Paderborn – Der Sprung ins Profigeschäft ist Lukas Kwasniok während seiner aktiven Laufbahn verwehrt geblieben – bereits im Alter von 19 Jahren entschied er sich gegen den Traum vom bezahlten Fußball und startete eine Ausbildung zum Beamten im mittleren Dienst. Als Trainer sollte es der heute 40-Jährige dann aber doch noch weit nach oben schaffen. Mit dem 1. FC Saarbrücken stieg Kwasniok in der Saison 2019/20 in die 3. Liga auf und schied erst im Halbfinale des DFB-Pokals aus. Seit Sommer ist er nun Chefcoach des Zweitligisten SC Paderborn. Ein Gespräch über die Spielphilosophie von Markus Anfang, ostwestfälische Ruhe und den kommenden Gegner Werder Bremen.
Lukas Kwasniok, haben Sie sich schon eingelebt in Ostwestfalen?
Ich glaube, ich bin ein relativ offener Mensch. Mir fällt es normalerweise recht leicht, schnell Anschluss zu finden.
Ihnen mag dabei zugute kommen, dass Sie diesen Landstrich kennen. Als junger Spieler standen Sie mal bei Arminia Bielefeld unter Vertrag.
Das ist schon verjährt, daran habe ich nur noch recht schwammige Erinnerungen. Übertrieben gesagt: Es war in der Zeit, als es noch Fernsehen in Schwarz-Weiß gegeben hat.
Damals haben Sie ein Jahr vor dem Abitur die Schule verlassen, um in Bielefeld anzuheuern. Würden Sie das aus heutiger Sicht noch einmal so machen?
In der Schulzeit ist mir am Ende klar geworden, dass ich nicht der Typ bin, um zu studieren. Ich hatte meinen Realschulabschluss in der Tasche, also habe ich es in Bielefeld mit dem Fußball gewagt.
Warum hat es nicht funktioniert?
Da kamen verschiedene Komponenten zusammen. Ich habe relativ schnell die Flinte ins Korn geworfen, obwohl ich einen über vier Jahre laufenden Vertrag hatte. Nach knapp eineinhalb Jahren habe ich hingeschmissen. Das Datum hat sich eingeprägt: Es war der 1. Dezember 2000.
Haben Sie ab diesem Zeitpunkt bereits alles auf die Karte „Karriere als Trainer“ gesetzt?
Es ist nicht ganz übergangslos passiert. Im Amateurfußball habe ich versucht, noch ein wenig gegen den Ball zu treten. Sozusagen nebenberuflich bin ich dann im Alter von 24 Jahren in den Trainerbereich gerutscht.
(Verfolgt das Heimspiel des SV Werder Bremen gegen den SC Paderborn im Liveticker der DeichStube)
Seit Juli diesen Jahres trainiert Lukas Kwasniok Werder Bremens Liga-Konkurrent SC Paderborn
In Karlsruhe haben sie als Interimscoach schon mal in der 2. Liga auf der Bank gesessen. Nun ist der Sprung nach Stationen in Jena und Saarbrücken zum Chefcoach des Zweitligisten Paderborn erfolgt. Sind Sie am Ziel angekommen?
Meine Meinung, die ich immer im Gespräch mit Spielern äußere, lautet so: Zweitliga-Profi darf sich erst derjenige nennen, der 50 Spiele in dieser Spielklasse absolviert hat. Keineswegs jemand, der es beispielsweise auf acht Kurzeinsätze bringt. Also wäre es vermessen, wenn ich davon bei mir selbst nun abwiche. Ich bin noch ein Novize in der 2. Liga.
Ein Neuling im bezahlten Fußball, der allerdings in Jena und zuletzt vor allem in Saarbrücken auf sich aufmerksam gemacht hat. Sie haben in der Saison 2019/20 den Aufstieg in die 3. Liga geschafft und sind im DFB-Pokal als erster Viertligist überhaupt ins Halbfinale eingezogen.
Wie die Jungfrau zum Kind bin ich dazu gekommen. Die Saison war schon im Gange, als ich in Saarbrücken übernommen habe. Ich mag es nicht, mich mit fremden Federn zu schmücken. Im Pokal haben wir auch das nötige Quäntchen Glück gehabt, uns in einen Flow gesteigert und erst den Karlsruher SC und dann Düsseldorf geschlagen. Beim 0:3 gegen Leverkusen im Halbfinale waren wir dann chancenlos.
Steffen Baumgart, Ihr Vorgänger, ist zu einer großen Nummer in Paderborn avanciert, nachdem er den Durchmarsch von der 3. Liga bis in die Bundesliga vollbracht hatte. Er hat große Fußstapfen hinterlassen. Zu große? Spüren Sie, wie schwer sein Erbe werden könnte?
Daran denke ich nicht. So habe ich es schon an meinen früheren Stationen gehalten. Alles hat seine Zeit. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit und den Erfolgen, großen Respekt vor dem, was Steffen Baumgart geschafft hat. Schon bei meinem Amtsantritt habe ich gesagt: Wenn so etwas in der Vergangenheit möglich war, könnten wir es auch in der Zukunft schaffen.
Was schätzen Sie am SC Paderborn?
Hier steht die Arbeit im Fokus, der Sport in jeder Hinsicht. Hier finde ich ein relativ ruhiges Umfeld vor, in dem sich die Spieler entwickeln können. Aus meiner Sicht ist das ein großes Faustpfand, das nicht unterschätzt werden darf. Eine gute Grundlage, um dauerhaft erfolgreich arbeiten zu können.
Baumgart stand für Vollgasfußball. Wie man hört, setzen Sie andere Akzente, wollen taktisch variabel operieren. Stimmen Sie diesem Urteil zu, das Beobachter gefällt haben?
Ich habe Weg und Spielweise von Paderborn verfolgt. Ich weiß, wie Baumi hat spielen lassen. Nämlich so, wie er als Typ daherkommt: immer Power, immer Vollgas. Meine volle Hochachtung dafür. Doch wenn ein Team ständig im sechsten Gang unterwegs ist, dann kommt es auch nicht selten vor, dass irgendwann der Motor leidet und einen Schaden davonträgt. Mein Ansatz ist daher: Auch ich will mit der Mannschaft Gas geben, doch nicht ununterbrochen. Ich möchte eine Spielidee entwickeln, die authentisch ist, nicht künstlich, eine Gangart, die meinem Wesen entspricht.
Lukas Kwasniok kann für das Spiel vom SC Paderborn gegen Werder Bremen „eine gezielte Spielvorbereitung betreiben“
Wie sehen Sie Werder Bremen, den kommenden Gegner Ihrer Mannschaft?
Ein abschließendes Urteil ist noch nicht zu fällen, weil in Bremen personell noch viel im Fluss ist. Alles, was ich heute sage, kann am Spieltag schon wieder überholt sein. Doch ich kenne natürlich den Kollegen Markus Anfang, kenne seine favorisierte Spielphilosophie. An dieser wird er auch bei Werder festhalten, wie er in Interviews schon angekündigt hat. Von daher kann ich schon eine gezielte Spielvorbereitung betreiben.
Beschreiben Sie doch mal die Anfang-Philosophie!
Markant ist, dass stets die Außenverteidiger einrücken, ihnen somit eine bindende Funktion zukommt. Anfang will so das Zentrum verdichten und verstärken, jedoch auch über die Flügel agieren lassen und angreifen. Das ist, wenn der Plan perfekt umgesetzt wird, schwer zu verteidigen. Doch andererseits bringt diese Strategie auch Nachteile mit sich. Für den Gegner ergeben sich beim Umschaltspiel viele Räume, wenn einige Spieler nicht rechtzeitig auf ihren Positionen sind.
Sie haben also Anfangs System bereits entschlüsselt und sind gewappnet?
Dieser Stil von Markus ist bekannt. So hat er schon in Kiel spielen lassen und dort für Furore gesorgt. Es ist eine erfolgversprechende Methode, die indes Zeit braucht, bis sie mit Überzeugung vorgetragen werden kann.
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Bei Werder Bremen hat sie im Auftaktspiel gegen Hannover 96 noch nicht optimal funktioniert. Wie haben Sie die Zweitliga-Premiere der Bremer erlebt?
Im Bus auf der Rückfahrt aus Heidenheim habe ich das Match verfolgt. Werder wollte zunächst zeigen, wer Herr im Haus ist, doch später ist die Leichtigkeit und auch die Überzeugung verloren gegangen, sodass ein möglicher 96-Sieg nicht unverdient gewesen wäre.
Paderborn hat mit zwei Unentschieden einen eher durchwachsenen Saisonstart hingelegt und ist genau wie Werder im Pokal gescheitert. Wie sieht Ihre erste Zwischenbilanz aus?
Für mich war das Spiel in Dresden das beste der Saison. Wir haben ein ansehnliches Pokalspiel gezeigt, müssen vor dem Tor jedoch noch zielstrebiger agieren. Die Niederlage hat uns allen, was die Überzeugung für die Zusammenarbeit betrifft, aber mehr gebracht als die vergangenen Wochen. So, wie wir in den letzten 25 Minuten agiert haben, stelle ich mir das vor.
Erst der Hamburger SV, Hannover 96 und Fortuna Düsseldorf, aktuell nun auch Schalke und Werder Bremen – warum tun sich Erstliga-Absteiger so schwer beim Projekt Wiederaufstieg?
Es ist nicht nur ein Phänomen, das die Absteiger aus der höchsten Spielklasse betrifft. Auch in den unteren Ligen ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Es liegt in der Natur der Sache. Spieler aus Abstiegsmannschaften haben naturgemäß länger oder nicht so oft gewonnen, darunter leidet das Selbstvertrauen. Allerdings haben sie an sich selbst einen anderen Anspruch, sehen sich vom Leistungsvermögen her eine Klasse höher. Es kann zu einem schleichenden Prozess werden. Der Abstand nach oben wird immer größer, dazu steigt der Druck immens. Der HSV ist das beste Beispiel: Sie sind dreimal nach hinten heraus gescheitert, weil gerade bei Traditionsclubs diese Gemengelage mit der hohen Erwartungshaltung auf die Psyche drückt.
Ein Druck, den Sie in Paderborn nicht spüren und fürchten müssen?
Hier ist in der Tat der Druck überschaubar, wie ich schon erwähnt habe. Das erleichtert mir die Arbeit, reizt mich aber auch. Ich strebe schon an, erfolgreichen Fußball spielen zu lassen. Wir wollen die Großen ärgern, also auch Favoriten wie Werder.
Einst haben Sie eine Ausbildung für die Beamtenlaufbahn im mittleren Dienst begonnen. Nun sind Sie Trainer einer Profimannschaft. Können Sie sich noch vorstellen, den Trainingsplatz mit einem Schreibtisch in irgendeiner Behörde zu tauschen?
Auf keinen Fall. Schon nach zwei Tagen habe ich damals bei meiner Lehre gemerkt, dass der Beruf als Beamter kein Job für mich ist. Daher habe ich die Ausbildung auch nicht beendet.
(So seht Ihr das Zweitliga-Spiel Werder Bremen gegen SC Paderborn live im TV und im Live-Stream! Auch interessant: Baumann: „Für Paderborn wie im Schlaraffenland“ - die Stimmen zum Werder-Debakel gegen den SC! Kommentar: Werders Drahtseilakt führt zum Debakel!)