Wo sind sie, die deutschen Top-Talente? Die Spitzenklubs - auch aus der Bundesliga - reißen sich eher um Engländer, Franzosen oder Niederländer.
Köln - Nein. Nein. Immer noch nicht. Nein. Nicht weniger als 40 Supertalente des Fußballs umfasste vergangenen Monat die jährliche Liste der italienischen Sportzeitung Tuttosport. Zehn Spieler auf dem Weg zu Weltstars standen auf der FIFA-Liste für den Kopa Award. Doch es ließ sich klicken und klicken: Kein einziger Deutscher war zu finden.
Auf dem Transfermarkt reißen sich die Spitzenvereine stattdessen um die Goldene Generation der Franzosen mit Kylian Mbappe oder die jungen Engländer um Jadon Sancho. Frenkie de Jong und Mathijs de Ligt, die Niederländer von Ajax Amsterdam, werden von halb Europa gejagt. Christian Pulisic (USA) von Borussia Dortmund gehört dazu, gerade hat der FC Chelsea für ihn 64 Millionen Euro bezahlt. Amadou Haidara (RB Salzburg/Mali) und der Japaner Ritsu Doan (FC Groningen) sind aufgeführt. Nur kein Deutscher. Warum?
BVB-Boss Watzke fordert Umdenken
Hans-Joachim Watzke beobachtet diese besorgniserregende Entwicklung schon länger. Im Interview mit der Bild-Zeitung (Freitagausgabe) fordert der BVB-Geschäftsführer ein energisches Umdenken. "Ich halte es für die größte sportliche Herausforderung, unser gesamtes Jugendkonzept auf den Prüfstand zu stellen", sagte Watzke.
Er sieht den Fußball "in der deutschen Talentförderung ein wenig vom guten Weg abgekommen. Ich habe momentan nicht das Gefühl, dass wir hier richtig gut aufgestellt sind." Besonders bei den 16- bis 20-Jährigen habe er den "Eindruck, dass wir ein bisschen schwächer geworden sind". Doch welcher Weg ist zu nehmen?
Sancho beim BVB - Hudson-Odoi zum FCB?
Gezwungenermaßen, so schildert es Watzke, befeuern auch die Dortmunder den Trend. Sie haben sich zuletzt zumeist im Ausland bedient: Pulisic ist Amerikaner, Ousmane Dembele (inzwischen FC Barcelona) Franzose, Dan-Axel Zagadou auch, Alexander Isak Schwede, Achraf Hakimi Marokkaner. Nun soll der Argentinier Leonardo Balerdi kommen. Der in der Hinrunde so überragende Jadon Sancho stammt aus England.
"Ich weiß nicht, ob die jungen englischen Spieler besser sind als die deutschen", sagte der pfeilschnelle Außenstürmer Sancho (18) im Trainingslager des BVB in Marbella. "Ich weiß nur, dass sie sehr hart für ihre Chance arbeiten. Wir alle wollen unseren Familien helfen und zu Spielern werden, auf die sie stolz sein können." Anderen englischen Talenten wie Callum Hudson-Odoi (18/FC Chelsea), den Bayern München verpflichten will, empfehle er die "gute Liga", in der "viel für die Jugend getan" wird.
Havertz vor Durchbruch - aber dann?
Auch für die deutsche? Es gibt starke Spieler unter 21. Kai Havertz hätte eine Nominierung verdient gehabt, der 19-Jährige von Bayer Leverkusen ist bereits Nationalspieler. Hertha BSC versammelt eine junge Garde deutscher Spieler, aus denen Arne Maier herausragt. Werder Bremen hat Johannes Eggestein, Borussia Mönchengladbach Florian Neuhaus.
Dann jedoch wird es schon dünn. Ein internationales Begehren wie bei Leroy Sane (Manchester City/23) gibt es kaum. Keiner der U21-Europameister von 2017 wie Max Meyer, Finaltorschütze Mitchell Weiser oder Maximilian Philipp kam auch nur in die Nähe des WM-Kaders von 2018, wie DFB-Trainer Stefan Kuntz nach dem Aus in Russland im SID-Interview feststellte. Er sprach von "Alarmzeichen".
Kritik von den Nachwuchstrainern
Norbert Elgert hat in der Schalker "Knappenschmiede" Weltklasse-Leute wie Manuel Neuer, Mesut Özil und eben Sané geformt. "Wir müssen mehr Entscheidungsfreude fördern. Wir brauchen Spieler, die sich mehr zu dribbeln trauen", sagte er Sport1.
Bezeichnend: Wer gut dribble, werde zum "Fummelkopp" gestempelt. Es fehle eklatant an mentaler Stärke. Mehmet Scholl überspitzte: "Stattdessen können sie 18 Systeme rückwärts laufen und furzen."
sid