezeite: "Gegen die Polen wird es schwer, aber mit dieser Teamleistung ist alles drin."
Nach seiner Gala beim 3:3 im letzten Gruppenspiel gegen Ungarn war von Ronaldo außer seinem Torschuss kaum etwas zu sehen. In der ersten Halbzeit hatte er keinen Ballkontakt im gegnerischen Strafraum, nach 90 Minuten war er an keinem Torschuss beteiligt - weil es auf beiden Seiten keinen gab! Sekunden vor dem Siegtreffer der Portugiesen hatte Ivan Perisic für Kroatien den Pfosten getroffen. Auch Luka Modric, zuvor so überzeugend bei den Kroaten, setzte sich vor 33.523 Zuschauern in Lens während eines öden Spiels kaum in Szene.
Nach dem Unentschieden gegen Ungarn hatte Portugals Trainer Fernando Santos offensichtlich genug von seiner Abwehr: Gegen die technisch versierten Kroaten wechselte er gleich drei Spieler in der Abwehrkette aus, unter anderem den Wolfsburger Vieirinha. Vom Stammpersonal verschont blieb lediglich Pepe. Gegen diese neuformierte Hintermannschaft hatten die Kroaten so ihre Probleme, allerdings auch, weil der portugiesische Trainer erst mal "safety first" als Grundeinstellung vorgegeben hatte.
Spiel auf keinem hohem Niveau
Das Spiel stand lange Zeit auf keinem hohen Niveau. Portugal wartete ab, was die Kroaten machen würden, doch diese konnten sich kaum entfalten. Unter anderem, weil sie von äußerst aggressiven Portugiesen bearbeitet wurden, allen voran Regisseur Modric von Adrien Silva.
Es dauerte bis zur 25. Minute, ehe die Zuschauer im Stade Bollaert-Delelis eine gute Chance für eine der beiden Mannschaften sahen. Nach einem Freistoß von Raphael Guerreiro flog der Kopfball von Pepe über das Tor. Dass Pepe im Abseits stand, entging Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo aus Spanien. Kurz darauf kamen auch die Kroaten dem gegnerischen Tor erstmals zumindest semi-gefährlich nahe: Ein Schuss von Perisic flog aber ans Außennetz.
Renato Sanches sollte mehr Räume für den Kapitän reißen und etwas Entlastung im Spielaufbau bringen. Der 35-Millionen-Transfer von Bayern München kam in der 50. Minute und ordnete sich im rechten Mittelfeld ein - er belebte das lahmende Offensivspiel zumindest etwas. Sein Schussversuch war allerdings ein Kullerball (56.). Die Kroaten waren kurz zuvor zu einer Doppelchance durch Marcelo Brozovic (52.) gekommen.
sid