Werbung führt dann und wann in die Irre, das ist bekannt. In einer Online-Abstimmung hat ein bayerischer Käse-Großfabrikant nun aber einen Negativpreis abgeräumt.
Heimenkirch/Berlin - Das war dann wohl wirklich Käse: Die Verbraucherorganisation Foodwatch vergibt ihren Schmähpreis „Goldener Windbeutel“ in diesem Jahr an einen Käse des Herstellers Hochland. Für die Verbraucher war der Käse der Marke Grünländer unter fünf Nominierten in der Online-Abstimmung die „dreisteste Werbelüge des Jahres“, wie Foodwatch am Dienstag mitteilte. Hersteller Hochland nahm den Negativpreis nicht an und wies die Kritik an seinem Produkt erneut zurück.
In den vergangenen Jahren hatten häufig für Kinder gedachte Nahrungsmittel den Preis „gewonnen“: Unter anderem eine Bio-Tomatensauce der Ökomarke Zwergenwiese und ein „Babykeks“ des Herstellers Alete. Coca-Cola bekam 2018 sein Fett weg - für ein „Smartwater“.
Käse aus Bayern „gewinnt“ Negativpreis von Foodwatch: Hochland wegen Werbung in der Kritik
Die Verbraucherschützer hatten in diesem Jahr den Käse nominiert, weil Hochland auf der Verpackung mit „Milch von Freilaufkühen“ wirbt, wobei sich die Tiere im Stall bewegen. „‘Freilaufkühe‘ ist ein reiner Fantasiebegriff“, kritisierte Foodwatch. „Hochland gaukelt seiner Kundschaft ein Weide-Idyll vor und täuscht ausgerechnet jene Verbraucherinnen und Verbraucher, die bewusst Produkte auswählen, von denen sie sich eine bessere Tierhaltung versprechen.“
Hochland verweigerte heute ein Gespräch und wollte den Goldenen #Windbeutel nicht annehmen. Schwach! Wir hätten gerne über die dreiste Tierhaltungs-Täuschung beim "Grünländer"-Käse diskutiert. https://t.co/hFSFSBtMkC pic.twitter.com/qloaQJg3lJ
— foodwatch Deutschland (@foodwatch_de) September 8, 2020
„Für unsere Marke verwenden wir ausschließlich Milch von Kühen, die sich jederzeit frei im Stall bewegen können und nicht angebunden sind“, erklärte Hochland. Das Unternehmen wies die Kritik am Dienstag als „nicht angemessen“ zurück und nahm die unrühmliche Auszeichnung nicht an. Laut Foodwatch war der Firmensitz im bayerischen Heimenkirch (Landkreis Lindau) bei der geplanten Übergabe verschlossen und „die Konzernleitung stand für ein Gespräch nicht zur Verfügung“.
Käse-Hersteller Hochland nach Minus-Preis empört: Transparente Hinweise? Kunden sehen's offenbar anders
Bereits nach der Nominierung Mitte August hatte Hochland erklärt, auf der Verpackungsrückseite werde transparent darauf hingewiesen, „dass sich der Begriff ‚Freilaufkühe‘ auf im Stall gehaltene Kühe bezieht“. Etwas anderes werde auf keinem Werbemittel suggeriert. „Auch in unserem Fernseh-Spot zeigen wir die Kühe klar erkenntlich in einem geschlossenen Stall.“
Vielen der 65.000 Verbraucher, die online für den Goldenen Windbeutel abstimmten, reichte das offenbar nicht: Knapp 44 Prozent wählten nach Angaben der Verbraucherschützer den Grünländer-Käse. Ein Volvic Bio-Tee von Danone erhielt rund 18 Prozent der Stimmen, gefolgt von einer Weidemilch von Arla (14 Prozent), einem Fruchtaufstrich von Zentis (13 Prozent) und einem Proteinriegel von Mars (zwölf Prozent).
Der „Tee“ aus dem Hause Volvic enthält nach Angaben von Foodwatch circa einen halben Teelöffel Tee pro 750 Milliliter. Bei Arlas Weidemilch sah die Organisation die Kunden mit einem erfundenen CO2-Label hinters Licht geführt: Dieses verspricht 71 Prozent Einsparung des Klimagases, bezieht sich aber nur auf die Herstellung der Verpackung. Mars wiederum habe bei seinem Produkt einen „pflanzlichen Protein-Kick versprochen“ obwohl der Riegel etwa zur Hälfte aus Fett und Zucker besteht. Zentis‘ Fruchtaufstrich beinhalte zwar tatsächlich wie beworben „50 Prozent weniger Zucker“ - allerdings sei dieser Inhalt nicht mit Früchten, sondern mit Wasser ersetzt worden.
Foodwatch vergibt „Goldenen Windbeutel" für Kunden-Täuschung - und stellt Forderung an bayerische Behörde
Das Arla-Produkt hatte Foodwatch selbst nominiert, die übrigen vier Kandidaten gingen auf Einreichungen von Verbrauchern zurück. Die Organisation vergab den Negativpreis zum zehnten Mal.
Foodwatch forderte die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen in Kulmbach am Dienstag auf, „die irreführende Vermarktung von Grünländer zu untersagen“. Dafür setzte die Organisation eine Frist bis zum 22. September und drohte der Behörde mit einer Klage. „Das Lebensmittelrecht verbietet Täuschung, die Behörden sind zum Einschreiten verpflichtet“, betonten die Verbraucherschützer.
Bereits in der vergangenen Woche hatten sie wegen „fortgesetzter Täuschung“ der Verbraucher den Stopp der Werbung für drei für den Schmähpreis nominierte Produkte gefordert: Betroffen waren neben Hochland die Unternehmen Arla und Danone. Sie „bewerben stinknormale Produkte als besonders klimaschonend, tierfreundlich oder hochwertig - das ist illegal“, hatte Manuel Wiemann von Foodwatch kritisiert.
Immerhin: Essbar und trinkbar waren alle genannten Produkte. Ein in Deutschland verkaufter Käse aus den Niederlanden wurde nun hingegen in die Läden zurückgerufen. Unterdessen wurde in Deutschland der erste Fall von Afrikanischer Schweinepest bestätigt. (AFP/fn)