Bremen – Ob er ihn im Telefonbuch seines Handys schon unter den Favoriten abgespeichert hat, ist nicht bekannt. Lohnen würde es sich allemal. Denn es dürfte in den vergangenen Tagen keine Nummer gegeben haben, die Frank Baumann öfter gewählt hat als die von Markus Anfang. Seit Samstag, so berichtete es der Sportchef des SV Werder Bremen am Mittwoch in einer Online-Medienrunde, telefoniere er täglich (und das vermutlich mehrmals) mit dem neuen Cheftrainer, der sich aktuell noch im Urlaub befindet.
Zu besprechen gab und gibt es für die beiden Männer schließlich mehr als genug. „Erst ging es darum, wie sein Vertrag bei uns aussieht, dann um die Situation mit Darmstadt und jetzt um die ganzen weiteren Dinge“, erklärte Baumann, dem es am Dienstag gelungen war, in Markus Anfang „unsere Wunschlösung“ für die Nachfolge des entlassenen Florian Kohfeldt zu verpflichten. Baumann sprach in diesem Zusammenhang von „einfachen Verhandlungen“ mit Darmstadt, ärgerte sich aber über Teile der medialen Begleitung, nannte den neuen Coach „erfolgsbesessen“ – und erklärte ausführlich, warum es in seinen Augen aktuell keinen besseren für Werder Bremen hätte geben können.
Es war am Dienstagnachmittag, exakt 15.45 Uhr, als die Bremer eine Vollzugsmeldung mit der Überschrift „Neubeginn mit Markus Anfang“ in die Welt schickten – und damit ein Thema endgültig offiziell machten, das in den Tagen zuvor medial einige Irrwege genommen hatte. Auf Nahezu-Vollzugsmeldungen am Sonntag war am Montagabend an anderer Stelle die vermeintliche Kehrtwende gefolgt, sprich der Transfer als geplatzt beschrieben worden. „Ich habe die ganze Aufregung, die in den letzten Tagen entstanden ist, in keinster Weise nachvollziehen können“, sagte Baumann – und fügte an: „Da waren Falschinformationen in Umlauf.“ So stehen lassen wollte der 46-Jährige sie nach der Verpflichtung von Markus Anfang nicht, weshalb er einen durchaus detailreichen Einblick in die Verhandlungen mit Darmstadt 98 gab, was alles andere als branchenüblich ist.
Werder Bremen zahlt für Transfer von Markus Anfang 400.000 Euro
„Es gab ein Angebot von unserer Seite auf das ein schriftliches Gegenangebot mit den Vorstellungen von Darmstadt folgte“, erklärte Baumann. Daraufhin sei es zu einer einzigen Verhandlungsrunde gekommen, „in der wir einen guten Weg gefunden haben“. Eine Zusammenfassung des Ablaufs, die grundsätzlich auch von Darmstadts Sportlichem Leiter Carsten Wehlmann bestätigt wurde. „Wir haben Werder ein Gegenangebot mit den Vorstellungen unterbreitet, bei deren Erfüllung ein Wechsel zustande kommen könnte. Dieses Angebot hat Werder Bremen zunächst abgelehnt, einen Tag später aber noch einmal signalisiert, dass sie weiterhin gesprächsbereit seien. Anschließend haben wir uns zusammengesetzt und eine Lösung für alle Parteien gefunden“, sagte der 48-Jährige am Mittwoch. Dem Vernehmen nach sollen sich beide Clubs bei einer Ablöse in Höhe von 400.000 Euro geeinigt haben. Baumanns Fazit: „Wenn alle Verhandlungen so einfach laufen würden, wäre unsere Arbeit deutlich leichter.“ Dann richtete er den Blick nach vorn. Auf Anfang und dessen Mission bei Werder Bremen.
Klar ist, dass es im Verein die große Hoffnung gibt, dass der neue Mann die Mannschaft direkt zurück in die Bundesliga führen kann. Als Auftrag formuliert Baumann das aber (noch) nicht. „Wie genau die Zielformulierung für die neue Saison aussehen wird, werden wir intern noch besprechen. Fest steht, dass wir mit einer gewissen Demut an die Aufgabe herangehen. Wir werden in vielen Spielen in die Favoritenrolle gedrängt werden, und das müssen wir annehmen.“ Klingt nicht gerade nach einer Kampfansage an die 2. Liga, aber die wäre zum jetzigen Zeitpunkt auch ziemlich vermessen – schließlich wissen Anfang und Baumann selbst noch gar nicht, wie genau das Bremer Aufgebot für die Saison 2021/2022 aussehen wird.
Werder Bremen muss sich wegen finanzieller Not von vielen Spielern trennen
Schon vor der Vertragsunterschrift des neuen Trainers hatte sich Baumann mit ihm über den Kader, gewisse Positionsprofile und mögliche Neuzugänge ausgetauscht. Und über die natürlichen Grenzen, die dem Ganzen bei Werder Bremen gesetzt sind. „Markus weiß, in was für einer wirtschaftlichen Position wir uns befinden. Das haben wir ihm gegenüber ganz offen und transparent formuliert“, so Baumann. Und weiter: „Er weiß auch, dass wir den einen oder anderen Leistungsträger und Stammspieler abgeben müssen.“ Ziel sei es, eine gute Mischung hinzubekommen, „aus erfahrenen Spielern, die die 2. Liga kennen und unseren Talenten, die schon in der letzten Saison Einsätze hatten“. Wie das am Ende genau aussehen wird: unklar. Davon, was Markus Anfang mit dem zukünftigen Team bewerkstelligen soll, hat Baumann hingegen eine sehr präzise Vorstellung.
„Wir erwarten von unserem Trainer, dass er möglichst erfolgreich spielt, dass er einen möglichst offensiven, attraktiven Kombinationsfußball spielen lässt, dass er Spieler weiterentwickelt und natürlich auch die Werte unseres Vereins nach außen vertritt“, sagte der Sportchef. Anfang habe bei seinen bisherigen Stationen in Kiel, Köln und Darmstadt gezeigt, dass er das leisten kann. Zudem habe er in Köln bereits die Erfahrung gesammelt, wie es ist, einen abgestiegenen Traditionsclub zu übernehmen, „in dessen Umfeld es einen gewissen Druck gibt“.
Markus Anfang will mit Werder Bremen sofort wieder aufsteigen
All das hat dazu beigetragen, dass Markus Anfang zur Wunschlösung wurde. Ebenso wie die Tatsache, dass der 46-Jährige die 2. Liga bestens kennt und auch als Typ nach Bremen passe. Baumann: „Markus ist jemand, der einer Mannschaft Siegermentalität vermitteln kann und sie selbst vorlebt. Er ist sehr ambitioniert und erfolgsorientiert, vielleicht sogar erfolgsbesessen.“ Bisher habe er vielleicht „nur“ im Unterhaus seine Qualitäten zeigen können, „aber ich traue ihm die 1. Liga absolut zu“, sagte Baumann, „das ist Markus‘ perspektivisches Ziel“. Und zufällig auch das von Werder Bremen. (dco) Auch interessant: Neuer Trainer, neue Methoden - Darum lässt Markus Anfang Werder Bremen so viel spielen!