Joachim Löw öffnet seine Seele und spricht über private Rückschläge. Der ehemalige Bundestrainer gibt überraschende Einblicke.
Freiburg – Zwischen 2006 und 2021 erlebte Joachim Löw als „Bundes-Jogi“ viele Höhen und Tiefen. In einem ausführlichen Interview bei Sky („Meine Geschichte“), das über zwei Wochen ausgestrahlt wurde, gewährte Löw tiefe Einblicke in sein Gefühlsleben.
Ein bedeutender privater Rückschlag prägte Löws Leben: Mit seiner Frau Daniela, die er 1986 heiratete und von der er sich 2016 trennte, hegte er lange den Wunsch nach Kindern. Doch dieser Traum blieb unerfüllt.
Löw hegte Kinderwunsch
Moderator Riccardo Basile fragte ihn, ob er sich je vorgestellt habe, wie sein Leben mit eigenen Kindern verlaufen wäre. Löw antwortete: „Das habe ich mir nicht nur einmal vorgestellt, sondern das stelle ich mir natürlich häufiger vor.“ Er fügte hinzu: „Das wäre natürlich wunderschön gewesen.“
Die Tragik erklärte Löw mit den Worten: „Meine Frau konnte keine Kinder bekommen.“ Das Paar habe es „immer wieder mal versucht“, sich aber schlussendlich mit einem Leben ohne Kinder „ein Stück weit abgefunden“. Löw betonte, dass er dadurch mehr Freiheit in seinem Beruf hatte, doch „heute denke ich natürlich manchmal, es wäre schön gewesen, mit eigenen Kindern.“
Nach WM-Sieg rutscht Löw in „mentales Loch“
Nach dem WM-Sieg 2014 fiel Löw in ein „mentales Loch“, ebenso wie nach dem Ausscheiden bei der WM 2018. Er beschrieb das Leben als Bundestrainer mit einer „Achterbahn der Gefühle“.
Nach dem Triumph 2014 wollte Löw noch nicht abtreten und sich quasi auf dem Höhepunkt seiner Karriere ein Denkmal setzen, sondern Deutschland an der Spitze im Weltfußball halten. Doch nach dem Erfolg und einige Wochen des Feierrausches stellte sich eine gewisse Leere bei ihm ein.
Jagd der Paparazzi auf Löw
Die Neugier der Öffentlichkeit belastete ihn zusätzlich. „Wenn ich mit Freunden am Strand einen Espresso trinken wollte in der Badehose und man wird überall von Paparazzi verfolgt, das macht schon was mit einem“, erklärte Löw. Auch seine Familie und Freunde blieben davon nicht verschont.
2018 suchte Löw Unterstützung beim DFB-Teampsychologen Hans-Dieter Hermann, um das frühe WM-Aus zu verarbeiten. Der erlebte Shitstorm habe ihm schon ein „bisschen wehgetan“. Rückblickend wäre 2018 der richtige Zeitpunkt für seinen Rücktritt gewesen, räumte Löw erneut ein.
Der 65-Jährige gab auch Einblicke in sportliche Entscheidungen. Zunächst verstand er selbst nicht, warum seine Mannschaft, die alle Qualifikationsspiele zur WM 2018 gewonnen hatte, bei der WM so schwach auftrat. Später erkannte er, dass politische Faktoren eine erhebliche Rolle spielten.
Löw räumt ein: Özil hätte WM 2018 nicht spielen sollen
Die Kontroverse um Mesut Özil und İlkay Gündoğan, die sich mit dem türkischen Präsidenten Erdogan ablichten ließen, trieb einen Keil zwischen das DFB-Team. „Das hat die Mannschaft gespalten“, so Löw. DFB-Stars fragten deshalb den Bundestrainer, ob es besser wäre, beide nach Hause zu schicken.
Löw wollte vor allem Özil schützen, da er viel für das Team geleistet hatte, doch im Nachhinein, so der Ex-Bundestrainer, hätte er beide Spieler vor der WM 2018 nach Hause schicken sollen. „Weder der Mesut noch der İlkay waren mental in der Lage, so ein Turnier zu spielen“, urteilte Löw nun.
Lahm war der beste Spieler, laut Löw
Löw sprach auch über seine Hochachtung für Spieler wie Philipp Lahm, den er als besten Spieler bezeichnete, den er je trainiert habe. Bei Kevin Kuranyi musste er trotz dessen Ehrgeiz und Torschützenkönig-Titels für zwei Turniere absagen, da Miroslav Klose besser in seine Spielidee passte.
Seine wohl sportlich schwierigste Entscheidung traf Löw bei der WM 2014, als er Per Mertesacker nach fast hundert Länderspielen während des Turniers auf die Ersatzbank setzte. Der Verteidiger versprach dennoch ein Höchstmaß an Loyalität und Ehrgeiz, was Löw beeindruckte.
Besondere Tradition mit Thomas Müller
Eine besondere Tradition pflegt Löw mit FC-Bayern-Routinier Thomas Müller. Wenn sie telefonieren, „dann erzählen wir uns beide in der Regel immer einen Witz“. Es wird sich sogar akribisch darauf vorbereitet. Löw frohlockte: „Dann habe ich wieder einen Witz, den der Thomas vielleicht noch nicht kennt.“
Den Trainerjob hat Löw noch nicht aufgegeben. Er sieht sich eher als Nationaltrainer statt als Klubcoach und hofft auf einen Start bei der WM 2026. „Da explodiert die Stimmung“, glaubt Löw. Doch wo könnte ein Job für ihn frei werden?
Löws offene Worte in dem Interview verdienen jedenfalls großen Respekt. So einen Seelenstriptease in dieser Intensität hat Löw in der Öffentlichkeit noch nie abgelegt.