Nur Verlierer: Wie kam es zum großen „Bosse-Beben“ in Hoffenheim?

Die TSG Hoffenheim hat sich in der Chefetage für eine „Neuausrichtung“ entschieden. Ein klares Konzept? Es ist bislang nicht zu erkennen.

Sinsheim - Und plötzlich stand die TSG Hoffenheim am 29. Juli bundesweit in den Schlagzeilen. „Neuausrichtung bei der TSG Hoffenheim“ lautete die Pressemitteilung, die viele Fragen offen gelassen hat. Sport-Geschäftsführer Alexander Rosen und der Technische Direktor Bastian Huber mussten sofort gehen, Kommunikations-Geschäftsführer Denni Strich bat um die Auflösung seines Vertrags, Jan Meyer zog sich aus der ersten Reihe heraus.

„Bosse-Beben“ wirkt nicht wie eine koordinierte Umstrukturierung

Am darauffolgenden Tag folgte Sportdirektor Pirmin Schwegler, der nur noch bis 6. September da bleiben und somit die Transferperiode begleiten und anschließend möglicherweise zu Eintracht Frankfurt wechseln wird. Nachfolger für die sportliche Leitung wird Frank Kramer, der zuvor Direktor im Nachwuchsbereich war. Eine koordinierte Umstrukturierung? Damit hatte dieses „Bosse-Beben“ wenig zu tun. Der Zeitpunkt ergibt nur wenig Sinn, in vier Wochen schon schließt das Transferfenster.

Es wirkt wie ein Machtkampf, der nur Verlierer kennt. Ein Thema ist dabei die Zusammenarbeit mit der Berateragentur von Roger Wittmann. War Rogon der Strippenzieher? Die Verbindung zu Vereinspatron Dietmar Hopp ist eng, der Einfluss gewaltig. Es gab Zeiten, in denen Rogon für die TSG eine Art Schattenkader zusammengestellt hat. Den Fans des Klubs ist der Einfluss der Wittmann-Agentur ein Dorn im Augen.

Bereits im vergangenen Februar mahnten die Fans

Sie protestieren im vergangenen Februar mit einer Choreo, die eine Rote Karte zeigte und schrieben: „Wittmann, der seit über zehn Jahren zu viel Einfluss auf unsere TSG nimmt und regelmäßig Transfers abwickelt, ist sich seiner Machtposition im Verein selbst bestens bewusst. (…) Er handelt stets im eigenen Interesse an überzogenen Provisionen. Kein vergleichbarer Bundesligist kann es sich herausnehmen, regelmäßig 10-15 Millionen Euro teure Flops zu kaufen.“

Natürlich lassen sich einige positive Beispiele wie Joelinton, Luis Gustavo oder Georginio Rutter nennen. Sie kamen für kleines Geld und verließen den Klub für viele Millionen. Doch es gab auch die sündhaft teuren Fehlgriffe wie in den vergangenen beiden Jahren Attila Szalai und Stanley Nsoki, die jeweils etwa zwölf Millionen Euro gekostet haben. Der Unmut über die Verbindung geht jedoch über das reine Transfergeschäft hinaus.

Enge Verbindung zwischen Hopp und Rogon

Ohne zu weit ins Detail zu gehen, lässt sich festhalten: Hopp hatte 2020 einen Klub in Brasilien übernommen, der von Personen und Firmen aus dem Rogon-Dunstkreis aufgebaut wurde. Ob nun aber diese Beziehungen zum Rosen-Aus und dem großen Knall geführt haben? Das bleibt Spekulation. Doch es geht um die Themen Macht und Intrigen. Schwegler hatte Ende April bewusst gesagt, dass die Mannschaft trotz aller internen Reibereien gegen Gladbach gewonnen habe.

Die Mannschaft und Trainer Pellegrino Matarazzo wurde übrigens am Tag des Rosen-Aus ebenfalls informiert - und zwar nach fussball.news-Informationen von den Fans vor Ort. „Ich war mehr als überrascht, schockiert. Es fühlte sich unrealistisch an“, sagte etwa Kapitän Oliver Baumann dem kicker. Wie es nun weitergeht im Kraichgau nachdem die Interimsvorsitzende des e.V., Simone Engelhardt, gemeinsam mit Hopp für eine Erschütterung gesorgt hat?

Hängen die Entscheidungen mit 50+1 zusammen?

Der Kader steht hinten und vorne noch nicht zusammen, mit David Jurasek und Ozan Kabak fallen zwei als Stützen eingeplante Defensivakteure lange aus. Zudem sind die sehr erfahrenen Leader John Anthony Brooks und Wout Weghorst weg. Das Team ist jung und talentiert, es wirkt in der jetzigen Zusammensetzung allerdings nicht gerüstet für den Tanz auf den drei Hochzeiten Bundesliga, Europa League und DFB-Pokal.

Weshalb eine solch einschneidende Entscheidung nicht schon nach dem Abpfiff am 18. Mai oder dann ab 1. September getroffen werden konnte? Unklar. kicker-Reporter Benni Hofmann stellt die „Frage nach 50+1“ und erkannte: „Nie um Macht will es Hopp gegangen sein. Wie aber ist zu erklären, dass Simone Engelhardt, die im Verbund mit dem ehemaligen e.V.-Vorsitzenden Kristian Baumgärtner monatelang hinter der sportlichen Führung um Rosen stand, plötzlich ihre Meinung geändert hat? Womöglich wird dieser Vorgang noch das Bundeskartellamt in Sachen 50+1 interessieren.“

Was bedeutet das Führungs-Chaos für die Kaderplanung?

Weitere spannende Themen bleiben offen: Wollen neue Spieler in ein solches Führungs-Chaos wechseln? Fühlen sich einige Profis, die sich unter Rosen noch zur TSG bekannt hatten, nun vor den Kopf gestoßen? Hat Kramer das nötige Netzwerk und Verhandlungsgeschick, um nun die richtigen Türen zu öffnen? Oder werden die Planungen nun von den Vertrauensleuten von Hopp übernommen?

Die Anhängerschaft jedenfalls hat ihr Urteil gefällt. Rund um das TSG-Stadion hingen am Dienstag zahlreiche Spruchbänder, auf denen die Trennung von allen drei Geschäftsführern als Fehler bezeichnet wurde. „Wir Fans sind der Verein. Hopp, verpiss dich“ war auf einem Plakat zu lesen, auf einem weiteren: „Jetzt seid ihr zu weit gegangen! TSG-Gesellschafter, ihr habt einen Krieg begonnen, den ihr nicht gewinnen könnt!“ Es bleibt spannend im eigentlich so beschaulichen Kraichgau.

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