Bremen – Niclas Füllkrug hatte in beiden Fällen wirklich alles probiert. Er hatte auf seinen Kollegen eingeredet, sich vorsorglich sogar schon den Ball unter den Arm geklemmt und ganz allgemein große Entschlossenheit ausgestrahlt. Geholfen hatte all das am Ende nicht: Davy Klaassen war jeweils hart geblieben und hatte die beiden Elfmeter im Auswärtsspiel von Werder Bremen beim 1. FC Union Berlin selbst geschossen.
Einer war drin, der andere nicht, über ein Jahr ist das jetzt her – und im Herbst 2020 plötzlich doch wieder brandaktuell. Denn: Hätte Niclas Füllkrug damals die beiden Strafstöße schießen dürfen und auch verwandelt, hätte er es nach vier Spieltagen auf vier Tore gebracht – sprich: schon damals auf exakt jene starke Quote, die der Stürmer von Werder Bremen aktuell aufweist: vier Spiele, vier Tore.
„Er hat damals wirklich um die Elfmeter gekämpft“, erinnert sich Werders Sportchef Frank Baumann, für den Füllkrugs momentane Treffsicherheit „nicht überraschend“ kommt: „Wenn er gesund bleibt, und davon gehen wir aus, dann wird er auch weiterhin seine Tore machen.“ Gesund bleiben – genau das war im Vorjahr das große Problem gewesen. Nach dem Union-Spiel verletzte sich Füllkrug im Training schwer, riss sich das Kreuzband im linken Knie – und kehrte erst neun Monate später auf den Platz zurück. Dort, so scheint es, findet er nun zu alter Form zurück – was zwangsläufig zur Frage führt: Hat Werder Bremen nach vielen Jahren Durststrecke womöglich wieder einen echten Torjäger?
Werder Bremen: Niclas Füllkrug schoss bereits vier Tore nach vier Bundesliga-Spielen
Natürlich lässt sich das nach nur vier Saisonspielen nicht seriös beantworten, aber Füllkrugs Tore – drei beim 3:1 auf Schalke und jüngst eines beim 1:1 in Freiburg – nähren zumindest die Hoffnung, dass in der Torjägerliste am Ende mal wieder ein Bremer Name weit oben steht. Aktuell sind jedenfalls nur Bayerns Robert Lewandowski (7) und Hoffenheims Andrej Kramaric (6) noch treffsicherer in die Saison gestartet, Dortmunds Erling Haaland liegt mit Niclas Füllkrug gleichauf.
„Niclas hat bisher gut gespielt, er profitiert natürlich auch davon, dass Werder gut gestartet ist“, sagt einer, der weiß, wie das mit dem Toreschießen geht: Ivan Klasnic. Dreimal hintereinander – erst im Double-Jahr 2003/2004 und dann auch in den beiden Folge-Saisons – hatte der heute 40-Jährige für Werder Bremen zweistellig getroffen: 13, 10 und 15 Tore. Insgesamt waren es in der Bundesliga am Ende 49 für Grün-Weiß. Beim Abschiedsspiel von Per Mertesacker haben sich die beiden Männer 2018 kennengelernt, „ein lustiger Typ“, sagt Klasnic über Füllkrug – und auch einer, dem er das zutraut: sich weit oben in der Torjägerliste zu behaupten. „Es ist jetzt erstmal nur eine Momentaufnahme, aber er hat ja früher schon gezeigt, was er kann“, erinnert Klasnic und dürfte damit die Saison 2017/2018 gemeint haben, als Niclas Füllkrug für Hannover 14 Saisontore schoss. Zum Vergleich: Bei Werder war zuletzt Max Kruse ähnlich gefährlich gewesen (15 Tore in der Saison 2016/2017).
Werder Bremen: Niclas Füllkrug ist Elfmeter-Schütze Nummer eins
„Wichtig ist, dass Niclas fit bleibt“, betont auch Klasnic, der es genau wie Ex-Mitspieler Baumann sieht: „Dann wird Werder in diesem Jahr noch sehr viel Freude an ihm haben.“ Vorteil Füllkrug: Um die Elfmeter muss er inzwischen nicht mehr feilschen, nach dem Abgang von Klaassen ist er Schütze Nummer eins, was sicherlich nicht die schlechteste Wahl von Trainer Florian Kohfeldt war. Zwei seiner bisher vier Saisontreffer erzielte der Stürmer vom Punkt aus. (dco/kni)