Bremen – Neue Liga, neue Gegner, neue Stadien, neue Reiserouten – nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga begibt sich der SV Werder Bremen in der Saison 2021/22 gezwungenermaßen auf ungewohntes Terrain.
Kurz vor dem offiziellen Trainingsstart am kommenden Wochenende hat die DeichStube die neue sportliche Heimat von Werder Bremen einmal genauer unter die Lupe genommen und stellt die 17 Kontrahenten im Unterhaus vor.
(Das ist der Spielplan für die Zweitliga-Saison 2021/22)
Holstein Kiel
Vorsaison: Platz 3
Größte Erfolge: Meister 1912
Unter dem neuem Trainer des SV Werder Bremen, Markus Anfang stieg der KSV Holstein 2017 in die 2. Liga auf. In den vier Jahren seitdem spielten die Kieler zwei Aufstiegsrelegationen und verloren beide – 2018 gegen Wolfsburg, 2021 gegen den 1. FC Köln. Logisch, dass das Team um den Ex-Bremer Fin Bartels auch in der kommenden Saison wieder zum Kreis der Aufstiegsapsiranten gehört. In Ole Werner (33) stellt Holstein Kiel den jüngsten Trainer der Liga.
Hansa Rostock
Vorsaison: Platz 2 in Liga 3
Größte Erfolge: Meister und Pokalsieger in der DDR 1991
Die Rückkehr in die 2. Liga hing am Ende am seidenen Faden. Nur aufgrund des besseren Torverhältnisses gegenüber dem FC Ingolstadt schaffte Hansa Rostock den direkten Aufstieg. Neun Jahre lang war der Ex-Bundesligist nur drittklassig gewesen. Wie sich so ein Aufstieg dann anfühlt, beschrieb Mittelfeldmann Jan Löhmannsröben: „Schöner als der beste Sex, den ich jemals hatte.“ Auf den folgt in der neuen Saison der Kampf um den Klassenerhalt, um nichts anderes wird es für Hansa gehen.
Hamburger SV
Vorsaison: Platz 4
Größte Erfolge: Europapokalsieger der Landesmeister 1983, Europapokalsieger der Pokalsieger 1977, 6x Deutscher Meister, 3x DFB-Pokalsieger
Abgestiegen 2018 und dann dreimal am Aufstieg gescheitert – jeweils als Tabellenvierter. Das ist schon tragisch, sagen die einen. Pures Versagen, schimpfen die anderen. Wie auch immer: Die Dauerschleife des HSV im Unterhaus sorgt dafür, dass es nach 108 Auflagen in der Bundesliga erstmals ein Nordderby in der 2. Liga zwischen Werder Bremen und den Hamburgern geben wird. In Tim Walter hat der HSV einen neuen Trainer an der Seitenlinie – es ist bereits der sechste, der sich am Projekt Bundesliga-Rückkehr versuchen darf. Verzichten muss er auf Torjäger Simon Terodde (24 Saisontore), der zu Schalke 04 wechselt.
FC St. Pauli
Vorsaison: Platz 10
Größte Erfolge: Zweitliga-Meister 1977
Aufgehorcht! In der Rückrundentabelle der vergangenen Saison belegte der FC St. Pauli Rang vier – ein enormer Wandel nach Platz 15 in der Hinrunde. Ein Grund des Aufschwungs war der Ägypter Omar Marmoush, der im Winter vom VfL Wolfsburg ausgeliehen worden war und dorthin nun wohl zurückkehrt. Noch kämpft St. Pauli um den 22 Jahre alten Stürmer. Trainer Timo Schultz wurde als Spieler einst in der U23 des SV Werder Bremen ausgebildet.
Hannover 96
Vorsaison: Platz 13
Größte Erfolge: Deutscher Meister 1938 und 1954, DFB-Pokalsieger 1992
Nur Platz 13 – für „96“ war die vergangene Saison die schlechteste seit dem Abstieg 1996 in die damals drittklassige Regionalliga. Nun soll unter dem neuen Trainer Jan Zimmermann (41/kommt vom TSV Havelse aus der Regionalliga und beerbt Kenan Kocak) ein Team aufgebaut werden, für das der Kampf um den Aufstieg nicht nur Theorie bleibt. „Mittelfristig bleibt der Aufstieg unser Ziel“, sagt Clubchef Martin Kind. In Genki Haraguchi hat „96“ einen zentralen Spieler an Union Berlin verloren.
SC Paderborn
Vorsaison: Platz 9
Größte Erfolge: Aufstiege in die Bundesliga 2014 und 2019
Die jüngere Vereinsgeschichte ist untrennbar mit Steffen Baumgart verbunden. Durchmarsch von der 3. Liga in die Bundesliga, dann der direkte Wiederabstieg, schließlich der Stopp der Achterbahnfahrt mit Platz 9 in der vergangenen Saison. Und nun ist Trainer Baumgart weg. Er wechselt zum 1. FC Köln, für den SC Paderborn bedeutet das eine Zäsur. Lukas Kwasniok (39/1. FC Saarbrücken) übernimmt den Posten und soll den SCP gewissermaßen im Baumgart-Stil weiterführen: mit Powerfußball. Dass Vorgänger und Nachfolger ähnlich ticken, ist von Vereinsseite absolut gewollt. Fabian Wohlgemuth, Geschäftsführer Sport, wollte zwar keine Baumann-Kopie verpflichten, „dennoch war es uns wichtig, dass der neue Cheftrainer gewisse Anknüpfungspunkte an das sportliche Vermächtnis von Steffen Baumgart finden wird.“
Schalke 04
Vorsaison: Absteiger, Platz 18 in Liga 1
Größte Erfolge: Uefa-Pokal-Sieger 1997, 7x Deutscher Meister, 5x DFB-Pokalsieger
Vor zweieinhalb Jahren stand Schalke 04 noch im Champions-League-Achtelfinale, nun ist der Club in der 2. Liga aufgeschlagen – welch ein Absturz. Nach dem Chaos der Vorsaison mit vier Trainerwechseln startete Dimitrios Grammozis noch in der Bundesliga das Projekt Neuaufbau. Das Team wird umgekrempelt, in Simon Terodde (HSV) und Danny Latza (Mainz 05) hat Schalke bereits neue Führungsspieler verpflichtet. Um sie herum soll ein Team entstehen, das den Wiederaufstieg anpeilen kann. Und das trotz bedrohlicher Geschäftszahlen. Der Schalker Schuldenstand beträgt 217 Millionen Euro, der Gehaltsetat soll – von 102 Millionen Euro kommend – auf ein Drittel geschrumpft werden. Dennoch: Schalke ist neben dem HSV der zweite Gigant der Liga.
Fortuna Düsseldorf
Vorsaison: Platz 5
Größte Erfolge: Deutscher Meister 1933, DFB-Pokal-Sieger 1979 und 1980
Kurze Erinnerung: Hätte sich Fortuna Düsseldorf am letzten Spieltag der Saison 19/20 nicht von Union Berlin mit 0:3 abschießen lassen, wäre Werder Bremen schon ein Jahr früher in der 2. Liga gelandet. Aus der fand die Fortuna im Jahr nach dem Abstieg nicht wieder heraus. Als Konsequenz trennte sich der unter anderem von Ex-Werder-Boss Klaus Allofs geführte Club von Trainer Uwe Rösler. In Christian Preußer (37) installierte die Fortuna einen aufstrebenden jungen Trainer als Nachfolger. Preußer führte die U23 des SC Freiburg in der abgelaufenen Saison erstmals in die 3. Liga und soll nun das Düsseldorfer Team auf die Rolltreppe nach oben stellen. „Mit der Wahl von Christian Preußer gehen wir einen neuen Weg bei der Fortuna“, sagte Allofs.
Darmstadt 98
Vorsaison: Platz 7
Größte Erfolge: Zweitliga-Meister 1978 und 1981
Der Trainer? Abgewandert zu Werder Bremen! Der Mittelstürmer und Zweitliga-Torschützenkönig? Ebenfalls weg, wenn auch noch mit unbekanntem Ziel. Und der Abwehrchef? Jetzt bei Schalke 04! Darmstadt 98 steht deshalb vor der großen Frage: Wie geht es ohne Coach Markus Anfang, ohne Tormaschine Serdar Dursun (27 Saisontreffer) und ohne Sicherheitschef Victor Palsson weiter? Antwort: Mit Torsten Lieberknecht als Coach und ganz viel Zuversicht. „Die Geschichte hat gezeigt, dass die Lilien Abgänge gut kompensieren konnten“, sagt der langjährige Eintracht-Braunschweig-Coach. Ein einstelliger Tabellenplatz ist das Ziel. Unter Anfang hatte Darmstadt in der vergangenen Saison die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte gespielt.
SV Sandhausen
Vorsaison: Platz 15
Größte Erfolge: Deutscher Drittligameister und Aufstieg in die 2. Liga 2012
Der Zwerg der 2. Liga! Mit nur 15.000 Einwohnern ist Sandhausen der kleinste Standort im deutschen Profi-Fußball. Heidelberg ist gleich um die Ecke. Dass der Zwerg zäh ist, bewies Sandhausen einmal mehr in der vergangenen Saison, als der Abstiegskampf erfolgreich bestritten wurde. Das Örtchen aus Baden-Württemberg sieht deshalb bereits seiner zehnten Zweitliga-Saison in Folge entgegen. Respekt! Der Erfolg hat einen Namen: Präsident Jürgen Machmeier. Seit 1999 leitet der Inhaber eines Bauunternehmens die Geschicke des kleinen Vereins und ist zugleich einer der größten Geldgeber. In der vergangenen Saison stand Werder-Leihgabe Stefanos Kapino für ein halbes Jahr im Tor des SVS, Top-Torschütze Kevin Behrens (30 Jahre/13 Saisontreffer) ist ein gebürtiger Bremer und steht beim SV Werder auf der Liste möglicher Neuzugänge.
Karlsruher SC
Vorsaison: Platz 6
Größte Erfolge: Deutscher Meister 1909, Deutscher Pokalsieger 1955 und 1956
Hinter dem Gründungsmitglied der Bundesliga liegen etliche Jahre des sportlichen Auf und Abs – gleich drei Mal musste der KSC, einst bekannt für Spieler wie Oliver Kahn, Edgar „Euro-Eddy“ Schmitt oder Sergej Kirjakow, seit der Saison 1999/2000 den bitteren Gang in die Drittklassigkeit antreten. Nach der Rückkehr in die 2. Bundesliga im Jahr 2019 hat die Mannschaft unter Trainer Christian Eichner dort eine starke Saison 2020/21 gespielt. Zwischenzeitlich schien sogar der Aufstieg in die Bundesliga möglich. Bis zu seiner Knieverletzung Anfang Mai zählte in Benjamin Goller (27 Einsätze, vier Tore, zwei Vorlagen) auch ein Leihspieler von Werder Bremen zu den Leistungsträgern der Mannschaft.
1. FC Nürnberg
Vorsaison: Platz 11
Größte Erfolge: 9x Deutscher Meister, 4x DFB-Pokalsieger
Wenn man so will der „Rekord-Altmeister“. Neun Meisterschaften stehen in der Chronik, die letzte datiert jedoch von 1968. Seit dem neunten Abstieg 2019 (Rekord!) hängt Nürnberg in Liga zwei fest. 2020 wurde der Sturz in die 3. Liga nur knapp vermieden. Der Jetzt-Bremer Patrick Erras lieferte die Vorlage zum Last-Minute-Tor der Franken in der Relegation. Sport-Vorstand Dieter Hecking und Sportdirekter Olaf Rebbe (einst bei Werder Bremen der Assistent von Klaus Allofs) wollen den „Club“ nun sukzessive Richtung Bundesliga entwickeln.
Erzgebirge Aue
Vorsaison: Platz 12
Größte Erfolge: DDR-Meister 1956, 1957, 1959, DDR-Pokalsieger 1955
Nach dem Aufstieg im Jahr 2016 stehen die „Veilchen“ vor ihrer sechsten Saison in Serie in der 2. Bundesliga. Bester Auer Torschütze in der vergangenen Spielzeit war ein ehemaliger Bremer: Stürmer Pascal Testroet, von 2008 bis 2011 bei Werder Bremen unter Vertrag, traf insgesamt zwölf Mal. Kurios: Nach einem Zerwürfnis mit der Mannschaft meldete sich Trainer Dirk Schuster im Mai für das vorletzte Ligaspiel gegen Düsseldorf krank. Nach der Saison wurde er durch den 33-jährigen Weißrussen Aliaksei Shpileuski ersetzt.
Dynamo Dresden
Vorsaison: Aufsteiger, Platz 1 in Liga 3
Größte Erfolge: 8x DDR-Meister, 7x DDR-Pokalsieger
Als Meister der 3. Liga feierte der Verein den direkten Wiederaufstieg, nachdem er in der Vorsaison enorm hart von der Corona-Pandemie getroffen worden war. Zur Erinnerung: Eine 14-tägige häusliche Quarantäne des gesamten Kaders hatte sieben Spiele innerhalb von 19 Tagen für Dynamo zur Folge, was letztlich den Abstieg besiegelte. Im Schlussspurt der Drittliga-Saison wurde Trainer Markus Kauczinski nach dem Abrutschen auf Tabellenplatz vier durch Alexander Schmidt ersetzt, der das Team letztlich zum Titelgewinn führte. In Dynamo-Legende Dixie Dörner (70) sitzt seit 2013 übrigens ein ehemaliger Werder-Trainer im Aufsichtsrat des Vereins.
SSV Jahn Regensburg
Vorsaison: Platz 14
Größte Erfolge: 4x Aufstieg in die 2. Liga
Die letzte Begegnung mit Werder Bremen liegt noch nicht lange zurück: Im April setzten sich die Bremer mit 1:0 im Viertelfinale des DFB-Pokals in Regensburg durch. In der Liga musste lange gezittert werden: Erst am letzten Spieltag sicherte sich die Mannschaft von Trainer Mersad Selimbegovic den Klassenerhalt. In Jan-Niklas Beste stand dabei auch ein Leihspieler aus Bremen auf dem Platz. An Regensburg ist der 22-Jährige noch bis 2022 vertraglich gebunden.
FC Ingolstadt 04
Vorsaison: Aufsteiger, Platz 3 in Liga 3
Größte Erfolge: Zweitliga-Meister 2015
Das Hinspiel 3:0 gewonnen, das Rückspiel 1:3 verloren – hauchdünn setzten sich die Ingolstädter jüngst in der Relegation gegen den VfL Osnabrück durch und feierten ihre Rückkehr in die 2. Liga nach dem Abstieg 2019. Nach zwei Saisons in der Bundesliga (15/16 und 16/17) war der Club bis in die Drittklassigkeit durchgereicht worden. Interessant: Bereits 2007 hatte der FCI seine Lizenzspielerabteilung ausgegliedert. 80,06 Prozent der Anteile hält seitdem der Verein, die restlichen 19,94 Prozent die Audi Sport GmbH, eine Tochtergesellschaft des Autobauers Audi, der seinen Stammsitz in Ingolstadt hat.
1. FC Heidenheim
Vorsaison: Platz 8
Größte Erfolge: Aufstiegsrelegation zur 1. Liga 2020
Heidenheim – das ist ein Städtename, der seit Sommer 2020 einen festen Eintrag in Gedächtnis aller Werder-Fans haben dürfte. In der Relegation verhinderten die Bremer damals (wenig glanzvoll!) den Abstieg in die 2. Liga gegen den Club aus dem Osten Baden-Württembergs. Heidenheims Trainer heißt auch heute noch Frank Schmidt, und überhaupt ist es schwer vorstellbar, dass jemals eine andere Person beim 1. FC Heidenheim an der Außenlinie steht: Schon seit 2007 ist der heute 47-Jährige im Amt. Sein verlängerter Arm auf dem Platz – Kapitän Marc Schnatterer, seit 13 Jahren dabei – muss vor der neuen Saison allerdings gehen. Der Vertrag der Vereinsikone wurde nicht verlängert. (csa/dco)